Deutsche Meisterdenker

von Siegfried Gerlich

Der Regin-Verlag hat eine glückliche Wahl getroffen, seine von Sebastian Maaß herausgegebene Gesprächsreihe »ad rem«...

mit Selbst­por­traits der bes­ten Köp­fe der radi­ka­len Rech­ten zu eröff­nen. Dabei wecken die Bio­gra­phien Hans-Diet­rich San­ders und Gün­ter Maschkes den Ver­dacht, daß deren intel­lek­tu­el­ler Rang sich nicht unmaß­geb­lich ihren mar­xis­ti­schen Lehr­jah­ren verdankt.

Der auf meck­len­bur­gi­schem Land auf­ge­wach­se­ne »natio­na­le Dis­si­dent« San­der stand als Thea­ter­kri­ti­ker in der frü­hen DDR zunächst unter dem Ein­fluß Ber­tolt Brechts, bevor er in die BRD über­sie­del­te und sein poli­ti­sches Den­ken an Carl Schmitt neu schul­te. Von der Bor­niert­heit der Rech­ten abge­sto­ßen, bezog San­der stets einen par­tei­über­grei­fend gesamt­deut­schen Stand­punkt. So erwuchs mit dem jun­gen Mit­ar­bei­ter der Welt und spä­te­ren Her­aus­ge­ber der Staats­brie­fe nicht nur dem Estab­lish­ment ein Stö­ren­fried, son­dern auch dem natio­na­len Lager ein Kon­kur­rent. Uner­müd­lich gegen die »post­fa­schis­ti­sche Resi­gna­ti­on« ankämp­fend, ver­ach­te­te San­der den Neu­en Kon­ser­va­tis­mus Schrenck-Not­zings und Kal­ten­brun­ners als kraft­los und konformistisch.

Trotz sei­nes Bekennt­nis­ses zum Preu­ßen­tum als der »Quint­essenz des deut­schen Geis­tes« macht San­der kei­nen Hehl dar­aus, daß ihm für die Wie­der­her­stel­lung des Deut­schen Rei­ches die Rück­ge­win­nung der ost­deut­schen wie der deutsch-öster­rei­chi­schen Gebie­te noch immer als »natio­na­ler Impe­ra­tiv« gilt. Nur von die­ser Höhe, wenn nicht Hybris, sei­nes »ghi­bel­li­ni­schen« Reichs­na­tio­na­lis­mus her wird San­ders Arg­wohn ver­ständ­lich, die Alli­ier­ten hät­ten mit der Wie­der­ver­ei­ni­gung »die End­lö­sung der deut­schen Fra­ge« bezweckt. Selbst­be­wußt bean­sprucht San­der, seit Kriegs­en­de wie kein ande­rer »den deut­schen Geist ver­kör­pert zu haben«. Mit sei­ner schar­fen Kri­tik der den Unter­gang einer entor­te­ten Welt beschleu­ni­gen­den jüdi­schen Apo­ka­lyp­tik stemm­te er zumal den deut­schen Anti­ju­da­is­mus auf ein ein­sa­mes phi­lo­so­phi­sches Niveau. Um so wider­sprüch­li­cher wirkt San­ders eige­ner apo­ka­lyp­ti­scher Ton, in dem er ein »schnel­les Ende« des bestehen­den Deutsch­land beschwört, da erst nach einer »rest­lo­sen Implo­si­on des sta­tus quo« eine neue Reichs­herr­lich­keit anbre­chen kön­ne. Ernst Jün­ger jeden­falls quit­tier­te die Zusen­dung von San­ders gran­dio­sem Haupt­werk Die Auf­lö­sung aller Din­ge mit den mah­nen­den Wor­ten: »Wir haben unser Can­nae hin­ter uns.«

Zu San­ders hei­mat­lich wohl­ver­or­te­tem deut­schen Geist bil­det Maschkes aben­teu­er­li­ches Herz und sein nach­ge­ra­de fran­zö­si­scher Esprit einen har­ten Kon­trast. Die Jugend­jah­re vis-à-vis dem Geburts­haus von Karl Marx in Trier ver­le­bend, zog es den phi­lo­so­phisch ambi­tio­nier­ten Stu­den­ten zu Ernst Bloch nach Tübin­gen, wo er eine füh­ren­de Rol­le in der dada­is­ti­schen »Sub­ver­si­ven Akti­on«, der auch Rudi Dutsch­ke und Bernd Rabehl ange­hör­ten, spie­len soll­te. Der von Dutsch­ke als »Maschki­a­vel­li« Titu­lier­te despek­tier­te die­sen wie­der­um als »rei­nen Toren«, da sich in des­sen Revo­lu­ti­ons­ro­man­tik die Macht­fra­ge nicht stellte.

