der im gemeinen Volk zu einer Standardfloskel geworden ist. Es stimmt wohl, daß diverse kritische Äußerungen und Haltungen (zur Migrationsthematik, zur Frauenemanzipation, zu sexuellen Orientierungen oder zum Zentralrat der Juden) hierzulande von einigen Soziologiehäuptlingen unter „menschenfeindliche Einstellungen“ subsumiert werden.
Es stimmt auch, daß diverse Medien ihre Kommentarspalten schnell schlossen, wenn zu empfindlichen Themen die Leserstimmung kippte – entgegen der Blattlinie, zuungunsten der veröffentlichten und zu veröffentlichenden Meinung.
Aber sagen darf man in diesem Land doch relativ viel. Von Zeiten und Ländern, wo eine inopportune Meinung Folter oder Strick bedeuten, trennen uns Welten. Um in den Genuß einer gefängnisstrafbewehrten Verurteilung nach dem speziell deutschen „Volksverhetzungsparagraphen“ 130 zu kommen, muß man sich schon recht vehement an den stählernen „Gründungsmythos der BRD“ (Joseph Fischer über Auschwitz) zu schaffen gemacht haben. Daß man jenseits dieser Linie und selbst hart an dieser Grenze allerhand sagen darf, zählt zu meinem Einerseits.
Ich könnte aus dem Stegreif eine ellenlange Liste an Netzseiten, Kommentarspalten, Leserbriefen oder selbst an geharnischten Beiträgen aus (etablierten) Redaktionsstuben aufzählen, in denen weitab vom sogenannten Mainstream mit kritischen Themen ins Gericht gegangen wird.
Und, von wegen, solche angeblichen Meinungsaußenseiter würden kein öffentliches Gehör finden! Udo Ulfkottes mehr als islamkritische Bücher verkaufen sich blendend, tausend weitere Titel, deren Autoren mal souverän, mal polemisch sich deutlich rechts von der Mitte positionieren, finden ebenfalls ihre Käufer. Sie werden eben nicht verboten, bisweilen werden sie gar von den Leitmedien rezensiert. Natürlich nicht annähernd in ausgewogener Anzahl – keine Frage, die Herren der Meinungshoheiten schlüpfen an Thorsten Hinz´ hervorragenden Büchern und vielen anderen vorbei.
Eva Hermans mild-antifemistische Werke verkaufen sich seit Jahren in großen Stückzahlen, ihr neuestes Opus Die Wahrheit und ihr Preis ist nun von der BILD in Teilen abgedruckt worden und steht seither weit oben in sämtlichen Verkaufsranglisten. Die Qualität der Herman-Bücher mal ganz außer acht gelassen – dieser Verkaufserfolg ist auf jeden Fall eine große Genugtuung. Und mit Herman wäre ich am springenden Punkt, beim bedeutsamen Andererseits.
Denn der „Fall Herman“ verdeutlicht ganz gut, daß man in einem weiteren Sinne eben doch nicht „alles sagen“ darf. Jedenfalls nicht um den Preis einer äußersten Stigmatisierung, die über die üblichen Merkmale einer hart geführten Debatte hinausgeht. (Was einst Walser, Sloterdijk und jüngst Sarrazin widerfuhr, gehört meines Erachtens zu jenen heißen Debatten. Die Herren wurden harsch kritisiert, aber nicht systematisch ausgegrenzt.) Die Hexenjagd auf Herman ist dafür ein noch krasseres Exempel als ähnlich gelagerte Fälle der Mundtotmachung (wie die Causae Martin Hohmann, Peter Krause, Philipp Jenninger, Ernst Nolte usw.), da die Nachrichtensprecherin sich weder zu historisch brisanten Themen geäußert noch sich in politisch als „umstritten“ geltenden Fahrwässern je bewegt hatte. Allein ihre Kritik am „Karrierewahn“ von Müttern und ihre Skepsis gegenüber einer frühen Trennung von Mutter und Kind ließ die Meute losjagen.
