Frank Lissons neues Buch ist gut vorbestellt worden, die Kunden können bis zum Wochenende mit der Lieferung rechnen. Wer noch unschlüssig ist, sollte die hier angehängte Rezension von Felix Dirsch lesen.
Zwei Hinweise gebe ich vorher noch:
+ Eine Bestellung der Verachtung des Eigenen ist hier möglich.
+ Und von Lissons erster großer kulturphilosophischen Studie, dem Homo absolutus, sind nur noch ein Dutzend Exemplare lieferbar.
Hier ist nun Dirschs erste Besprechung:
Das altehrwürdige Genre der Kulturkritik hat seine seismographische Funktion längst eingebüßt. Das erkennt man nicht zuletzt daran, daß einer der charakteristischsten Grundzüge der westlichen Kultur im derzeitigen Stadium, die Verachtung des Eigenen, nur äußerst selten thematisiert wird. Das praktisch-existentielle Moment dieses verbreiteten kulturellen Selbsthasses wird besonders an dem nur geringen Widerstand deutlich, der den Migrationsströmen nach Europa entgegengesetzt wird.
Nach Paul Gottfried (Multikulturalismus und die Politik der Schuld) hat nun Frank Lisson, der 2008 mit der Studie Homo absolutus hervorgetreten ist, darüber eine eindringliche Untersuchung veröffentlicht. Sie diagnostiziert nicht nur späte Oberflächenerscheinungen der penetrant kritischen Nabelschau in westlichen Gesellschaften, etwa in Deutschland den omnipräsenten »Kampf gegen rechts«, die Dominanz der politischen Korrektheit und die Vergangenheitsbewältigung, sondern bohrt tiefer. Der Verfasser zeigt, daß kultureller Selbsthaß als Konsequenz auftritt, »wenn sich ein Kollektiv der mangelnden Integrationsfähigkeit und Fehlbarkeit von Kultur bewußt wird. Er erwächst aus der Ermüdung, ständig gegen eigene innere Befehle zu rebellieren.«
Lisson erörtert nicht nur kulturelle und zivilisatorische Entwicklungen, wobei er sich besonders auf Oswald Spengler, Friedrich Nietzsche und den frühen Thomas Mann beruft. In einem faszinierenden Durchblick legt er die Tiefenschichten des kulturellen Selbsthasses frei, dessen Wurzeln er vor allem im Sündenverständnis des Christentums ausmacht und in der Sicht der Vertreter des frühneuzeitlichen Humanismus, die ihr Werk als bloßes Epigonentum betrachteten.
Ausführlich geht Lisson auf die fehlende identitätsstiftende Kontinuität im Abendland ein, ebenso auf das stark veränderte Verhältnis der Geschlechter. Unter den Bedingungen von Wohlstand und verfeinerter Zivilisation werden Aggressionen und Energien, die früher nach außen (Kolonialismus!) wirkten, nach innen geleitet. Verstärkt werden diese allgemeinen Tendenzen in Deutschland durch die Niederlage von 1945. Intensiver hätte der Autor den Einfluß des »Schuldprotestantismus« behandeln können, dessen Tradition in der Bundesrepublik von Karl Barth und Helmut Gollwitzer bis zu Richard von Weizsäcker reicht.
Besonders lesenswert ist es, wenn der Verfasser am Schluß seiner Abhandlung die These vom »Ende der Geschichte« auf die augenblickliche Lage in Deutschland überträgt. Seit etwa 1980 wirkt der »kulturelle Selbsthaß«, der einst Literaten zu gesellschaftskritischen Analysen inspirierte, als bloßer Teil des politischen und kulturellen Systems. Es werden daher verstärkt Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens medial und politisch stigmatisiert – man denke lediglich an Martin Hohmann! –, die zumindest die schlimmsten kollektiven Selbstbezichtigungsmetaphern, etwa die Schuldzuschreibung »Tätervolk«, zurückweisen.
Das ist symptomatisch, freilich nicht nur für Deutschland. Der ungarische Ministerpräsident Victor Orbán steht deshalb allein auf weiter Flur. Kürzlich insistierte er in einem Interview, daß in Europa nur Länder »mit nationaler Selbstachtung« stark seien, die ihre eigene Geschichte und Kultur hochhielten. Er ahnt die offenkundigen Konsequenzen des Dekadent-Zivilisatorischen, die nicht neu sind, aber nie mit solcher Wucht zum Vorschein kamen wie in den letzten Jahrzehnten unter individualistisch-westlichen Wohlstandsbedingungen.
Das facettenreiche postkulturelle Zeitalter, das Lisson enorm kenntnisreich darstellt, kann die Völker der »liberistisch-hedonistischen Gesellschaften Europas« (Ernst Nolte) in den Untergang führen – und das nicht nur in demographischer Hinsicht. Die mit Händen zu greifende aktuelle Situation macht den neuen »Lisson« zum vielleicht wichtigsten Werk, das in der Edition Antaios erschienen ist.
Frank Lisson: Die Verachtung des Eigenen. Ursachen und Verlauf des kulturellen Selbsthasses in Europa, Schnellroda: Antaios 2012. 246 S., 25 € (hier bestellen).