unheimliche Eskalation der Jugendgewalt“ aufgemacht. Auf dem Titelbild zu sehen sind „Torben P.“ und sein Opfer, aufgenommen von einer Überwachungskamera des Berliner U‑Bahnhofs Friedrichstraße.
Der Fuß von Torben P. schwebt für den finalen Tritt über dem Kopf eines neunundzwanzigjährigen Mannes, der am Boden liegt und sich längst nicht mehr rührt. „Ein Bein wie eine Guillotine“, schreibt das Magazin und fragt: „Eine Hinrichtung mitten in Berlin?“
Weil diese ungehemmte Gewalt, diese Aggressionsausbrüche ohne Hemmung „das Problem aller“ geworden seien, will Der Spiegel tiefer schürfen: „Man muß die Ursachen der Gewalt analysieren und eine Antwort auf die Frage finden, wie sie sich verhindern läßt.“
Um es vorweg zu nehmen: Der Spiegel-Artikel vom 2. Mai ist ein ziemlich gut gelungenes Vertuschungs- und Ablenkungsmanöver. Die entscheidenden Fragen werden nicht gestellt. Wer auch nur Bruchstücke der Diskussionen um das Buch der umgekommenen Jugendrichterin Kirsten Heisig (Das Ende der Geduld, Freiburg 2010) mitbekommen hat, weiß, daß es sich bei der „unheimlichen Eskalation der Jugendgewalt“ vor allem um eine voraussehbare Eskalation der Gewalt ausländischer junger Männer handelt: Deutsche Opfer, fremde Täter – mit dieser Formel läßt sich das Problem pauschal fassen, und es ist müßig zu betonen, daß es natürlich auch deutsche Täter gibt (Torben P. eben) und Opfer unter den Ausländern. Aber Torben P. ist – wenn man sich Täterstatistiken und Fall-Auflistungen ansieht – eine große Ausnahme: Er war zuvor nie auffällig, stammt aus geordneten Verhältnissen und hat – das wurde allenthalben wie eine besondere Muskelgruppe präsentiert – “den Philosophen Kant als jemanden bezeichnet, der ihn inspiriert”.
Fälle wie der mit dem Täter Torben P. dürfen nicht ablenken von dem, was man pauschal konstatieren kann und muß. Das Pauschale ist immer ein grobes Raster. Es ist aber völlig legitim, mit solchen Rastern zu hantieren, zumal dann, wenn eben die Statistik eine überdeutliche Sprache spricht. Ausgerechnet im Spiegel äußerte der Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch in einem Streitgespräch:
Knapp 80 Prozent meiner Täter haben einen Migrationshintergrund, 70 Prozent sind orientalische Migranten. Jeder Einzelne dieser ausländischen Täter hat in diesem Land nicht das Geringste verloren. Jeder, der sich in dieser Weise aufführt, verdient es, dieses Landes verwiesen zu werden. Hier sind die gesetzlichen und praktischen Möglichkeiten einfach erbärmlich gering. Unser Gesetz strotzt von Ausweisungsschutz über Ausweisungsschutz …
Und natürlich argumentiert auch der Spiegel pauschal, sucht jedoch die Kriterien dort, wo sie von linker Seite seit je gesucht und nicht gefunden werden: im Milieu der Unterprivilegierten, der sozial Benachteiligten, der Ausgebeuteten, Perspektivlosen. Die Täter
zählen zu jenem aggressiven Prozent der Jugendlichen, das am Rand von Klein- und Großstädten lebt, am Rand der Gesellschaft; das die Welt als ungute Mischung aus Angst, Kälte und der Macht des Stärkeren betrachtet und daraus den gefährlichen Schluß ableitet: Wenn ich überleben will, muß ich so brutal sein wie das Leben selbst.
Man muß sich diese Spiegel-Passage, die dem ganzen Artikel den Ton vorgibt, einmal auf der Zunge zergehen lassen – vor allem die Schlußfolgerung. Da ist von „überleben“ die Rede – in einem Sozialstaat, der an Umverteilung die kühnsten Träume eines Kommunisten von 1920 noch weit übertrifft; da ist von einem Leben die Rede, das so „brutal“ sei wie ein guillotinierendes Bein (und dieses Bein ist bloß noch die Antwort, die gleiche Münze, mit der zurückgezahlt wird); und da ist von Jugendlichen die Rede, die – dies betrachtend und in sich gären lassend – am Ende doch wieder im Innern die Rote Fahne hissen und gegen ihre Versklavung aufstehen: Ein paar davon trampeln dabei halt über den Kopf eines zufällig an der selben Haltestelle wartenden Ausbeuters: Jener hat vielleicht bloß einen Blick geworfen oder war zu fröhlich oder eben zu deutsch.
Um es kurz zu machen: Soziale Gründe mögen eine kleine Rolle in diesem Drama spielen. Wer aber vom Kampf der Kulturen, vom Deutschenhaß, vom Überschuß junger, männlicher, ethnokulturell aggressiv gestrickter Einwanderer und von den mental völlig verteidigungsunfähigen Deutschen nicht sprechen will, soll von der Jugendgewalt schweigen. Regina Mönch stellte in der FAZ vom 29. April bessere Fragen als das Autorenteam des Spiegel und schilderte ebenso lapidar wie richtig:
Es ist nur wenige Wochen her, da traten vier junge Schläger einen Mann ins Koma. Tatort war wieder ein Berliner U‑Bahnhof. Zu ihrer Entlastung gaben die Täter an, der Mann sei ein Nazi gewesen. Er war es nicht, er war nur ein Maurer auf dem Heimweg von der Arbeit. Aber dass die Jungen allen Ernstes glauben durften, dies mindere die Schwere ihrer Tat, wäre eine Diskussion wert gewesen – die genauso wenig stattfand wie die überfällige Analyse der Ursachen überbordender Jugendgewalt.
In den folgenden beiden Teilen dieser dreiteiligen Analyse des Spiegel-Themas geht es deshalb um all das, was verschleiert und vertuscht werden soll. Nicht ohne Grund zieht sich beispielsweise die Geschichte der beiden jugendlichen Schläger David und Simon durch den Beitrag: Das klingt nicht nach Türke oder Araber, sondern nach deutschen Tätern; Torben P. ist aus demselben Grund willkommen. Jedoch: Wer genauer hinsieht, erhält ein völlig anderes Bild. Diese Lesehilfe bietet unsere Serie.
Zugleich ist diese Analyse ein Auszug aus dem Buch Deutsche Opfer, fremde Täter, das ich gemeinsam mit Michael Paulwitz verfaßt habe und das endlich im Druck ist. Es kann über amazon.de oder direkt im Verlag bestellt werden.
Lesen Sie hier Teil 2 unserer Analyse.
Konstantin Rechner
Schade ist, dass meist undifferenziert von Jugendlichen statt von Jungs gesprochen wird: denn eine der Ursachen dürften ja falsche Männlichkeitsideale sein - sicher auch teilw. migrantische Männlichkeitsideale .
Aber die Massenmedien und diverse blutrünstige "Blockbuster" aus den USA werden schon ihren Beitrag dazu leisten (und dass man in so manchem Computerspiel das Hinschlagen als "cool" und "lustig" lernt, ist zwar augenscheinlich, darf jedoch offensichtlich nirgendwo gesagt werden).
K.Rechner