Mir ist schon klar, wie das geht, daß Leute, die früher Molotow-Cocktails gegen Polizisten warfen, Kokain konsumierten oder mit minderjährigen Prostituierten sich vergnügten, nach kurzer Zeit wieder voll rehabilitiert im Licht der Öffentlichkeit stehen. Das ist nicht die Frage. Erstaunlich ist für mich, warum es bei einer (wenn auch nur gefühlt) rechten Positionierung von der Mitte den einen voll trifft und den anderen nicht. Man könnte leicht eine Tabelle erstellen anhand von Junge-Freiheit-Interview-Partnern: Unabhängig davon, ob sich die Interviewten inhaltlich aus dem Fenster lehnten, entzündeten zahlreiche Gespräche einen Eklat, allein aufgrund der Tatsache, daß mit der Jungen Freiheit (einer nach amtlichem Urteil verfassungskonformen Zeitung) gesprochen wurde. Bei x anderen Gesprächspartnern blieb jede Reaktion aus. Die Linie ist mir nicht klar. Es liegt nicht an der mehr oder weniger großen Prominenz der Leute, auch nicht daran, ob sie sich ohnehin schon gelegentlich „verdächtig“ geäußert hatten oder im Gegenteil als „Linke“ gelten.
Wie kommt’s außerdem, daß gelegentliche JF-Autoren wie Prof. Jost Bauch oder Carlo Clemens (die Liste wäre stark erweiterbar) einen höllischen Streß am Arbeitsplatz bekommen, während andere – nehmen wir Franz Alt, Hans-Olaf Henkel oder Jürgen Liminski, auch die Reihe wäre leicht fortzsetzen – mitnichten für gelegentliche JF-Autorschaft mit Kampagnen überzogen werden oder auch nur ihre anderen Medienkanäle gekappt bekommen? Oder nehmen wir den Focus-Textchef Michael Klonovsky, der in diversen Aufsätzen und seinen Aphorismensammlungen überhaupt kein Blatt mehr vor den Mund nimmt. Daß Klonovsky dafür geschnitten würde, wäre mir unbekannt. Wie kommt’s?
Generell wird man wohl sagen können, daß einer, der sich publizistisch oder politisch weit vorwagt, auch einstecken können muß. Nun kenne ich aber zahlreiche Fälle, wo „unbescholtene“ Bürger Opfer linker Kampagnen werden.
In Tübingen haben sie derzeit einen Lehrer dran, dem man nachweisen konnte, daß er mehrere Leserbriefe an die Junge Freiheit geschrieben hat. Anonyme Flugblätter werden an Schulen verteilt, eine Leserbriefschlacht tobt in der Lokalpresse. Dieser Mann soll – allein aufgrund nachgewiesener Affinität zur JF – gründlich geächtet werden.
Abonnenten der Sezession sind in ein anderes Bundesland umgezogen, dort arbeiten beide als Lehrer. Im gemeinsamen Garten des neuen Mietshauses sah man den Mann die Sezession lesen. Er wurde von der „Hausgemeinschaft“ –mit der es zuvor keinerlei Dissonanzen gab ‑zur Rede gestellt. „Wenn wir auch nur einen weiteren Hinweis auf eine rechtsradikale Einstellung in ihrer Familie finden, sehen wir uns gezwungen, a) die Schule und b) den Vermieter darüber in Kenntnis zu setzen. Das wird nicht ohne Konsequenzen bleiben.“ Seither wird die Sezession an eine Ersatzadresse geschickt.
Bei anderen Abonnenten brachte aus unerfindlichen Gründen (vermutlich die weitverbreitete Manie, jede neue Person im Gesichtskreis zu googeln) eine der Bekannten heraus, daß die Frau in erster, seit langem geschiedener Ehe mit einem JF-Autor verheiratet war. In einem zweiten Schritt wurden die klassisch deutschen Namen der Kinder des Paares als Indiz für eine möglicherweise gefährliche Einstellung genommen. Das Ehepaar behauptete jedoch – wahrheitsgemäß -, überhaupt keine politischen Ambitionen zu verfolgen. Die beiden verstehen sich weder als „völkisch“, noch gehören sie irgendeinem Bund oder einer Vereinigung an. Nun fand man aber heraus, daß die Frau als Jugendliche (Mitte der Neunziger) doch auch einen (!) Artikel in der JF verfaßt hatte – einen ganz braven im Kulturteil. Nun hat die Familie seit Monaten ein wahres Spießrutenlaufen zu bewerkstelligen: Der freie Kindergarten hat unter Hinweis auf denunziatorische Schreiben die Kinder des Paares abgelehnt. Leute grüßen nicht mehr, andere sprechen „offen“ über ein „ungutes Gefühl“, das sie im Umgang mit der Familie nun hätten.
