Die Totgesagten und die Totsager

Carlo Clemens hat im JF-Blog einen Artikel von Lamya Kaddor kommentiert, die auch zum dem hier ausführlich besprochenen "Manifest der Vielen" beigetragen hat.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Ich habe die­ses Buch als ein bedenk­li­ches Sym­ptom für Bruch­li­ni­en gewer­tet, die sich umso mehr ver­tie­fen, je mehr die Legi­ti­mi­tät einer deut­schen Iden­ti­tät und “Leit­kul­tur” einer­seits in Stü­cke dekon­stru­iert, die Legi­ti­mi­tät isla­mi­scher Iden­ti­tät auf deut­schem Boden ande­rer­seits nach­hal­tig und mit aller­lei Argu­men­ten affir­miert wird.  Auch Kad­dors neu­es­tes Stück ent­stammt die­sem Genre.

Es beginnt mit einer reich­lich unglaub­wür­di­gen Sto­ry, die sie irgend­wo auf­ge­schnappt haben will:

Das erin­nert mich an einen Radio­be­richt vor eini­ger Zeit. Dar­in berich­te­te ein Mann, Mit­te 40, Vater drei­er Kin­der, von sei­nem Leben in einem klei­nen, typisch deut­schen Dorf nahe Bonn. Er erzähl­te, dass sich das Gesicht sei­ner Hei­mat in den letz­ten Jah­ren stark ver­än­dert habe. Zahl­rei­che Fami­li­en sei­en von aus­wärts hin­zu­ge­zo­gen, neue Wohn­ge­bie­te mit moder­nen Rei­hen­häu­sern und hüb­schen Gär­ten sei­en entstanden.

Der Mann fing an, sich zu bekla­gen: Eini­ge die­ser frem­den Men­schen hät­ten begon­nen, sei­ne Töch­ter etwa in der Schu­le oder auf dem Weg dort­hin anzu­f­ein­den. Die Erwach­se­nen äußer­ten sich abfäl­lig über sie, von den Kin­dern die­ser Neu­an­kömm­lin­ge wür­den sie gera­de­wegs beschimpft. Immer wie­der hie­ße es, er und sei­ne Fami­lie soll­ten doch dahin zurück­ge­hen, wo sie her­ge­kom­men sei­en. Das hier sei schließ­lich ihre Hei­mat. Über sol­che Äuße­run­gen konn­te sich der Mann nur wun­dern: „Wir leben seit 400 Jah­re in die­sem Dorf. Seit 400 Jah­ren!“ Das Pro­blem sei­ner Fami­lie: Sie ist etwas dunk­ler im Teint, denn ihre Vor­fah­ren kamen einst aus dem Osten – als Sin­ti und Roma.

Da wären eine Men­ge Fra­ge­zei­chen ange­bracht, vor allem aber das eine: Wer außer die­sem gleich in mehr­fa­cher Hin­sicht sel­te­nen Vogel lebt heu­te seit 400 Jah­ren in unun­ter­bro­che­ner Erb­fol­ge einem Dorf?

Wei­ter:

Die­ses ist nicht mehr die homo­ge­ne Gesell­schaft der 50er Jah­re – weit­ge­hend ohne Asy­lan­ten, ohne Aus­län­der, ohne Men­schen mit dunk­le­rer Haut­far­be und schwar­zen Haa­ren. Und zu die­ser Gesell­schaft wer­den wir auch nie wie­der zurück­keh­ren. Gesell­schaf­ten machen von jeher durch Zuzug und Abwan­de­rung einen Wan­del durch. Das ist ganz natür­lich. Sol­che Ver­än­de­run­gen las­sen sich nicht auf­hal­ten. Das muss die Bot­schaft sein. Doch sie wird von der Poli­tik tabui­siert. Solan­ge die­se Bot­schaft aber nicht in den Köp­fen der Men­schen in Deutsch­land ankommt, wird Inte­gra­ti­on nie­mals gelin­gen. Und wer die­se Ver­än­de­rung der deut­schen Gesell­schaft nicht wahr­ha­ben will, soll klar und unmiss­ver­ständ­lich sagen, wie er sie auf­hal­ten will, oder für immer schweigen.

Und die Conclusio:

Ich weiß auch nicht, was die „deut­sche Leit­kul­tur“ ist. Ich weiß ledig­lich, man kann auch deutsch sein, wenn man schwar­ze Haa­re hat und sogar wenn man Mus­li­min ist. Dass der Islam samt sei­nen Anhän­gern zur Rea­li­tät die­ses Lan­des gehört, bestrei­ten heu­te nur noch Men­schen, die sich ihrer­seits nicht in unse­re Gesell­schaft inte­griert haben.

