Das es nicht gibt … So schreibt Dominik Geppert in der SZ, ein vergleichsweise junger, gedanklich ungewöhnlich beweglicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bonn als Resümee seiner gründlichen Bestandsaufnahme der unsäglichen Euro-Politik seit Maastricht, die unter Bruch der Gründungsverträge, insbesondere der Bail-out-Klausel und des Verbotes monetärer Finanzierung von Staatshaushalten, statt zur herkonstruierten Einheit in den „Kampf der währungs- und fiskalpolitischen Kulturen führte, das deutsche Bundesbank-Modell einer französischen und italienischen Vorstellung von Zentralbank „als Leiterin einer (inflationstreibenden) Wirtschaftspolitik“ opferte, auf die demokratische Legitimation von EZB-Rat und ESM-Vorstand technisch verzichtete und die Fundamente des neuzeitlich-bürgerlichen Verständnisses von Politik beschädigte, indem die Grundsätze „No taxation without represantation!“ und „One man – one vote!“ perfide bewußt aufgebrochen wurden. Diese Demontagen und Rechtsbrüche führten nicht etwa zur Anklage, sondern wurden als historische Durchbrüche gefeiert!
Frankreich und dessen Partnern ist es mittlerweile zwar gelungen, die D‑Mark europäisch zu sozialisieren und die Bundesbank zu neutralisieren, so daß der redliche Jens Weidmann einstimmig allen anderen gegenübersteht, aber mit dieser Inhaftnahme wurden die Probleme nicht gelöst, sondern verschärft. Dialektisch, hätte die alte Linke früher gesagt. – Mit dem Ergebnis, daß Deutschland wieder eine „halbhegemoniale Stellung in Europa inne hat: zu stark, um sich in die europäischen Institutionen einzufügen (…), aber zu schwach, um im Rest Europas die deutsche Politik durchzusetzen.“
Deutschland erscheint also tendenziell isoliert – in verhängnisvoller Mittellage. Wie stets. Für sich. Unsere Bundesregierung wird einerseits ihre Vorstellungen von Haushaltsdisziplin im Fiskalpakt nicht durchsetzen können, andererseits protestiert der Süden immer haßerfüllter gegen die vermeintlich imperiale Haltung Berlins, während die mit fortdauerndem Verweis auf den Zweiten Weltkrieg quasi als nachgereichte Reparationen eingeforderten Transfers ohnehin unbezahlbar sind. Der oft genug ob seiner Polemiken belächelte Arnulf Baring behielt Recht: Wir sind schuld. Aber sie brauchen uns noch. Und wir selbst? Sollten das hinnehmen! Verfügen wir doch über dramatische Erfahrungen damit. Prognose? – Sezession!
Das allein brächte überhaupt Bewegung. Professor Geppert meint etwas verkürzt: „Die Wirtschaft ist an die Stelle des Militärs getreten.“ – Könnten ein Nationalbewußtsein zeitgemäßer Art und ein sich daran aufrichtendes neues Denken ausreichen, Europa so zu rekonstruieren, daß man es wieder ohne Apostrophierungen schreiben möchte? Gleich Kriegsgefahren zu beschwören ist Altpropaganda. Krieg führen kann der Kontinent glücklicherweise nicht mehr. Böswillig: Wem es schon an Leichtathleten fehlt, dem erst recht an Kriegern. Wenn Kohl meinte, die Einheit Europas wäre ein Frage von Krieg und Frieden, trug er ebenso dick auf wie Angela Merkel mit der Parole: Scheitert der Euro, scheitert Europa. Sie meinen mit Europa immer nur eines – den Markt. Um eine Idee geht es längst nicht mehr, lediglich um Saldi und Haushaltsrechnungen. Wer von ihnen Spanien sagt, denkt nicht an Cervantes, Gracian, Lorca, sondern nur: Ramschniveau! Die Ratingagenturen sind wichtiger als die Parlamente und Akademien und das reichste Erbe, was die Welt zu bieten hat.
Gibt es denn außerhalb von Festveranstaltungen wirklich „die Europäer“? Wohl ebensowenig wie “die Amerikaner”. Wer in Montreal oder Boston lebt, hat mit einem Feuerländer wenig gemein. Entgegen Kants aufklärerisch hergeleiteter Hoffnung gibt es überdies keinen Weltbürger für den „Ewigen Frieden“. Nirgends handelte je ein solches Abstraktum. Konservativ sein mag bedeuten, sich darauf weitgehend illusionslos einzulassen. Europa war stets eine kulturelle Einheit im Verschiedenen, und als solches reicher als ein gleichgeschalteter Haushalt sehr unterschiedlicher Haushaltungen.
Wie in der Krankheit, nein, wie im Leben ist die Krise die Chance, sich auf das Eigentliche zu besinnen.
Martin
Den Artikel ergänzt, dass soeben durchsickert, dass "die EU" den "Friedensnobelpreis" erhalten soll ...