sind zwar wichtige Elemente für den Erfolg einer politischen Bewegung – darüberhinaus sollte aber die inhaltliche Kontur nicht vernachlässigt werden. Während die “identitären” Ableger in Deutschland und Österreich noch auf der Suche sind, haben die französischen Vorbilder ihre Positionen recht gut durchdacht.
Eine Broschüre des “Bloc Identitaire”, die in Orange auflag, zählt folgende Punkte auf:
1. Komplementäre Identitäten
Dem herrschenden jakobinischen, ultra-republikanischen und desintegrierenden Diskurs stellen wir eine Vision des Menschen entgegen, der in seinen natürlichen und historischen Gemeinschaften verwurzelt ist. Der Begriff einer abstrakten (wörtl. désincarnée = entkörperlichten) republikanischen Staatsbürgerschaft, ohne Bezug auf die Abstammung, ist das Gegenteil zu unserer Vorstellung einer physischen (wörtl. charnelle = fleischlich) und verwurzelten Identität. Dem “Frankreich der Aufklärung” ziehen wir die lebendige Wirklichkeit der Identitäten und der Vielfalt der Welt vor. (…)Als Identitäre trachten wir danach, unsere dreifache Identität des Regionalen (physische Identität), des Französischen (historische Identität) und des Europäischen (zivilisatorische Identität) in Einklang zu bringen. Mit der Verteidigung unserer Identitäten einher geht nicht nur die Ablehnung der Islamisierung unserer Gesellschaft, sondern der außereuropäischen Einwanderung überhaupt.
2. Das Soziale
Obwohl sie schon seit Jahren an der Macht sind, haben weder die Sozialisten noch die Kommunisten das stetige, jahrzehntelange Ansteigen manifester sozialer Ungerechtigkeiten verhindern können. Als Parteigänger der Einwanderung haben die sozialistische und die kommunistische Partei dafür gesorgt, daß eine schiefe Lohnkonkurrenz entstanden ist, die die Löhne sinken und die Armut ansteigen ließ. (…)Die sozialistische Linke und die liberale Rechte sind die zwei Gesichter der ökonomischen Globalisierung, die die Völker zerstört und die Arbeiter verarmen läßt. (…) Für sie ist der Arbeitnehmer eine Ware und eine quantifizierbare Ressource, wir dagegen sehen ihn als konkreten und verwurzelten Menschen. (…) Indem wir unser Volk gegen die Exzesse des Liberalismus verteidigen, helfen wir zuerst den Unseren, ehe wir den Anderen helfen.
3. Die Ökologie als Antwort auf die kapitalistische Ausbeutung
Die Errichtung einer globalen Konsumgesellschaft, die bis zum Jahr 2050 mehr als 10 Milliarden Menschen umfassen soll, ist der wahnsinnige Traum der herrschenden Klassen. Getrieben von einem nie dagewesenen Willen zur Kapitalkonzentration und zur Finanzierung der Banken über den Kapitalmarkt beherrschen und opfern sie die Völker, die Arbeitnehmer, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, und organisieren die Ausplünderung des Planeten. Ihr System wird uns alle gegen die Wand fahren und in beispiellose Katastrophen stürzen. (…)Wir wollen das Gleichgewicht und das richtige Maß wieder herstellen:
- für die allmähliche Wiederverortung der Wirtschaft, um soziale und verwurzelte Bindungen zu schaffen, um die Armut und den Nomadismus zu beschränken
- für eine weise Nutzung der Ressourcen durch eine Transformation der Produktionsmittel, sowie eine Reformation des Finanzsystems
- für die Kontrolle und Besteuerung des Kapitalverkehrs, um dem Produktiven, dem Arbeitnehmer, dem Arbeiter und dem Künstler seine Würde zurückzugeben. Geld mit Geld zu machen erscheint uns dagegen nicht als eine menschliche Aktivität, die es zu ermutigen gilt.
- für eine wahre Ehrfurcht vor dem, was aus dem Kosmos oder – je nach religiöser Überzeugung – aus der Hand Gottes hervorgegangen ist. Deshalb Respekt vor der Biodiversität und den Ökosystemen (Beziehungen zwischen den Lebewesen in einem bestimmten geographischen Raum), deshalb in letzter und äußerster Konsequenz auch Respekt vor den humanen Ökosystemen (den Beziehungen zwischen den Ethnien, den Völkern und ihrem geographischen und kulturellen Raum).
