Als wir vor sieben Jahren nach Mitteldeutschland gezogen sind, war manches für uns ein Schock. Bis dahin hatte ich den Offenbacher Weihnachtsmarkt für einigermaßen häßlich gehalten, hier wurde der Rummel an manchen Orten noch übertroffen:
Daß durchweg Schlagermusik aus Lautsprechern tönt, daß Autoscooter aufgebaut sind, daß die Kinder im schulischen Musikunterricht dezidiert nur „Jahresendzeitliches“ singen – strikte Vermeidung von Liedern mit christlichem Bezug. Wo sechs Kinder ihre Kindergarten‑, Klassen,-Turnverein- ‚etc.-Feiern abhalten, gibt´s wochenlang kein Entrinnen. Gut, wenn man in religiöser Hinsicht da nicht leicht kränkbar ist. Lieber aber wär’ man kein Kulturpessimist, dann fände man das alles vielleicht sogar sehr hübsch. Gut, man müßte naiv sein, in diesen Landstrichen einen Rückgriff auf Christliches zufinden.
Tiefpunkt war vergangene Woche die Xmas-Feier unserer Siebtkläßlerin. Die Lehrerin ist unschuldig; die Schüler haben das Programm selbst gestaltet. Für zwei Mädchen wurde der CD-Spieler laut gestellt, Georg Michaels Schnulze „Last Christmas“ erklang, und die beiden Vortragenden sangen den Text mit, inklusive aller Zwischenseufzer (oh yeah! usw.). Dann sang die ganze Klasse polyphon das kecke Gleichberechtigungslied „Herr Holle“, zwei weitere sogenannte Gedichte folgten, die sich a) um Weihnachtsdepressionen und b) um einen im Suff gebratenen Truthahn drehten – und an fäkalen Wörtern keinen Mangel ließen.
Berichte über den Austausch bzw. die Ineinssetzung von Nikolaus und Christkind als „Weihnachtsmann“ u.ä. gibt’s zuhauf. Bei diesem Deutschlandfunk-Bericht aus New York kams mir vor, als hätte Mitteldeutschland ausnahmsweise mal (Motto: nach zwei, drei Jahren brandet jede Welle aus Übersee hier an) die Nase vorn.
Und übrigens: Gestern machte ebenfalls der DLF auf eine Ausstellung in Köln aufmerksam: Unter dem Titel „Von wegen Heilige Nacht – Weihnachten in der politischen Propaganda“ haben Rita und Judith Breuer (Selbstaussage: „zwei ganz normale Hausfrauen“) in jahrelanger Arbeit Exponate zusammengetragen, die Aufschluß über Manipulationen des Christfestes zu politischen Zwecken liefern. Vor allem bezieht man sich auf die Anverwandlung des Festes durch die Nationalsozialisten. Weihnachtslieder wurden umgedichtet, Plätzchenausstecher mit Jagdbombermotiv verkauft, etc. Breuer habe gehofft, in diesem Jahrtausend sei dieser faule Zauber vorbei, jedoch:
Gerade in jüngster Zeit habe die Neue Rechte das Weihnachtsfest aufgrund seines hohen Stellenwertes in unserer Gesellschaft für ihre Zwecke entdeckt. Eine damit geschickt verknüpfte Propaganda könne eine größtmögliche Breitenwirkung und unverdächtige Beeinflussung erzielen.
Die Neue Rechte, ach so?