Der Deut­sche ist tot. Lang lebe der Deutsche.

So weit ist es inzwi­schen gekom­men:  Wir Nicht-“Migrations”-Deutschen wer­den nun also noch bei Leb­zei­ten zu Toten erklärt.  Zu leben­den Toten, zu Unto­ten, zu Zom­bies? Zu Nicht­exis­ten­zen, zu “quan­ti­tés neglig­ab­les”?  Zu India­nern, deren Zeit ohne­hin abge­lau­fen ist, und die nun bit­te­schön bei­sei­te zu tre­ten haben? Ich fra­ge mich, ob sich Kad­dor der unter­schwel­li­gen Aggres­si­vi­tät, die einer sol­chen Dekla­ra­ti­on zugrun­de­liegt, bewußt ist.

Die Deut­schen, die nun schon von denen, die sie auf­ge­nom­men haben, für obso­let und tot erklärt wer­den, hät­ten sich das wohl kaum träu­men las­sen, als die ers­ten Ein­wan­de­rungs­wel­len ein­setz­ten. “Inte­gra­ti­on” bedeu­te­te ein­mal in ers­ter Linie “Assi­mi­la­ti­on”. Die Kapa­zi­tä­ten dazu sind offen­bar nun schon lan­ge erschöpft, und man hat auch alles getan, um sie zu schwä­chen.  Die Deut­schen haben die­se Ent­wick­lung weit­ge­hend schwei­gend und pas­siv hin­ge­nom­men, trotz War­nun­gen, die mehr als drei Jahr­zehn­te zurück­lie­gen. Sie hat­ten Ver­trau­en in die Medi­en und die Volks­päd­ago­gen, die sie gegen “Frem­den­feind­lich­keit” und zur “Tole­ranz” erzo­gen haben, sie fühl­ten sich wie gute und auf­ge­klär­te Men­schen dabei, die aus ihrer Ver­gan­gen­heit gelernt hat­ten, und sie hat­ten wohl ein typisch deut­sches Obrig­keits­ver­trau­en in ihre Regie­run­gen, daß die Sache schon gut aus­ge­hen würde.

Wer hät­te sich vor 20 jah­ren vor­stel­len kön­nen, daß eben die­se Regie­run­gen es tat­säch­lich sehen­den Auges zulas­sen wür­den, daß das eige­ne Staat­volk ten­den­zi­ell zur Min­der­heit schrumpft und von neu­en, künf­ti­gen Mehr­hei­ten ver­drängt wird, die bereits der­art ange­wach­sen sind, daß sie sich in einer Posi­ti­on sehen, die deut­sche Iden­ti­tät aus ihrer Per­spek­ti­ve her­aus umzu­de­fi­nie­ren? Wer hät­te sich die­sen unglaub­li­chen, bei­spiel­lo­sen Ver­rat aus­ma­len kön­nen, den sämt­li­che Eli­ten Euro­pas an ihren Völ­kern bege­hen würden?

Noch heu­te kann sich das kaum jemand vor­stel­len, will das kaum jemand wahr­ha­ben. Ist das wirk­lich die Marsch­rich­tung, die unver­meid­li­che alter­na­tiv­lo­se Rou­te?  Der “Zuzug”, den Kad­dor beschreibt, war alles ande­re als “natür­lich”. Er war gesteu­ert, beschleu­nigt, abge­wi­ckelt unter Vor­spie­ge­lung fal­scher Tat­sa­chen, Beschwich­ti­gun­gen, Heu­che­lei­en und fal­schen Ver­spre­chen. Dem Volk, das nach der Ver­fas­sung die­ses Staa­tes der “Sou­ve­rän”  sein soll, wur­de nie­mals ein Mit­spra­che­recht in die­sem Pro­zeß ein­ge­räumt, es wur­de nicht ein­mal über die lang­zei­ti­gen Kon­se­quen­zen hin­rei­chend aufgeklärt.

