hochschlagen ließ, bis hinauf zu Verteidigungsminister de Maizière, hat mich, ehrlich gesagt, ebenso verwundert wie amüsiert. Denn daß die Grundthese zutrifft, daß Frauen als Soldaten keine für das Funktionieren eines Heeres günstige Option sind, weiß ich salopp gesagt auch so, ohne überhaupt die Studie des Instituts für Staatspolitik gelesen zu haben.
Jeder, der nur halbwegs alle fünf Sinne beisammen und etwas Lebenserfahrung hat, weiß das. Man muß nicht einmal viel von Militär und Krieg verstehen, um das zu wissen oder zumindest einleuchtend zu finden. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, daß diese Feststellung ein Gemeinplatz, eine Banalität ist.
Aber wir leben heute eben in Zeiten, in denen schon das bloße Aussprechen von simplen Tatsachen semi-hysterische Reaktionen provozieren kann. Ein nüchterner Diskussionsbeitrag in einer außerhalb von Fachkreisen kaum bekannten Zeitschrift reicht aus, daß gleich mehrere Massenblätter ins unterste Arsenal greifen, um den Überbringer der unliebsamen Botschaft in Grund und Boden zu schießen.
Selbst wenn Lehnert unrecht hätte, fragt man sich, warum er nicht einfach sachlich widerlegt werden kann, warum die Antwort in Lügen und Diffamierungen bestehen muß. Weil ein wunder Punkt getroffen ist, weil die getroffenen Hunde zu bellen beginnen? Zu dem Feuerwerk der reflexartig aufgefahrenen Antikörper zählen Hohn, krasse Verzerrungen, Falschbehauptungen, Beschämungstaktiken, Unterstellungen, Verdächtigungen und Einschüchterungen.
Das Ifs stünde “politisch zwischen Union und Neonazis” und “schon (sic!) in Verfassungsschutzberichten”, der Autor “vertuscht wirkliche Ursachen”,“verhöhnt” eine Tote, “wettert”, “wettert ungeniert”, schreibt “ausgerechnet” im “renommierten” Marineforum, “rechtfertigt” sich “ausgerechnet” in der “rechtslastigen Jungen Freiheit” , “verunglimpft” Frauen, behaupte, höhö, was für ein weltfremder Tropf, Frauen seien “zu lieb für den Job”, und sei überhaupt ein reaktionär-regressiver Triebtäter, der sich nicht in Zaum halten kann, trotz all der von Jakob Augstein geforderten “Erziehung”: einen “erstaunlichen Rückfall in sexistische Denkmuster” nannte den Artikel, wie immer den Vogel abschießend, der Spiegel.
Als typischer Vertreter einer auf Knopfdruck reagierenden Funktionselite outete sich dann Thomas de Maizière, indem er eine empörungsgesättigte Tirade anstimmte, aus der unzweifelhaft hervorgeht, daß er keine einzige müde Silbe des Artikels, sondern lediglich die “Bild”-Überschrift gelesen hat: Lehnerts Auslassungen stünden in einer Reihe mit jüngeren “skandalösen Schmähungen und Verunglimpfungen um das Thema Tod und Verwundung” (übrigens linksradikaler Provenienz), seien “ein unerhörter Vorgang” und eine “eine geschmacklose Auseinandersetzung über den Tod der See-Kadettin”, die er “widerwärtig” fände.
Auf merkelisch gesagt: Es hat mal wieder jemand “die Gefühle von Menschen in diesem Land verletzt”, und dies zu verhindern, ist ja bekanntlich alles, worauf es noch ankommt. Die Gefühle der politisch Korrekten, die offenbar mehr zählen als jene der Menschen, die für ihre Ideologie bezahlen müssen, und sei es mit dem Leben.
