Diese Sätze fielen 2007 in München auf der »größten Verführungskonferenz Europas«. Sie war die in Deutschland bisher aufwendigsten Manifestation eines Trends, der Mitte der Neunziger Jahre in den USA entstand und seit Erscheinen der deutschen Übersetzung des autobiographischen Kultromans The Game (dt. Die perfekte Masche, 2006) von Neil Strauss auch hierzulande laufend Anhänger findet. Die »Seduction-« oder »Pickup-Artist-Communities« sind lose, vorzüglich über das Internet organisierte quasi-männerbündische Gruppen, deren Ziel es ist, mithilfe sozialpsychologischer Taktiken ihren Erfolg bei Frauen zu steigern. In diesen »communities« finden sich promiske Partylöwen ebenso wie sozialgehemmte verspätete Jungfrauen, 15jährige Schuljungen ebenso wie 50jährige geschiedene Familienväter. Die Szene hat inzwischen einen Berg an Literatur und eine Heerschar an Gurus hervorgebracht, die im Ablauf unterschiedliche, im Prinzip sehr ähnliche Systeme der »Verführung« anbieten.
Was als Selbsthilfe-Subkultur begonnen hat, ist ebenso zum Riesengeschäft wie zu einer Art alternativen Männerbewegung angewachsen: Ihre antifeministische und anti-genderistische Stoßrichtung ist zum Teil explizit ausformuliert und wird in den USA mittlerweile auch in der konservativen und »männerrechtlerischen« Blogosphäre als widerständige Graswurzelrevolution gefeiert. Grundlage ist die Betonung soziobiologischer Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die weit über Schmöker à la Allan und Barbara Pease hinausgeht. Zu den kanonisierten populärwissenschaftlichen Titeln zählen etwa Robin Bakers Krieg der Spermien, Matt Ridleys The Red Queen oder Geoffrey Millers The Mating Mind, die allesamt knallhart auf den Punkt zu bringen versuchen, wie wenig sich die Mechanismen der partnerschaftlichen Selektion seit der Steinzeit geändert haben und von hierarchischen Verhältnissen bestimmt werden. Das bedeutet, daß trotz aller feministisch-egalitären Propaganda immer noch männliche Eigenschaften wie physische und seelische Stärke, Führungsqualitäten, Macht, Reichtum und sozialer Status eine entscheidende erotische Wirkung auf Frauen ausüben.
Auch auf sexueller Ebene werden Frauen unverändert stark durch männliche Dominanz erregt und neigen in hohem Maße zu Unterwerfungsphantasien (worüber etwa Nancy Fridays Klassiker Die sexuellen Phantasien der Frauen beredte Auskunft gibt). Während nun die sexuelle Attraktivität von Frauen vor allem von physischen Merkmalen abhängt, die ihre kurze Blüte in der Zeit ihrer Fruchtbarkeit haben, setzt sich die männliche Attraktivität, frei nach dem Schlager »Ein Mann muß nicht immer schön sein«, komplexer zusammen.
Daß ein sechzigjähriges Alphatier wie Joschka Fischer eine attraktive, dreißig Jahre jüngere Frau heiratet, ist nicht ungewöhnlich, während alle Machtbefugnisse von Angela Merkel sie wohl nicht einmal für ihren Chauffeur begehrenswert machen würden. Hier sieht die Pickup-Theorie das große Privileg der Männer: was ihnen an physischen Vorzügen fehlt, können sie durch soziale und materielle Fertigkeiten wettmachen, die allesamt indirekt auf eine Demonstration der eigenen evolutionsbiologischen Überlebenstauglichkeit verweisen. Darum betont die Pickup-Theorie neben Techniken wie dem »neuro-linguistischen Programmieren« (NLP) und der Kunst der Konversation und des Flirts das sogenannte »Inner Game«, also das Selbstbewußtsein des Mannes, der mit sich und seinen Lebenszielen im Reinen ist. Das negative Gegenbild, der »alte Adam«, ist der »Average Frustrated Chump« (AFC), der »frustrierte Durchschnittstyp «, der ewig in der Rolle des »Frauenverstehers « und des asexuellen »besten Freundes« steckenbleibt. Er besteht die Machtprobe nicht, der er durch die imponierende Attraktivität der Frau ausgesetzt wird, und wird darum gnadenlos aus der Reihe der potentiellen Partner ausgeschieden. Der Mann muß also den Mut wiederfinden, sich aktiv, dominant, wagemutig zu verhalten und dabei seine Unabhängigkeit zu wahren.
