… daß der nächste „Wandertag“ eine Fahrt in ebendieses Puppenmuseum bedeuten würde, ertönte Jubel, 25 Armpaare erhoben sich in frenetischer Begeisterung, zwei blieben unten – jene Mädchen haßten Puppen.
Zweierlei bringt mich auf diesen Gedankenrückblick: Einmal die Tatsache, wie infantil, wenn nicht hoffnungslos rückständig kleine Damen Mitte der achtziger Jahre gewesen sein mußten – angesichts einer Jugend von heute, die sich so früh wie möglich von lebenshungrig überdosierten Drogen- und Sexexzessen beuteln läßt und nebenbei Adorno und Foucault durchdekliniert – so jetzt wieder live plagiiert von Helene Hegemann (17 Jahre), deren Roman Axolotl Roadkill so recht nur von Feuilleton-Männern um die 50 abgefeiert wird.
Puppenstube oder Technoclub: Jürgen Kaube hat gestern in der FAZ zum Superthema Hegemann ganz treffend festgestellt, inwiefern Kinder „Erwachsenenprodukte“ sein können. „Erwachsenenprojektionen“ hätte es noch besser getroffen.
Zurück zum Hessischen Puppenmuseum in Hanau: Am Wochenende hat dort eine Sonderausstellung eröffnet mit dem pädagogischen Titel „Gemeinsam – Puppen als Hilfsmittel für eine vorurteilsbewußte Erziehung“. Mit Blick auf „heutige Puppenwelten“ fällt das Urteil der Ausstellungsmacher bitter aus: Alternative Lebenswelten „sind weitgehend Fehlanzeige“.
Warum wohl seien Puppen meist hellhäutig, gar blond? Warum haben es Puppen mit Down-Syndrom bestenfalls auf die Spielwarenmesse gebracht, nicht aber in die Läden? Wieso sitzt in der Playmobil-Welt Papa vor dem Fernseher, während Mama am Herd steht? „Spielzeug folgt tradierten Werten und schreibt sie fort, weil die Kleinen sie unhinterfragt aufnehmen“, klagt Museumsleiterin Dr. Maren Raetzer. Daß das Museum im Begleitprogramm Hegemanns Axolotl Roadkill als Marionettentheater aufführen wird, ist jedoch nicht wahr.
Nichtsdestotrotz soll die Ausstellung Anstöße zum Nachdenken geben, inwiefern Puppenspielzeug in seiner heutigen Form dazu beiträgt, daß ein diskriminierender Zustand fortgeschrieben wird, ohne daß sich die Beteiligten dessen bewußt sind. Hanaus Kulturbeauftragter Klaus Remer sekundierte nachdenklich: „Als Rassist wird man nicht geboren!“
Das macht in der Tat nachdenklich. Beim Blick in unsere privaten Kinderzimmer sind die „behinderten“ Puppen ganz ordentlich repräsentiert: Wir haben zwei Einbeinige, Hatheburg ist einäugig, Irmtraud und Gertrud wirken ordentlich traumatisiert, Armin ist trotz Matrosenanzug ein Prekariatstyp. Aber, beispielsweise überlebende Verschüttungsopfer, siamesische Zwillinge oder Diabetikerpüppchen: Mir scheint, da fehlt noch was.