4. Europa
Wir wünschen uns ein politisch mächtiges Europa, das sich von den Banden der NATO losgesagt hat. Nur ein starkes Europa vereint mit Rußland kann in einer aus der Bahn geratenen, multipolaren Welt Frieden und Stabilität schaffen. (…) Wir verteidigen die Idee eines Frankreichs der Regionen in einem Europa der Nationen, mit Betonung von Subsidiaritätsprinzip und lokaler Selbstbestimmung. Es gibt in der Tat keinen Widerspruch zwischen der Bindung an die eigene Region, an das Vaterland und an ein starkes Europa, das die Herrschaft der globalistischen Technokraten und der sklerotischen Brüsseler abgeschüttelt hat.
Man sieht, die Programmbroschüre betont in sympathischer Weise (und ganz im Sinne von Kubitschek) eher das Wofür der Bewegung als ihr Dagegen. Die Positionierung gegen Islamisierung und Masseneinwanderung wird gerade mal in einem Satz erledigt, und leitet sich logisch aus dem Gesagten ab. Auch die Bebilderung verzichtet auf Negatives und die Evokation von Angst und Feindbildern.
Und mehr noch: es finden sich keinerlei “Distanzierungen” von diversen Feindbegriffen (deren Gültigkeit man damit ja nur affirmieren würde) oder von Gruppen, die noch weiter rechts auf der Salami lokalisiert sind als man selber. In der Tat hat man diese Abgrenzungen und Säuberungen intern geregelt, ohne nach außen hin daraus eine große Sache zu machen (wovon sich auch ein Wiener Identitärer ein Bild machen konnte.)
Es wird daher auch nicht um Aufnahme in den Sandkasten des Mainstreams gebettelt. Nicht einmal der Begriff “rechts” wird in Bezug auf sich selbst verwendet. Man will eine echte, im Wortsinn “radikale” Alternative sein. Es gibt auch keinerlei Anbiederungen an die französischen Entsprechungen des FDGO-Sprechs, und das hierzulande übliche Pro-Israel/USA-Getue würde in Frankreich nur absurd wirken. Dies alles macht einen recht selbstsicheren, in sich ruhenden Eindruck.
Man mag sich nun ausmalen, wie eine entsprechende Broschüre der Pro-Bewegung oder der Freiheit aussehen würde – wahrscheinlich wie ein Screenshot von pi-news, gepflastert mit 1001 gesammelten Tartarenmeldungen. Von dieser Warte aus fällt auch Licht auf die demagogischen Exzesse des Typus Stürzenberger: je weniger die eigene Identität Grund (nicht bloß Grundgesetz) und Boden hat, umso greller muß das Gegenbild gemalt werden, weil letztlich aus ihm nahezu der ganze Saft für die eigene Selbst-Behauptung gesogen wird.
Ein Grund nun, warum die Idee und Symbolik einer “identitären” Bewegung in Deutschland einen solchen Reiz ausübt, ist wohl die Sehnsucht, endlich einen Begriff in die Hand zu bekommen, der die Kraft hat, aus den inneren wie äußeren Aporien und Korsetts der gesamten politischen Rechten auszubrechen. Dazu gehören bestimmte sensible historische Vorbelastungen ebenso wie deren massive Instrumentalisierung durch ihre politischen Gegner.
Das sind zwei verschiedene Dinge: die unbelehrbaren Ränder, die unfähig sind, mit der Vergangenheit kritisch abzuschließen, spielen nur die Komplementärnummer zum Stück der Linken und der Antifaschisten, machen sich damit zu den nützlichen Idioten des Systems und zum Krokodil im Kasperlespiel seines sinnstiftenden Narrativs. Es ist die Linke, die heute am dringendsten des Braunauer Aliens und seiner Entourage bedarf, um ihre Machtansprüche zu rechtfertigen, es ist die Linke, die ihn gleich einem Vampir am Leben hält. Es ist die wahre Rechte, die ihm endlich den Holzpflock verpassen will.
Die Rechte befindet sich heute in einer paradoxen Situation: die Anwaltschaft für die authentischen Interessen des Ganzen (Volk, Staat oder Nation) wird in ganz Westeuropa nur mehr von kleinen, abgedrängten Gruppen vertreten. In dem Maße, in dem globalistisch-liberalistische Ideen die Hegemonie ergriffen haben, und nicht nur zur Leitlinie der herrschenden Eliten geworden sind, sondern auch der gesamten Gesellschaft als Sinnstiftungsmodell dienen, sind fundamentale politische Prinzipien in Ecken abgeschoben worden, in denen sie mit Schlagwörtern wie “extremistisch” gebrandmarkt, erledigt und entsorgt werden.
