Dank den Autoren und Experten des Buches Deutschland ohne Ausländer. Ein Szenario wissen wir es jetzt endlich: Diese Deutschen, die den Hitler noch in sich haben, wollen einen Börsencrash, das Ende der deutschen Wirtschaft, Jägerschnitzel statt Tiefkühlpizza und einen Atombombenabwurf auf ihr Land.
Das Szenario, das sich die Journalisten Pitt von Bebenburg (Frankfurter Rundschau) und Matthias Thieme (Gruner + Jahr) ausgedacht haben, hätte durchaus hilfreich sein können, um die Diskussion über Ausländer zum entscheidenden Punkt hinzuführen: Nach der verpufften Debatte um Deutschland schafft sich ab muß niemand mehr den volkswirtschaftlichen Nutzen oder Schaden der Masseneinwanderung nachzurechnen. Genauso überflüssig sind jene Endlosschleifen über Integration, die bei einigen wenigen gelingt und bei der Mehrheit eben nicht.
Was jetzt zu tun ist, welche politischen Entscheidungen getroffen werden müssen und in welche Richtung unser Land zu steuern ist, darauf kommt es doch letztendlich an. Wer den Schritt vom bloßen Kritisieren zum Verändern machen will, kommt deshalb an dem Bekenntnis zu einem Szenario für Deutschland nicht vorbei. Gut also, daß es Journalisten gibt, die zugespitzt radikale Szenarien durchdenken. Oder doch nicht?
Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Bebenburg und Thieme sowie ihre Experten (u.a. Daniel Cohn-Bendit, Naika Foroutan, Rita Süssmuth, Günter Wallraff, Theo Zwanziger) nehmen ihre selbstgestellte Aufgabe nicht ernst. Sie haben ihr Buch in diffamierender Absicht geschrieben. Eine kleine Kostprobe: Im Gespräch mit dem Bildungsforscher Wassilios E. Fthenakis schieben die Autoren folgenden verräterischen Satz ein:
Dennoch wünschen sich viele Deutsche weniger Ausländer – manche wollen sie sogar umbringen.
Was ist das nur für eine absurde Aneinanderreihung. Aber genau das ist die Strategie dieses Propagandabuches, das die heile Welt eines angeblich funktionierenden multikulturellen Deutschlands beschwören will und jede (auch nur verbale) Abweichung davon mit einem Schreckensszenario kontert. Die Autoren unterstellen implizit, daß jeder, der die Überfremdung wahrnimmt, sofort alle Ausländer abschieben möchte und dabei Mord und Totschlag doch zumindest stillschweigend duldet. Selbstverständlich können deshalb auch Sarrazin und der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) in einem Zusammenhang genannt werden.
Garniert wird das Ganze mit Katastrophenaussichten. Wenn eine rechtspopulistische Partei an die Macht kommen und sich das Volk in einem Referendum für eine sofortige Ausweisung aller Ausländer aussprechen würde, dann hätten wir …
- „ein Deutschland der leeren Klassenzimmer“
- etliche verödete Stadtteile
- „sofort einen Börsencrash“ (Finanzexperte Baki Irmak)
- nicht genügend Arbeitskräfte für „einfache“ Berufe
- „schlurfende Kolonnen von deutschen Zwangsarbeitern“ (Arbeitswissenschaftler Gerhard Bosch)
- keine „Völkerverständigung von unten“ mehr (gemeint ist „Prostitutionsmigration“)
- keinen Kultursektor mehr
- dafür aber einen restriktiven Polizeistaat
- keinen Döner und keine Tiefkühlpizza mehr. Anstelle dessen würde es „jeden Tag Jägerschnitzel mit Champignons aus der Dose“ (Günter Wallraff) geben.
„Am Ende wären die Sarrazins unter sich! Da würde man sich eher die Kugel geben“, ist sich Wallraff absolut sicher. Der Bildungsforscher Wassilios E. Fthenakis hat eine noch apokalyptischere Metapher gefunden und fürchtet aufgrund der angeblichen Vielzahl von binationalen Ehen einen „Atombombenabwurf auf die Familien in Deutschland“.
Wohlgemerkt, das sagen Leute, die der Gegenseite Populismus und Schwarzmalerei vorwerfen. Selbstverständlich hatten sie es auch nicht nötig, die tatsächlichen „Rechtspopulisten“ einmal zu fragen, was sie nach der Machtübernahme vorhaben. Die hier zu Wort kommende politisch-mediale Klasse glaubt, daß niemals mehr die „Falschen“ die Herrschaft übernehmen können. Sie alle sitzen dafür viel zu fest im Sattel. Fliegt einer beispielsweise aus dem Bundestag heraus, findet er Unterschlupf bei irgendeinem Institut, das dann beweist, wie richtig die bisherige Einwanderungs- und Integrationspolitik war.