Ich muß wohl nicht erwähnen, daß der Artikel von Erik Lehnert nichts gemein hat mit den verzerrten Darstellungen der Presse, völlig sachlich gehalten ist, und von einem Verantwortungsgefühl für das Ganze getragen ist, von einer Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit, die den Guttenbergs und de Maizières offenbar fremd geworden ist. Immerhin sind jenseits der verdammenden und verhöhnenden Schlagzeilen Zitate aus dem Text in den weiteren Umlauf geraten, die zwar zum Zweck der öffentlichen Brandmarkung und Abschreckung vorgeführt sollten, die aber durchaus auf hohe Zustimmung unter den Lesern stießen.
Das scheint zumindest ein internetdemoskopischer Blick nahezulegen: im Spiegel-Forum etwa hat es das Thema auf bis dato 76 vollgeschriebene Diskussionseiten gebracht; die Kommentarspalten der Welt (über 800 Einträge) haben sicherheitshalber schon mal dicht gemacht – wohl deswegen, weil die Zustimmung zu Lehnerts Thesen erstaunlich hoch ist. Bei den Lesern des Spiegels hat sich jedenfalls eine recht ernste Diskussion entwickelt, in der die Museumsnummer aus dem Anno Alice von den “sexistischen Denkweisen” nur marginal auftaucht.
Hier ein paar schnell herausgesuchte Kommentare aus dem Forum:
Nach der Neuordnung der Bundeswehr und der Aussetzung (nicht Abschaffung) des Wehrdienstes melden sich 3.500 Freiwillige – darunter knapp 50 Frauen. Ist es demnächst auch eine Verunglimpfung von Frauen, wenn man feststellt, dass diese genau wissen, wo sie auf gar keinen Fall freiwillig sein wollen?
Der SPIEGEL sollte sachlich über die Anforderungen des Wehrdienstes berichten und nicht reflexhaft rot-grünlich aufschreien, wenn jemand vom Fach in einem Artikel entgegen dem ideologisch gefärbten Mainstream der Politik die realen Zustände beschreibt, die nicht nur zum Unfall auf der Fock geführt haben. Bei allem guten Willen – wenn man in bundesweiten Umfragen merkt, dass die Meinungssosse, die man serviert, nicht goutiert wird, weil Erfahrung und Beobachtung der Menschen dagegen sprechen, Frauen hätten körperlich das gleiche Leistungspotential, dann sollten man das Rezept ändern. Stattdessen stampft die Presse immer wieder wie ein kleines Mädchen auf den Fußboden und schreit: „Ich will aber, dass die Welt Wille und Vorstellung ist“. Damit verlächerlicht sich die Presse epochal – entgeistertes Kopfschütteln der Nachwelt inklusive.
…
Es ist doch so einfach:
Wenn Frauen NICHT weniger leistungsfähig sind, dann müssen sie ganz einfach die gleichen Einstellungstests absolvieren, genau so schnell und weit rennen können wie die Männer, genau so lange graben, genau so viel tragen usw. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist die Behauptung keine Verunglimpfung sondern eine Tatsache.
Ein Leser (angemeldet seit 2006, über1300 Beiträge) konstatiert gar:
Schon sehr eindrucksvoll zu beobachten, wie sich das SPON-Publikum in den letzten beiden Jahren generell in seinen Ansichten gewandelt hat. Kaum wird von der Redaktion ein Artikel über den Themenkreis
• Gender-Mainstreaming, Feminismus und Postfeminismus
• fehlgeschlagene Integration, Migranten-Kriminalität, Islamisierung
• islamische Staaten, Demokratiebewegung
• (etc.)platziert, haben wir Kommentar-Ergebnisse, die vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wären. Ein Vertreter des linksgrünen Spektrums würde diese Meinungsentwicklung »tiefbraun« nennen. Es gibt eben bestimmte Themen, da ist die bundesdeutsche Gesellschaft eindeutig gespalten – da passt keine politische Mitte mehr dazwischen.
Wollen wir hoffen, daß dieser Trend weiter anwächst. Abseits aller linken und rechten, konservativen oder progressiven Schubladen gibt es heute vor allem nur eine Front, die zählt: der common sense gegen die political correctness. Und da paßt heute auch “keine Mitte mehr dazwischen”.