Mit anderen Worten: als “rechts” oder “extremistisch” gelten heute schon Haltungen, Positionen und Begriffe, die noch vor wenigen Jahrzehnten in allen Nationalstaaten Europas als allgemein akzeptierte Normen und Grundlagen galten. Und in demselben Maße, wie “Volk”, “Staat” und “Nation” aktiv aufgelöst und umgedeutet werden, verfällt schon ihre bloße Erwähnung zunehmend dem Ruch und dem Verdacht. Das hat natürlich Methode. Die allgemeine Ungebildetheit und historische Bewußtlosigkeit trägt dann das Ihrige dazu bei, daß niemandem auffällt, daß damit auch der Begriff der “Demokratie” selbst seinen Sinn verliert und zum bloßen Wohlfühl- und Hypnose-Klingelton degradiert wird.
Die Definitionen, was nun “rechts”, “extremistisch”, “nationalistisch”, “rassistisch” usw. sein soll, werden indessen selbst immer “extremer”, ausgreifender und dabei unerbittlicher. Wer etwa die unter Jubelrufen des Regierungsoberhauptes vollzogene Abgabe der Staatssouveränität und die schrankenlose Verschenkung der eigenen Steuergelder zugunsten von Goldman-Sachs für problematisch hält, darf heute ebenso mit diesem Hämmerchen rechnen, wie derjenige, der strengere Deutschkurse für Einwanderer oder härtere Strafen für sog. “jugendliche” Straftäter fordert. In manchen Zonen gerät schon die bloße Wahrnehmung von Unterschieden unter Generalverdacht.
Klonovsky bemerkte:
Einst galt es als Rassismus, wenn jemand sagte, schwarz sei schlecht. Heute handelt es sich bereits um Rassismus, wenn einem auffällt, dass schwarz schwarz ist.
Gleichzeitig werden sogenannte, mit Staats- und Parteigeldern gefütterte “Experten” nicht müde, Jahr für Jahr flächendeckend publizierte “Studien” auszuspucken, die einen “Extremismus der Mitte” nachweisen wollen, den sie freilich nicht unter dem Mikroskop gefunden haben wie einen Tuberkulosebazillus, sondern mithilfe ihrer eigenen, praktisch zurechtgeschneiderten Definitionskonstrukte aus dem Hut gezaubert haben.
In diesem Genre hat neulich wieder die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung zugeschlagen. Wolfgang Thierse ist sofort darauf angesprungen, und träumt wohl schon davon, ganz Mitteldeutschland einzumauern und in ein riesiges Freiluft-Umerziehungslager zu verwandeln. Mit der Umerziehung könnte man indessen gleich bei der Stiftung selbst anfangen, die doch nach einem berüchtigten Rechtsextremisten der Weimarer Republik benannt wurde, der für antidemokratische, revanchistische, rassistisch-völkische und verfassungsfeindliche Aussagen bekannt ist, wie etwa:
Das deutsche Volk ist frei, bleibt frei und regiert in alle Zukunft sich selbst.
Wenn der Tag kommt, an dem die Frage auftaucht: Deutschland oder die Verfassung, dann werden wir Deutschland nicht wegen der Verfassung zugrunde gehen lassen.
Deutschösterreich muss mit dem Mutterland für alle Zeiten vereinigt werden. Unsere Stammes- und Schicksalsgenossen dürfen versichert sein, dass wir sie im neuen Reich der deutschen Nation mit offenen Armen und Herzen willkommen heißen. Sie gehören zu uns, und wir gehören zu ihnen.
Die Einheitlichkeit unseres deutschen Vaterlandes ist für uns alle ein Stück unseres Glaubens, unserer Liebe und Hoffnung.
Die weitaus größere und schwierigere Reconquista, die bevorsteht, ist heute jene der Begriffe, die über der westlichen Welt liegen wie ein großes, feingesponnenes, aber beinah reißfestes Spinnennetz. Die Maurenherrschaft dessen, was man (vielleicht allzu-)griffig als “politische Korrektheit” zusammenfaßt, ist total und despotisch; es gibt noch nicht einmal widerstehende Gallierdörfer, allenfalls versprengte Enklaven, denn die Infiltration ist nahezu komplett, und niemand kann dem Schicksal entkommen, Kind seiner Zeit zu sein.