Einer jungen Doktorandin wurde im gleichen Jahr erst die Wohnung gekündigt (mit der informellen Begründung, man wolle keine JF-Bezieher im Haus) und dann der Job. Man hatte googelnd herausgefunden, daß die Frau Mitglied in einem (weder verbotenen noch „beobachteten“) Jugendbund ist, der als irgendwie „rechtslastig“ gilt. In den Wochen, bevor die Kündigung wirksam wurde, redeten ihre Mitarbeiter kein Wort mehr mit ihr.
Ich hätte noch ein Dutzend ähnlicher Fälle parat, in denen sozial stigmatisiert wurde, selbst ohne daß die Betroffenen etwas Strittiges gesagt, geschweige denn getan hätten. Was sagt man zu solchen Fällen? Warum trifft’s manche, und andere nicht? Wie läuft so was ab? Und warum?
kolkrabe
>> Warum triffts manche, und andere nicht? Wie läuft so was ab? Und warum? <<
Gute Frage. Warum rutscht einer auf einer Bananenschale aus, der andere nicht? Hierzu vier biografische Anmerkungen:
1. Aus Gründen der persönlichen Rebellion hab ich (Jahrgang 62)seinerzeit den Kriegsdienst verweigert - und dabei (durchaus nicht in Gegnerschaft) auf Jüngers Kriegstagebücher verwiesen. Das Gremium war schockiert. Ob wegen Jünger oder wegen mir - keine Ahnung.
Ich kam jedenfalls erst in der dritten Verhandlung durch.
2. In den 80er Jahren studierte ich an der Uni Münster Philosophie und befasste mich schwerpuntkmäßig und in nicht-denunziatorischer Absicht mit Heidegger (das war damals, in der unsäglichen Victor-Farias-Zeit). Als Hiwi regte ich die Anschaffung der Ernst Jünger-Gesamtausgabe für die Seminarbibliothek an - und setzte mein Anliegen auch mühelos durch. Von gelegentlichem Stirnrunzeln und süffisanten Kommentaren abgesehen, hatte ich keine Repressionen zu ertragen. Auch mein Hiwi-Job war niemals gefährdet deswegen.
3. Viele unserer Freunde und Bekannten sind eher im links-alternativen oder liberal-bürgerlichen Mileu beheimatet. Kaum jemand nimmt Anstoß an meiner Lektüre, die ich weder verberge noch wie den "Wachtturm" von mir hertrage (nach wie vor lese ich Heidegger, Jünger, Schmitt usw., Scheil, Hinz, Weißmann, Sezession, JF). Meine Äußerungen sind durchaus markant bis provozierend - immer aber gut begründet.
4. Ich lebe immer noch im Münsterland und arbeite als Freiberufler(Bereich Werbung/Marketing). Selbst mit einigen Kunden kann ich ungestraft über rechte Dinge reden - und zwar nicht aus links-kritischer Distanz heraus. Weil ich keine platte Propaganda (für wen auch?) betreibe und erkennbar Selbstdenker bin, ernte ich Respekt und Interesse.
Woran liegt es also, dass ich keine Repressionen zu ertragen hatte/habe? Es könnte einerseits an der Region und ihren Einwohnern (bedächtig, tolerant, bodenständig, leichter Hang zum Konservativen) liegen, andererseits aber auch an der Art und Weise meines Auftretens und der damit verbundenen persönlichen Glaubwürdigkeit: Ich stehe als Familienvater mitten im Leben, bin geschäftlich nicht ohne Erfolg, trage normale Klamotten, sage deutlich, was ich denke - und ich habe seit jeher ein eher lockeres, ungezwungenes Auftreten. Besonderes Letzteres ist vielleicht eher untypisch für rechts. Liegt's daran? Erkennt man mich am Ende vielleicht nicht? :-)