Haben Völker eine genetische Identität? (Präzisierung zu Sarrazins Äußerung)

von Andreas Vonderach

Auf die Frage, ob es auch eine genetische Identität gibt, antwortete Thilo Sarrazin, indem er auf die Basken und die Juden verwies.

Mit Recht, denn bei­des sind Völ­ker mit einem sehr aus­ge­präg­ten eige­nen anthro­po­lo­gisch-gene­ti­schen Profil.

Die Bas­ken haben eine Son­der­stel­lung gegen­über den ande­ren Euro­pä­ern und unter­schei­den sich ins­be­son­de­re von ihren fran­zö­si­schen und spa­ni­schen Nach­barn, wäh­rend sie vor allem den Bre­to­nen, Iren und Wali­sern näher stehen.

Auch die Juden unter­schei­den sich gene­tisch deut­lich von den nicht-jüdi­schen Völ­kern Euro­pas. Sie wei­sen auch nach 2000 Jah­ren immer noch die gene­ti­schen Eigen­schaf­ten auf, wie sie für die Völ­ker im Nahen Osten cha­rak­te­ris­tisch sind.

Wenn Thi­lo Sar­ra­zin aller­dings von einem (bestimm­ten) Gen sprach, das alle Juden gemein­sam hät­ten, hat er sich unglück­lich aus­ge­drückt. Denn ein Gen, das alle Juden haben und das bei Nicht­ju­den nicht vor­kommt, gibt es nicht.

Den­noch gibt es vie­le Gene, die für Juden typisch sind und die bei ande­ren Völ­kern nur sel­ten vor­kom­men. So wei­sen die euro­päi­schen jüdi­schen Män­ner zu etwa 50 % eine Y‑DNS auf, die zur Haplo­grup­pe J gehört, die für nah­öst­li­che Bevöl­ke­run­gen cha­rak­te­ris­tisch ist und in Mit­tel­eu­ro­pa nur bei 2 bis 4 % der Män­ner vorkommt.

In den letz­ten zehn Jah­ren haben vor allem jüdi­sche Gene­ti­ker ver­sucht, mit sta­tis­ti­schen Metho­den den Umfang des nicht­jü­di­schen Bei­trags zum Gen­pool der (asch­ke­na­si­schen) euro­päi­schen Juden zu berech­nen. Sie kamen je nach den unter­such­ten Merk­ma­len und Bevöl­ke­rungs­stich­pro­ben zu einem Ergeb­nis zwi­schen 8,1 und 23 % (sie­he die Bele­ge in mei­ner Anthro­po­lo­gie Euro­pas, S. 357).

Anders aus­ge­drückt heißt das, daß die euro­päi­schen Juden noch immer gene­tisch zu etwa 80 bis 90 % die Eigen­schaf­ten ihrer ursprüng­li­chen Aus­gangs­po­pu­la­ti­on in ihrem Her­kunfts­ge­biet im Nahen Osten auf­wei­sen. Übri­gens wer­den die human­ge­ne­ti­schen For­schun­gen zur gene­ti­schen Iden­ti­tät der Juden gera­de auch von vie­len Juden und Israe­lis mit gro­ßem Inter­es­se ver­folgt und sind alles ande­re als ein Zei­chen von Antisemitismus.

Über­haupt wird die Behaup­tung, daß die moder­nen Völ­ker “Erfin­dun­gen” und “Kon­struk­te” ohne nen­nens­wer­te gene­ti­sche Gemein­sam­kei­ten sei­en, durch die Human­ge­ne­tik Lügen gestraft. So las­sen sich z.B. nach einer genom­wei­ten Unter­su­chung, die die gesam­te mensch­li­che DNS umfaßt, Nor­we­ger zu 99 %, Spa­ni­er und Rus­sen zu jeweils 94 %, Polen zu 80 % und Deut­sche und Öster­rei­cher (die sind in der Unter­su­chung nicht unter­schie­den wor­den) immer­hin noch zu 64,4 % gene­tisch iden­ti­fi­zie­ren. Die übri­gen 35,6 % bil­den eine Schnitt­men­ge aus­schließ­lich zu uns nah ver­wand­ten oder eng benach­bar­ten mit­tel­eu­ro­päi­schen Völ­kern wie den Nie­der­län­dern und Tsche­chen (sie­he S.C.Heath u.a.: Inves­ti­ga­ti­on of the fine struc­tu­re of Euro­pean popu­la­ti­ons, Eur.J. Hum.Gen. 16, 2008, S.1413–1429).

Inter­es­san­te Verweise:
Die eng­lisch­spra­chi­ge Wikipedia
Das Maga­zin natu­re

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