Wissenschaft, Politik und Medien sind heute auch in den Augen der Machthaber so gleichgeschaltet, daß sich die politisch-mediale Klasse ihr Überlegenheitsgefühl erlauben kann. Die Realität spielt für diese Klasse schon lang keine Rolle mehr. Der Bildungsforscher vergißt, wie viele Klassenzimmer es gibt, in denen kein normaler Unterricht mehr möglich ist, weil der Lehrer seinen Schülern Mathematik nicht in zehn Sprachen gleichzeitig beibringen kann. Der Ökonom unterschlägt die überproportional hohe Arbeitslosigkeit der Einwanderer und den Vogel schießt schließlich der Kriminologe Dieter Rössner ab, dem es mit viel Zahlenakrobatik gelingt, Ausländerkriminalität wegzureden.
Rössner nimmt die überproportional hohe Kriminalität von Ausländern und fängt dann an, an allen Ecken und Enden Straftaten abzuziehen, um dieses Ergebnis dann der unbearbeiteten Kriminalitätsrate der Deutschen gegenüberzustellen. Zuerst zieht er ausländerspezifische, opferlose Straftaten ab, obwohl diese in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) bei den nicht-deutschen Tatverdächtigen sowieso schon herausgenommen wurden. Nach seiner Logik müßte er übrigens auch bei „rechter Gewalt“ alle Propagandadelikte herausrechnen. Als nächstes werde „der relative Anteil nochmals um mindestens die Hälfte reduziert“, weil die ausländischen Täter häufig aus sozial benachteiligten Familien stammen. Auch das ist natürlich Unsinn. Soziale Probleme sind eine Erklärung für Kriminalität, aber sie reduzieren sie nicht. Ohne Zahlenangaben schließlich weist Rössner auf die kriminellen Touristen, Grenzpendler und Illegalen hin.
Summa summarum ergebe sich damit für ein Deutschland ohne Ausländer sogar noch eine größere Gefährdung für Deutsche: „Wenn ein ausländisches Opfer fehlt, könnte es in austauschbaren Fällen einen Deutschen treffen; besonders deutlich zeichnet sich diese Gefahr bei der Vorurteilskriminalität ab“, so Rössner. Wir lernen also: Wenn die Ausländer weg sind, verhauen die Nazis keine Ausländer mehr, sondern suchen sich statt dessen Deutsche. Von Bebenburg und Thieme kommentieren, aufbauend auf dieser Zahlenakrobatik, wer das Märchen von der Ausländerkriminalität glaube,
sollte auch die reale Existenz des Weihnachtsmannes wieder in sein Weltbild mit aufnehmen und könnte getrost die Erde wieder als große Scheibe denken mit dem Sternenhimmel als Käseglocke.
In dem ganzen Buch finden sich nur zwei Anmerkungen, die erahnen lassen, was passieren würde, wenn eine deutsche Regierung den Ausländeranteil drastisch reduzieren wöllte. Zum einen handelt es sich um eine Befragung, bei der 54,1 Prozent der in Deutschland lebenden Ausländer angaben, sie möchten „ganz sicher nicht“ in den nächsten zwei Jahren eingebürgert werden. Naika Foroutans „Neue Deutsche“ identifizieren sich also mehrheitlich mit ihrem Herkunftsland. Sie haben kein Interesse an einer Integration. Im Zweifelsfall werden sie einen konfrontativen Weg einschlagen.
Damit liegt zum anderen ausgerechnet Daniel Cohn-Bendit absolut richtig, wenn er darauf hinweist, was bei einer Machtübernahme der Rechten passieren würde:
Das gäbe Bürgerkrieg. Ich glaube nicht, daß die Ausländer sich so behandeln lassen würden wie die Juden im Nationalsozialismus.
Das ist auch der Grund, warum Deutschland wirklich am Abgrund steht: Selbst wenn sich eine neue Elite dazu entschließen würde, Probleme wie die Überfremdung anzugehen, heißt das noch lange nicht, daß die Kraft der Deutschen überhaupt noch dazu ausreicht, ihr Land zu verteidigen. Wahrscheinlicher ist, daß die Fremden mit ihrem Jugendüberschuß („youth bulge“) längst viel stärker sind und sich selbst bei einer für sie schlechten politischen Großwetterlage einfach das nehmen können, was sie haben wollen.
Inselbauer
Ich mache jedes Jahr Urlaub auf der Insel Amrum. Man hat dort ein gespenstisches Gefühl, es gibt nur einen Türken dort, er ist Dönerverkäufer. Wenn man den Geldbeutel liegen lässt, wird er einem nachgetragen. Deutschland ohne Ausländer, sicher wäre es fruchtbar spießig, die Besserwisser und Radfahrer wären wieder in der Mehrheit - gespenstisch und schön.