drucken. Nun hat der Autor Thorsten Hinz einen weiteren Essay beigesteuert und provokativ überschrieben: Literatur aus der Schuldkolonie. Schreiben in Deutschland nach 1945 (96 Seiten, gebunden, 8.50 €).
Des deutschen Schriftstellers »gesellschaftliche Lage«, schrieb Alfred Andersch 1948, »ist mit einem kurzen Satz zu umreißen; er ist – und wird es für die kommenden Jahrzehnte sein – Angehöriger der intellektuellen Schicht eines halbkolonialen Volkes.« Aus der Halbkolonie Deutschland ist mittlerweile eine Schuldkolonie geworden, und auch sie produziert Literatur.
Mit dem Thema eines von den Deutschen mittlerweile entwickelten Schuldstolzes hat sich grundlegend das Institut für Staatspolitik beschäftigt: Die Studie mit dem ebenfalls provozierenden Titel Meine Ehre heißt Reue zeichnet den Weg zu einem Selbstverständnis nach, das nicht anders als pathologisch bezeichnet werden kann.
Hinz nun geht der Frage nach, welchen Ton die offiziell kanonisierte Literatur aus Deutschland nach 1945 hat. Sein Blick fällt auf Günter Grass, die ganze Gruppe 47, auf den Doktor Faustus von Thomas Mann, auf Wolfgang Koeppen, Heinrich Böll, Martin Walser – und natürlich auf den Imperator in der Loge über der Arena: auf Marcel Reich-Ranicki, der den Daumen hebt oder senkt und unter anderem den Schriftsteller Gerd Gaiser zu erledigen half.
Wo wären Widerstandsinseln gegen den »Exorzismus der eigenen Erinnerung«? Neben Gerd Gaiser sind die Gebrüder Jünger oder Ernst von Salomon mit seinem Fragebogen zu nennen – aber auch der ein oder andere, der noch keine vierzig ist. Wer also einen ebenso knappen wie scharfsinnigen Blick auf die verkorkste Schreib-Landschaft der BRD werfen will, sollte zu Hinz’ neuem Kaplaken greifen.