Inzwi­schen ist die demo­gra­phi­sche Lage zum offen aus­ge­spro­che­nen Kal­kül jener gewor­den, die in Euro­pa schon längst eine Art von isla­mi­scher Kolo­nie sehen. Wer es nicht glaubt, soll­te sich zum Bei­spiel die­ses Video mit dem ein­fluß­rei­chen ägyp­ti­schen TV-Pre­di­ger Amr Kha­led anse­hen. Die­ser emp­fiehlt hier sei­nen Glau­bens­brü­dern, doch den Bom­ben­juck­reiz hint­an­zu­stel­len, wenn mal wie­der (etwa durch freie Mei­nungs­äu­ße­rung) der Pro­phet oder der Islam “belei­digt” wer­den soll­ten. Sie soll­ten statt­des­sen ruhig Blut bewah­ren und lie­ber die Gesell­schaft “infil­trie­ren”, wirt­schaft­lich erfolg­reich sein und gesell­schaft­lich ange­paßt, um zu “wan­deln­den Pro­pa­gan­da­ma­schi­nen für den Islam” zu wer­den.  Denn die Demo­gra­phie wer­de sie über kurz oder lang ohne­hin sicher ans Ziel bringen.

Nun wer­den sie all­mäh­lich wach­ge­rüt­telt, die dum­men deut­schen Michels in ihren Schlaf­müt­zen, und sofern sie es schaf­fen, sich aus dem blei­er­nen Tief­schlaf empor zu quä­len, fin­den sie sich im Zustand der rapi­den, weit fort­ge­schrit­te­nen kul­tu­rel­len, demo­gra­phi­schen und ter­ri­to­ria­len Ent­eig­nung wie­der, sehen sich ver­ra­ten und ver­kauft von exakt jenen, von denen sie  dach­ten, sie wür­den ihren Wil­len ver­tre­ten und erfül­len.  Wenn sie nicht auch noch dafür ver­höhnt wer­den, daß sie sol­che Schnarch­na­sen waren und sich so über­töl­peln lie­ßen, wird ihnen bedeu­tet, das alles nun als Kis­met hin­un­ter­zu­schlu­cken und als fait accom­pli gefäl­lig zu akzeptieren.

Guten Mor­gen! Game over! Lei­der Pech gehabt! Datum abge­lau­fen! Sor­ry, es gibt kei­ne Alter­na­ti­ve! Denkt nicht ein­mal dar­an!  So etwas wie Selbst­be­haup­tung ist ja undenk­bar nach Sie­wis­sen­schon­wem, und neben­bei ist die Exis­tenz einer deut­schen Iden­ti­tät oder Nati­on ohne­hin schon längst aka­de­misch wider­legt worden.

Das gan­ze öffent­li­che Gere­de dar­über, ob der Islam “in Deutsch­land ange­kom­men” ist oder zu “Deutsch­land gehört” oder “zur Rea­li­tät in die­sem Land gehört”, oder  was auch immer für eine For­mel man hier fin­den möch­te, hat längst den Cha­rak­ter eines klaus­tro­pho­bi­schen Alp­drucks auf­ge­nom­men.  Ich hat­te frü­her nie nega­ti­ve Gefüh­le gegen­über der isla­mi­schen Welt. Heu­te, da sie vor jeder­manns Haus­tür geschleppt wur­de, und die Aus­ein­an­der­set­zung mit ihr unver­meid­bar ist, aber kaum ehr­lich und nur mit unglei­chen Waf­fen geführt wer­den darf,  füh­le ich mich wie einer, der zuneh­mends zum Objekt einer schlei­chen­den Kolo­nia­li­sie­rung gemacht wird, wie ein Paläs­ti­nen­ser der Drei­ßi­ger Jah­re, der schon dun­kel ahnt,  daß ein 1948 für ihn vor­ge­se­hen ist.

In mei­ner Kind­heit in den Acht­zi­ger Jah­ren, als man noch von “Gast­ar­bei­tern” sprach, war der Islam außer­halb außen­po­li­ti­scher Ent­wick­lun­gen kaum ein öffent­li­ches The­ma.  Es gab einen Ein­wan­de­rungs- und Frem­den­feind­lich­keits-Dis­kurs, aber kei­nen Islam-Dis­kurs. Es gab den Ter­ro­ris­mus, es gab die Krie­ge im Nahen Osten, es gab die Köp­fe von Ara­fat und Kho­mei­ni im Fern­se­hen. Aber es war weit weg, es war kein Pro­blem, das uns direkt betraf.  Heu­te ist es auch unser Pro­blem, und der Dis­kurs dar­über ist über­all, unauf­hör­lich, an jeder Ecke, in jedem Medi­um, zu jeder Zeit, pri­vat oder öffent­lich. Es gibt kaum Rück­zugs­ge­bie­te mehr.  Man tut sogar schon so, als wäre das völ­lig nor­mal, und als wäre das immer schon so gewesen.

