Die zählbaren Nachwehen ihrer Gesetze haben wir vergangene Woche aufgetischt bekommen: Im Jahr 2009 sind „trotz“ gendergerechter Familienpolitik nur rund 651.000 Kinder geboren worden, das sind wiederum 30.000 weniger als im Vorjahr. (1964, kurz bevor die Pille richtig durchgriff, waren es gut doppelt so viele, nämlich rund 1. 36 Millionen.) Von der Leyens Nachfolgerin im Amte, Kristina Schröder (mit persönlich sieben Kindern weniger als ihre in elterngeldlosen und KiTa-armen Zeiten sozialisierte Vorgängerin) will nun verstärkt auf Elterngeld und die sogenannte KiTa-Betreuung setzen. Dreimal laut gelacht!
Unser – das heißt: der sachsen-anhaltische ‑Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre sieht´s ganz richtig: So lange Kinder mehr auf Last denn als Lust verweisen, wird´s nichts mit der demographischen Wende. Ich persönlich bin schon seit Jahren davon abgekommen, Leuten Kinder „einreden“ zu wollen: Wenn sie keine kriegen wollen, wird´s schon seine Richtigkeit haben, punktum.
Sachen-Anhalt steht in punkto Geburtenquote ohnehin ziemlich mustergültig da, und an uns allein kann´s ja nicht liegen. (Schnellroda hat auch abgesehen von uns unerhörte Reproduktionsziffern.) 1995 bekam die sachsen-anhaltische Frau im Schnitt etwas mehr als ein halbes Kind, heute sind´s über 1,4 pro Frau, das liegt über dem bundesdeutschen Schnitt. Also seit Jahren rund 18.000 neugeborene Sachsen-Anhalter pro Jahr – das ist deshalb erstaunlich, weil a) jedes Jahr etwa ebenso viele Sachsen-Anhalter abwandern (vor allem Frauen im „gebärfähigen Alter”) und b) Migrantengruppen hierzulande nicht im Verdacht stehen, die Gebärstatistik anzuheben. Diesmal also keine Rote Laterne, sondern Grünes Licht für unser Bundesland – nicht schlecht!
Ob das, was unser Staat als Unterstützung für Familien leistet, weltweit hervorragend oder eher mangelhaft sei, darüber streiten sich die Experten. Das gesetzliche Dickicht an Familienförderungen (von Leistungen nach Hartz IV über Kindergeld, Elterngeld, Rentenansprüchen) ist unüberschaubar und international schwer zu vergleichen und vor allem in seiner jeweiligen Bewertung (in bezug auf eine tatsächliche Förderung des herkömmlichen Familienbegriffs) schwer einzuordnen.
Erst recht gilt das für jene Schmankerl, die einzelne Bundesländer für ihre Familien zusätzlich bereithalten. Wenn Thüringen seinen Familien freistellt, ob sie ihr Kind kostenlos im Kindergarten betreuen lassen oder es zu Hause versorgen und dafür ein Betreuungsgeld kassieren, wird von denen, die ihre Pappenheimer kennen, einigermaßen zu Recht gefragt, ob die Euro pro Monat wirklich den Kindern zugute kommen. In Rheinland-Pfalz (und demnächst wohl in Berlin) etwa gibt’s den kostenlosen Kindergartenbesuch vom 3. bis 6. Lebensjahr ohne Ausgleich an kindergartenferne Eltern – ebenfalls fragwürdig! Hier sind jene verantwortungsvoll erziehenden Eltern, die sich das Landesschnäppchen entgehen lassen, finanziell im Nachteil: ein Doppelverdienst ist aufgrund der Erziehungsverantwortung nicht drin, während die, die ihr Kind kostenfrei betreuen lassen, doppelt profitieren. In Sachsen-Anhalt gibt´s die KiTa nur für Geringstverdiener kostenfrei, aber, Wortlaut: „Wenn Mutti und Vati arbeiten, hat das Kind von Geburt an (!) Anspruch auf eine 10stündige (sic!) Ganztagsbetreuung.“ So kann jedes Bundesland mit diversen Einzigartigkeiten auftrumpfen.
Höllisch genial finde ich den „Familienpaß Sachsen-Anhalt“, dessen Kooperationspartner saugute Ermäßigungen für Familien und Alleinerziehende bereithalten: Bei Vorlage des Passes erhält man beispielweise 50 ct Ermäßigung auf Sonderausstellungen der Stadtinformation Bernburg – Wahnsinn! Oder dürfen unsere Kinder unter sieben Jahren für nur 8 Euro eine Dampfsauna am Arendsee besuchen! Oder können wir unseren Familienhund – gesetzt, wie buchen das Komplettpaket – mit 10% in einem Hundesalon verwöhnen lassen. So geht´s immer weiter: 2% Ermäßigung im Küchenstudio xy ab einem Einkaufswert von 1000 €, Lieferung frei Haus durch eine Apotheke ab Bestellwert in Höhe von 50 €.
Ob dies alles das Etikett „familienfreundlich“ verdient oder unter kleinkrämerischem Zynismus verbucht werden kann, sei dahingestellt.
Zweifelsfrei lobenswert – denn welche Einwände gäbe es dagegen? – finde ich dagegen das, was man in Sachsen unter Familienfreundlichkeit versteht. (Auch dort steigen die Geburtenziffern seit Jahren trotz leichten Bevölkerungsschwunds an.) Seit Dezember 2009 haben alle Kinder bis zum Alter von 16 freien Eintritt in staatliche Museen des Freistaats. Die parteilose sächsische Ministerin für Kunst und Wissenschaft, Sabine von Schorlemer befand zu Recht, daß ein Museumsbesuch für Kinder genauso selbstverständlich sein solle wie ein Einkaufsbummel. Eine Initiative, die man nicht genug loben kann!
Seither – uns trennen 40 km von Sachsen – werden unsere Kinder mit Museumsbesuchen getriezt. Sie mögen es allerdings ganz gern. Es macht für Eltern mehrerer Kinder durchaus einen Unterschied für die Familienkasse, ob man, unter Berücksichtigung der bundesweit üblichen Kinderermäßigungen, 40 € für einen Museumsbesuch löhnt (wie wir zuletzt in einer äußerst mäßigen Titanic-Ausstellung in Wiesbaden) oder etwa 15 € für zwei Erwachsene in der Türckischen Kammer oder im Hygiene-Museum zu Dresden, im Grassi-Museum für Völkerkunde oder zur Besichtigung der Neo-Rauch-Ausstellung in Leipzig.
Die Verlockung dieses Kulturschnäppchens hat uns daneben auch von unserem Vorurteil weggebracht, mit Kindern im Schlepptau könne man Kunst & Kultur nicht in Ruhe genießen. Im Grunde ist das Gegenteil der Fall. Wer seinen naiv nachfragenden Kindern die Exponate umständlich erläutern muß, der lernt ungleich mehr als der, der mit seinem schiefgelegten Kopf allein herumsteht!
Der einzig mögliche Einwand – daß kinderlose Kunstfreunde unter einem Ansturm kindlicher Museumsbesucher leiden könnten – fruchtet übrigens nicht: Nur rund 100.000 € Mehrkosten jährlich hat der Freistaat für diese neue Kinderfreiheit veranschlagt; und – man mag das bedauern – weil der ganz große run auf dieses Angebot ausbleibt, leidet auch die Konzentration der erwachsenen Besucher nicht.