Nach sei­ner Deser­ti­on aus der Bun­des­wehr 1965 floh Maschke nach Wien, um als Kom­mu­nar­de Ador­no und Mar­cu­se zu pro­pa­gie­ren, bis Bru­no Krei­sky ihn in Abschie­be­haft nahm. Das ret­ten­de kuba­ni­sche Asyl 1968/69 bewahr­te Maschke indes­sen nicht vor der Des­il­lu­sio­nie­rung über Cas­tros Sozia­lis­mus, und sei­ne Hilfs­diens­te für eine Umsturz­plä­ne schmie­den­de oppo­si­tio­nel­le Grup­pe führ­ten zu sei­ner Aus­wei­sung. Nach der Heim­kehr nach Deutsch­land trat Maschke sei­ne aus­ste­hen­de Haft­stra­fe an und nahm eine schmerz­li­che Grund­re­vi­si­on sei­ner ideo­lo­gi­schen Über­zeu­gun­gen in Angriff. Ab 1973 als frei­er Mit­ar­bei­ter bei der FAZ beschäf­tigt, wand­te sich Maschke all­mäh­lich der Neu­en Rech­ten zu. Besie­gelt wur­de sei­ne Kon­ver­si­on durch die 1979 geschlos­se­ne Freund­schaft zu Carl Schmitt, als des­sen Her­aus­ge­ber und pro­fun­der Ken­ner Maschke sich inter­na­tio­na­le Aner­ken­nung erwarb.

In sei­nen weni­gen, aber gewich­ti­gen Büchern und Auf­sät­zen rich­te­te »der ein­zi­ge Rene­gat der 68er-Bewe­gung« (Haber­mas) sein »bewaff­ne­tes Wort« zuneh­mend gegen die dege­ne­rier­ten Nach­kriegs­deut­schen als »Fel­la­chen de luxe« und die USA als »Schur­ken­staat Nr. 1«, und mit sei­ner Sti­li­sie­rung Cas­tros zum »Kat­echon« einer in den Abgrund rasen­den glo­ba­li­sier­ten Welt erwies der »Kri­ti­ker des Gue­ril­le­ros« die­sem eine spä­te Reve­renz. Wie ein »Par­ti­san, der die Waf­fen nimmt, wo er sie krie­gen kann«, schätzt Maschke den unver­min­der­ten dia­gnos­ti­schen Wert der mar­xis­ti­schen Theo­rie und ver­ach­tet die »Lese­faul­heit und laten­te Theo­rie­feind­schaft vie­ler Rech­ter, die glau­ben, mit ihren Affek­ten aus­zu­kom­men.« Gera­de am auto­ri­tä­ren Mar­xis­mus impo­niert dem Natio­nal­re­vo­lu­tio­när der Anspruch einer »höhe­ren Sitt­lich­keit«, wohin­ge­gen die liber­tä­re Lin­ke sich mit dem bour­geoi­sen Libe­ra­lis­mus arran­giert habe und des­sen hedo­nis­ti­schen Ver­fall auch noch for­cie­re und als Eman­zi­pa­ti­on feie­re. In sei­nen erfri­schen­den Hete­ro­do­xien erweist sich Maschke als einer jener frei­en Geis­ter, die in allen Lagern sel­ten gewor­den sind: »Nichts kor­rum­piert das Den­ken so sehr wie die Angst vor dem Bei­fall von der fal­schen Seite.«

Hans-Diet­rich Sander/Sebastian Maaß: »Im Ban­ne der Reichs­re­nais­sance«, Kiel: Regin 2011. 126 S., 14.95 €
Gün­ter Maschke/Sebastian Maaß: »Ver­rä­ter schla­fen nicht«, Kiel: Regin 2011. 206 S., 16.95 €

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