Orte, die man frü­her kann­te, sind heu­te kom­plett oder teil­wei­se ori­en­ta­li­siert und ent­frem­det und ver­frem­det, bevöl­kert von Frem­den, die sich abwech­selnd beschwe­ren, abwech­selnd ein­for­dern, die es genau­so wie alle Men­schen vor­zie­hen, unter sich zu blei­ben, die auf unse­rem Ter­ri­to­ri­um eine Spra­che spre­chen, die wir nicht ver­ste­hen, die Zei­tun­gen lesen, die wir nicht lesen kön­nen, die Schrif­ten benut­zen, die wir nicht beherrschen.

Sie kön­nen aber zum Groß­teil uns ver­ste­hen und unse­re Zei­tun­gen lesen und mit­schrei­ben und mit­re­den. Wir wis­sen nicht, was sie über uns  sagen, den­ken, was sie pla­nen und was ihre Medi­en pro­pa­gie­ren. Wir wer­den miß­trau­isch, ver­un­si­chert, bekom­men Angst. Wir wis­sen nicht mehr, ob unse­re ange­nom­me­nen sozia­len Erwar­tun­gen die ihren sind. Wir wis­sen nicht, was die Blät­ter schrei­ben, die sie in Mas­sen lesen, aber wir haben schon mal gehört, daß das Mot­to der “Hür­ri­y­et” über­setzt “Die Tür­kei den Tür­ken” lau­tet, was ana­log auf unser eige­nes Land über­tra­gen den Staats­an­walt aufs Spiel rufen kann.

Täg­lich wird gestrit­ten und debat­tiert um Moscheen, Kan­ti­nen­spei­sen,  Kopf­tuch­ver­bo­te, Schächt­ver­bo­te, Bur­ka­ver­bo­te, Mina­rett­ver­bo­te, Muez­zin­ver­bo­te, Isla­mis­ten, Dschi­ha­dis­ten, Ehren­mor­de, Frau­en­ver­ach­tung, Chris­ten­ver­fol­gung, Zwangs­ver­hei­ra­tun­gen, den “wah­ren Koran”, den “wah­ren Islam”,  isla­mi­sche “Homo­pho­bie”, Isra­el und Paläs­ti­na, mos­le­mi­schen Anti­se­mi­tis­mus und deut­sche “Isla­mo­pho­bie”, etc. etc. etc.

Dazu: “Deut­schen­feind­lich­keit” in den Schu­len, Jugend­ge­walt und ‑kri­mi­na­li­tät in den Stra­ßen und U‑Bahnen, Ver­ge­wal­ti­gun­gen, “Par­al­lel­wel­ten”, Wider­stand gegen Poli­zei­ge­walt, poli­ti­sche Atten­ta­te und Mor­de, das Auf­tre­ten von schein­in­te­grier­ten Ter­ro­ris­ten mit dem Paß ihrer Geburts­län­der, das Auf­tre­ten von mili­tan­ten Kon­ver­ti­ten, die Gewalt­an­dro­hun­gen bei “Belei­di­gun­gen” und der vor­aus­ei­len­de Gehor­sam der Eingeschüchterten…

Ein­ge­brock­te Sup­pen, auf­ge­hals­te Las­ten, unlös­ba­re Pro­ble­me, implan­tier­te Zeit­bom­ben, Din­ge, die “zur Rea­li­tät die­ses Lan­des gehö­ren”, die aber nicht sub­stan­zi­ell zu uns gehö­ren, die nie zu uns gehör­ten, die heu­te nicht zu uns gehö­ren wür­den, wenn wir sie nicht “intra muros”,  in unse­re Mau­ern impor­tiert hät­ten, oder viel­mehr: wenn nicht sie nicht von unver­ant­wort­li­chen Ent­schei­dungs­trä­gern und blin­den Ideo­lo­gen in unse­re Mau­ern impor­tiert wor­den wären.

Und dann die auf den bro­deln­den Koch­topf gepreß­ten Deckel:  die Inte­gra­ti­ons­lü­gen, der “Vielfalts”-Kitsch, der unauf­hör­li­che öffent­li­che Druck und die öffent­li­chen Ermah­nun­gen und Appel­le und Ukas der Bun­destan­ten und ‑onkels: Tole­riert den Islam! Respek­tiert den Islam! Aner­kennt den Islam! Akzep­tiert den Islam! Ver­steht den Islam! Betrach­tet dif­fe­ren­ziert den Islam! Fürch­tet nicht den Islam! Will­kom­mens­kul­turt den Islam! Umarmt den Islam! Inte­griert den Islam! Öff­net euch dem Islam! Macht Platz für den Islam! Liebt den Islam!