Das ist auch die Grundlage eines der beliebtesten Bücher der deutschsprachigen »Community«, Lob des Sexismus des pseudonymen Autors »Lodovico Satana« alias »Endless Enigma«. Der Schlüssel um »Frauen zu verstehen, zu verführen und zu behalten« ist nach Satana, den »fundamentalen Unterschied zwischen Männern und Frauen« anzuerkennen: »Ihn verdrängen, heißt leiden. Ihn verstehen, heißt verführen. Denn nirgendwo fällt dieser Unterschied so schwer ins Gewicht wie dort, wo sich die Geschlechter am nächsten kommen: in der Liebe, in Beziehungen und beim Sex.« Zentrale These des Buches ist, daß zwischen den Geschlechtern ein ständiger dynamischer Machtkampf herrscht: die Frau versucht instinktiv, den Mann zu »betaisieren« und an seinem »Alpha-Status« innerhalb der Beziehung zu sägen, der Mann dagegen muß diese Position behaupten. Gewinnt sie, haben im Grunde beide das Spiel verloren, denn mit zunehmender »Betaisierung« verliert der Mann den Respekt der Frau und damit auch seine Attraktivität.
Das Lob des Sexismus meint nicht die »Diskriminierung « der Frau, sondern betont die Wichtigkeit der Polarität in der mann-weiblichen Interaktion. Im Grunde handelt es sich hier um nichts anderes als eine popularisierte Form dessen, was Julius Evola in seinem Klassiker Metaphysik des Sexus als Prozeß der »Sexuierung« bezeichnete. Tatsächlich finden sich erhebliche Teile der »Game«-Theorie, bis hin zu praktischen Ratschlägen, in dem Buch Magische Männlichkeit des Evolianers Oliver Ritter wieder. Deren praktische Anwendbarkeit ist so etwas wie die Nagelprobe, daß die Geschlechterunterschiede eben doch eine tiefer verwurzelte Basis haben, als es die Ideologie des »Gender Mainstreaming« wahrhaben will. Hier wird »im Feld«, wie es im Szene-Jargon heißt, der Beweis erbracht, daß der »gegenderte« Mann unweigerlich als sexueller und sozialer Verlierer enden wird.
Wenn nun die Pickup-Praxis Wege aus der männlichen Identitätskrise aufzuzeigen vermag, so hat sie allerdings auch ihre Fallstricke, etwa die suchtartige, szenetypische Besessenheit, mit der der erotischen Trophäe nachgejagt wird. Evola bemerkte treffend, daß »die pandemische Verbreitung des Interesses für Sexus und Frau ein Kennzeichen jeder alternden Zivilisation ist, und daß dieses Phänomen eines von den vielen ist, die uns anzeigen, daß eine solche Zeit die äußerste Endphase eines regressiven Prozesses darstellt.« So gibt es auch mittlerweile Advokaten des »Inner Game«, die im Gefolge des Esoterikers David Deida (Der Weg des wahren Mannes) die Verführungskunst nur als dialektische Zwischenstation auf dem Weg zur Emanzipation von der Verfallenheit an die Frau sehen. Viele »Pick-Up-Artists« finden sich schnell in einem endlosen Bäumchen-Wechsel-Spiel wieder, in dem sie sich allmählich in »soziale Roboter « verwandeln, die unfähig sind, eine dauerhafte Bindung einzugehen. Hier bleibt die Tiefe des Eros, wie sie etwa Denis de Rougemont in Die Liebe und das Abendland beschrieben hat, ebenso auf der Strecke wie die auf Beständigkeit ausgerichtete patriarchale Form der Männlichkeit. Schon für Don Juan war die nicht endenwollende Folge von Frauen ein Fluch, der ihn schließlich zur Hölle fahren ließ.
Der Punkt ist, daß Männlichkeit nicht nur inszeniert und behauptet sein will, um »nachhaltig« wirksam zu sein. Das Einstudieren von Verführungstricks und Männlichkeitsgesten verheddert sich dann, wo Virilität auf tönernen Füßen steht und nicht durch Vollzug vom ganzen, wahren Leben gedeckt ist. Es ist kein Zufall, daß Neil Strauss The Game in der amerikanischen Originalfassung mit einer Szene beginnen ließ, in der »Mystery«, der Meisterverführer und Begründer der »Community«, dessen Eroberungen eine dreistellige Zahl ausmachen, mit einem depressiv-hysterischen Nervenzusammenbruch in eine psychiatrische Klinik eingeliefert wird: das schwarze Loch im Innern ließ sich auch mit Bettrekorden nicht füllen.