Aus diesem Grund ist die Rechte in Europa heute so defensiv und anspruchsbescheiden wie wohl noch nie zuvor in ihrer Geschichte. Sie sitzt sozusagen auf der letzten verbliebenen Eisscholle, auf dem letzten fußbreit Boden unter ihren Füßen, kämpft nur mehr um die nackten Fundamente der Kultur ihrer Nationen, um bloße Selbstverständlichkeiten, im Namen und Interesse aller, auch derer, die nicht hören wollen, auch derer, die glauben, sie könnten auf Treibsand und auf der Luft gehen – und sie wird nichtsdestotrotz krasser und unversöhnlicher denn je verteufelt, bekämpft und diffamiert.
Die Maurenherrschaft dagegen gleicht einer aggressiv vorpreschenden, unduldsamen, tausendköpfigen Hydra, deren Köpfe verschiedene Aufgaben haben, die mal getrennt, mal gemeinsam zuschlagen: ein Kopf definiert, einer dekonstruiert, einer beschuldigt, einer “entlarvt”, einer “verdächtigt”, einer “warnt”, einer unterstellt, einer diffamiert, einer vernebelt, einer rechnet, einer lügt, einer beißt, einer zischt, einer wispert verführerisch… Dementsprechend sieht es auch in den Köpfen der im Netz Gefangenen aus: ihre Gehirne sind verknotet, verwachsen, verunkrautet, verkeilt, umwuchert, verkabelt, intoxiert, sediert, verbarrikadiert, manipuliert, konditioniert, lobotomisiert, programmiert, …
Kaum sind ihnen die einfachsten Wahrnehmungen mehr möglich, und der common sense ringt sich oft nur mühsam durch. Ideologisches Über-Ich und Wirklichkeitsapperzeption geraten in heftigen Konflikt und treiben seltsame Blüten. Und dann kommt oft genug jähe Angst, ja Panik auf, vor den Aus-und Anblicken, die sich auftun könnten, wenn das Gestrüpp einmal aus dem Weg geräumt ist.
Der Begriff des “Identitären” ist nun vielleicht kein schlechter Anfang, um dieses kollektive Knäuel an Affekten, Konditionierungen, Ängsten, Neurosen und “korruptiven Gedankengängen” (Hans Blüher) schrittweise zu entwirren. Denn er verweist darauf, daß es einer Gegenbewegung zu der Maurenherrschaft in den Köpfen nicht um eine extravagante Ideologie gehen darf – stattdessen muß man den Eroberten sagen: es geht um euch, nicht um unsere Partei, Bewegung, Bürgerinitiative oder Zeitschrift.
Und mehr noch: es geht um euren Kragen, eure Zukunft, euer Leben, eure Kinder. Und eure Identität ist nichts anderes als euer Leben. Diese Frage zu stellen ist durchaus “aktuell” und von allgemeinem Interesse: alle Welt sucht heute “sich selbst”, will “sich selbst verwirklichen”, ob im Konsumrausch, auf Facebook oder beim Psychotherapeuten.
Das bedeutet freilich nicht, daß die Intellektuellen von der Aufgabe entbunden wären, zeitgemäße Theoriearbeit zu leisten. Die Linke wird natürlich wieder von “altem Wein in neuen Schläuchen” sprechen, während sie selbst sich nicht die geringste Mühe gibt, neue Platten aufzulegen, egal, wieviel sie schon zerstört, egal, wieviele Millionen sie schon auf dem Gewissen hat. Das kommt,weil ihre Schlager Sendemonopol haben und ohnehin überall gespielt werden. Eine neue politische Theorie erfindet niemals das Rad neu; sie ist vielmehr eine Umwertung und Neubewertung von Werten und eine Neugruppierung von Bausteinen, die die Weltgeschichte immer wieder von neuem zusammenwürfelt.
Inselbauer
Man könnte zynisch anmerken, dass Stürzenberger eben NICHT dauernd über die Frage der eigenen Identität reden muss, weil er eine HAT (nämlich als BRD-Traditionalist mit allen Schattenseiten). Nicht bös sein, aber jemand wie Stürzenberger ist sich seines Milieus (nämlich dessen der Ostmünchener Hausbesitzersöhne) mit großer Selbstverständlichkeit gewiss. Eine "Sinnsuche" oder Identitätssuche gibt es bei ihm wohl nicht. Unsereiner muss sich die Frage gefallen lassen, ob er seinen täglichen Popanz nicht in der abwertenden Kritik der "minderwertigen" Kameraden bezieht, die sich in der Exegese ein wenig vom gebildeten Uni-Mainstream abheben.