Islam, Islam, Islam, Islam, so geht es am lau­fen­den Band, bis man anfängt, halb­mond­för­mi­ge Haut­aus­schlä­ge zu bekom­men und Suren in Regen­bo­gen­far­ben zu kot­zen. Und dann ist sie grö­ßer denn je, die Sehn­sucht nach einem euro­päi­schen Euro­pa, einem christ­li­chen Euro­pa, einem abend­län­di­schen Euro­pa, einem deut­schen Deutsch­land, einem eng­li­schen Eng­land, einem fran­zö­si­schen Frank­reich, einem ita­lie­ni­schen Ita­li­en, einem schwe­di­schen Schwe­den, anstel­le eines von Nor­den bis Süden her­an­wach­sen­den, zuneh­mend ubi­qui­tä­ren, dys­funk­tio­na­len Eura­bi­ens, das ohne Charme und ohne Anmut ist und eher einem entor­te­ten und her­ab­ge­kom­me­nen Ori­ent gleicht, Sym­ptom und Vor­bo­te einer Welt, die aus den Fugen gera­ten ist.

Eini­ge von uns erin­nern sich noch, was das ist, eine Hei­mat, in der man immer genug Pro­ble­me haben wird, in der man sich aber nicht erklä­ren muß. In der man sich zurück­zie­hen kann in das Ver­trau­te und Bekann­te, in der man die Spiel­re­geln kennt, in der man nicht gezwun­gen ist, stän­dig das Frem­de zu kon­fron­tie­ren und zu tole­rie­ren und zu debat­tie­ren und zu akzep­tie­ren und zu exkul­pie­ren und zu inte­grie­ren, und nicht genö­tigt wird stän­dig das Eige­ne abzu­wer­ten, zu hin­ter­fra­gen, zu dekon­stru­ie­ren, zurück­zu­neh­men, klein­zu­re­den, weg­zu­re­den, aus­zu­re­den, zu beschul­di­gen und zu verleumden.

Über­all da, wo es noch Fle­cken gibt, in denen das noch nicht der Fall ist,  wird es auch bald so weit sein: die angeb­lich Inte­grier­ten, die “neu­en Deut­schen”, die bestrei­ten, daß wir eine Iden­ti­tät haben, ihre eige­ne aber sehr wohl ken­nen, sie haben uns für tot erklärt und sich selbst für quicklebendig.

Stimmt es nun, was Kad­dor behauptet?

Sol­che Ver­än­de­run­gen las­sen sich nicht auf­hal­ten. Das muss die Bot­schaft sein. Doch sie wird von der Poli­tik tabui­siert. Solan­ge die­se Bot­schaft aber nicht in den Köp­fen der Men­schen in Deutsch­land ankommt, wird Inte­gra­ti­on nie­mals gelingen.

In Wirk­lich­keit wird die­se Bot­schaft alles ande­re als “tabui­siert”. Im Gegen­teil wagt es kaum jemand, ihr öffent­lich zu wider­spre­chen. Sie ist unter dem Namen der “mul­ti­kul­tu­rel­len Viel­falt” und der “bun­ten Repu­blik”  die offi­zi­el­le “alter­na­tiv­lo­se” Leit­kul­tur der Böh­mers und Wulffs und Mer­kels. Auch die­se haben die Deut­schen als Volk für tot erklärt, zum Aus­lauf­mo­dell der Geschich­te.  Sie spre­chen es aber nicht mit der­sel­ben Ehr­lich­keit und Direkt­heit aus wie Kad­dor.  Man muß aus­buch­sta­bie­ren, was sie sagen.

Wenn sie es selbst täten, wür­de sich dann Wider­stand regen, wür­de die resi­gna­ti­ve Lethar­gie dann ein Ende haben, wür­de man sich dann dage­gen weh­ren, bei leben­di­gem Lei­be ein­s­argt zu wer­den? Ja: ent­we­der man fängt an, jetzt offen dar­über zu reden, oder man soll – und wird –  “für immer schwei­gen”. Toten reden nicht, aber Tot­ge­sag­te leben länger.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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