den neusten Trend, und sei es eine Meinungsmode, verpaßt zu haben. Anne ist so eine, zumindest nach dem Skript der neuen Bravo-Love-Story. Gender-Ideen sind in diesem Format generell noch unbekannter als wenigstens ein softer Feminismus.
Ganz ahnungslos von all den unerfreulichen Dingen jenseits der hübschen Sachen, die man mit Klamotten, Popstars und dem Unterleib anstellen kann, möchte man – gerade heute! – seine 9 bis 11 jährige Klientel aber nicht lassen.
Drum wird uns Annes peinliches Mißgeschick vor Augen geführt: Die Anne geht versunken einem elektronischen Zeitvertreib nach, als der Moritz (Stiefel mit weißen Schnürsenkeln, Hosenträger, Fred-Perry-Shirt, der klassische Skinhead – Dress der Achtziger also) daherkommt und sie auf den Abend zum Billard-Spielen einlädt. Die Anne findet das „cool!“ und hängt nachmittags in ihrer Bude gerade noch ein Obama-Poster auf, da kommt der Moritz hinzu. Annes Gedankenblase verriet gerade noch ihre tussenhaftige Mitläuferignoranz: „Von Politik hab ich ja keine Ahnung, aber Obama ist cool!“ Der Moritz geht sie gleich hart an: „Warum hängst du dir den Neger an die Wand?“, worauf die Anne sich ahnungslos hinter die Mehrheitsmeinung zurückzieht: „Weiß nicht, Obama finden doch alle klasse…“
Die kurze atmosphärische Unstimmigkeit ist rasch vergessen, denn beim Billardspielen merkt sie, daß der Moritz und seine Kumpel voll zusammenhalten. Einer von Moritz´ Freunden findet nämlich keinen Ausbildungsplatz, weil alle nur „Scheiß-Ausländer“ einstellen. Immerhin hat man aber entsprechende Netzwerke, Abhilfe wird versprochen. Schließlich kommt es zum Kuß zwischen dem Moritz und der Anne – sonst wäre es ja keine Love-Story. In der nächsten Szene beklagt eine Freundin Annes Zeitmangel. Die Anne schwärmt, wie erwachsen der Moritz doch sei, und daß der sich ernsthaft für Politik interessiere. „Echt? Ist doch voll langweilig!“, entgegnet der Busen der Freundin.
Beim nächsten Treffen ist die blonde Preußin Anne „Typisch, mal wieder zu früh.“ Ein junger Südländer kommt vorbei und fragt nach dem Weg zur Bank. Unser freundliches Blondchen weiß, wo´s langgeht: „Einfach da lang und dann rechts!“ Bevor der Suchende den rechten Weg einschlagen kann, tritt Moritz auf den Plan, und zwar zu dritt: „Warum machst du meine Freundin an, du Kanacke! Lass die Finger von den deutschen Mädels, Ausländer!“
Brutal wird der freundliche Junge von den falschen Freunden der Anne zusammengeschlagen, bis er blutend (Nahaufnahme) und bewußtlos darniederliegt. Beeindruckend ist Bild 37; hier kniet die Anne über dem Opfer und erkennt: „Oh Gott!“
Natürlich besucht die Anne den Gepeinigten im Krankenhaus und bewegt ihn – das ist nicht einfach, die feigen Prügelnazis sind ja mächtig! – zu einer Anzeige. Die Anne hat ihre Lektion jedenfalls gelernt.
Und die Bravo-Community? Reagiert gespalten. Einige finden das Ende voll blöd, manche wundern sich, warum ausgerechnet Moritz ein Traumboy sein soll. Der sehe bescheuert aus, der Türke hingegen „total süß *_*“.
Eine Leserin (mit Ballettänzerin als Profilphoto) findet, das solche Szenen „normalerweiser anderstrum“ laufen „und die gruppe türken den deutschen verprügelt“. Die ausweislich ihres Profilbildes modelhübsche Nikita gibt zu bedenken, daß „es aber nicht immer“ so sei,
dass “Nazis” gleich alle ausländer krankenhausreif schlagen !! Ich war auch ein halbes Jahr GLÜCKLICH mit einem Jungen zu sammen der sehr rechts eingstellt war – und ich bin Russin !! Natürlich ist es nicht richtig so zu denken ( und ausländer zu schlagen ) aber man kann auch nicht alle in die gleiche schublade stecken.
Fazit: Die Bravo ist was sie ist: ein Aufklärungsmagazin. Grade für Mädels, die ja so leicht zu beeindrucken sind und doch nichts sehnlicher wünschen, als sich zu verhalten, wie man es von ihnen erwartet.