eine gemütliche Atmosphäre des “Nichtansprechens” und “Nichtanpatzens”. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, einer besucht die Veranstaltungen des anderen. Und in bierseeliger Gemütlichkeit präsentiert sich Wien immer mehr als Paradies für Szenerechte jeglicher Couleur, als politisches Wunderland für bundesrepublikanische Besucher, die immer mit erwartungsvoll leuchtenden Augen ankommen und neidisch von ihrem Wienbesuch heimkehren.
Besonders angetan sind die Gäste stets von der Aura der politischen Macht, die in Wien die rechten Zusammenhänge umweht. Man trifft Nationalratsabgeordnete auf Partys, starrt auf großformatig plakatierte Botschaften, die „in Deutschland undenkbar wären“, und das gilt wohl auch für die Ergebnisse von Wahlen und Meinungsumfragen.
Wenn man die parteipolitische Szenerie in Wien vor einigen Jahren mit einem Bild beschreiben wollte, man müßte zum großen alljährlichen Stadtfest der FPÖ im Rathaus-Innenhof pilgern: Freibier im Vorhof der Macht, Schunkel-Musik, ein gemütliches Plaudern, Lachen und Raunzen. Alle politischen Ansichten und Gruppen, die man im weitesten Sinne als „rechts“ bezeichnen kann, sind hier vereint und teilen die Grundstimmung „daß ja alles doch nicht so schlecht sei”.
Dieses gemütliche Biotop, in dem jeder seinen Platz findet, dieses Potpurri aus verwachsenen Subkulturen, an dem man fast jeden Abend zu einer anderen „internen“ Veranstaltung gehen könnte, hat einen gewaltigen Nachteil: Es kann junge Idealisten nicht integrieren, einbauen, unterbringen und dulden, ohne sie vorher korrumpiert zu haben. Denn wer die absolute Wirkungslosigkeit und Selbstbespaßung, das totale Scheitern auf metapolitischer und kontrakulturelle Ebene durchschaut hat, kann nicht mehr mittun: Er will ändern, was er da sieht.
Unabhängig davon wächst in Wien seit einigen Jahren in der „Szene“ ein seltsamer Typ junger Männer heran. Sie tun nicht mit. Ihre Blicke sind nicht auf Posten oder private Karrieren gerichtet. Sie lesen viel, lesen querbeet, auch ganz seltsame Bücher, die es in deutscher Übersetzung gar nicht gibt, oder solche, die zur “kulturmarxistischen Feindliteratur” zählen und in der „Szene“ nie angefaßt werden. Sie sind keine Außenseiter und Randfiguren, sondern oft in ihren jeweiligen Kreisen Nachwuchshoffnungen, denen man Karrieren in Aussicht stellt. Das interessiert sie aber nicht, und wenn sie studieren, dann ganz seltsame Richtungen, mit denen man „sicher kein Geld machen kann“.
Diese seltsamen jungen Männer fühlen sich in keiner der jeweiligen Gruppen, in die sie Schicksal, Geburt oder naive Suche gebracht hatte, richtig zuhause. Sie sind immer auf der Suche, voller Tatendrang, absolut, rastlos und politisch so recht eigentlich heimatlos. Weiß man bei ihnen je genau, was sie als nächstes planen? Und wird es unterhalb der Schaffung eines neuen Mythos und der Rettung Europas zu machen sein?
Glück und Schicksal: man fand sich in einen losen Zirkel zusammen, der sich mal im Caféhaus, mal im Uni-Arkadenhof, mal in einer Geheimtipp-Absinthbar, traf. Man war hier sehr eigentlich und tief. Gedichtfetzen, Zitatsplitter und philosophische Momentaufnahmen wechselten hin und her und kreisten immer um das eine gemeinsame, große politische Ziel: den Erhalt unserer Kultur, die geistige Wende, und das kommende Ereignis. Nur Außenstehende konnten diese Szenen als “abgehoben” oder gar als “Gerede” verstehen: man erlitt jeden Satz und erlebten jeden Gedanken.
Wahlerfolge interessierten nicht, man bekam doch Tag für Tag an den Unis, oder in den Medien die ungebrochene Dominanz einer feindlichen Ideologie mit. Rauschende Volksfeste und gut besuchte Wahlevents stellten nicht zufrieden, erlebten man doch in der Arbeit und der Freizeit Tag für Tag den Zerfall der eigenen ethno-kulturellen Identität.
Es war dieser Zirkel, der als Avantgarde den Begriff “identitär” vor über einem Jahr, nach Wien und in den deutschen Sprachraum brachte. IDENTITÄR: Das ist es, das muß es sein! Worum ging es denn in allen Debatten über Zuwanderung, Überfremdung, Menschheitsfortschritt, Gender, Vergangenheit und Gesellschaft? Um die Identität! Was ist der Goldgrund aller rechten, konservativen, traditionalistischen, nationalen und patriotischen Fragen? Die Identität! Mit einem Mal spülte dieser Begriff alle Formen, Begriffe und Theorien fort und ließ einen neuen Anfang zu: den totalen Bruch mit allen Ideologien und allen gewohnten Strategien. Die gemeinsame Lektüre von Werken der neuen Rechten und der Konservativen Revolution leistete ein Übriges: Die Identitäre Bewegung in Wien war geboren.
Mittlerweile zieht diese Bewegung weite Kreise. Eine gewisse kritische Masse ist erreicht, die wie von selbst zu Aktionen, Treffen und Aktivitäten drängt. Eine völlig neue Ikonographie und Begrifflichkeit, ein ganz anderes Denken hat sich breit gemacht. Man hört bei den Identitären keine abfälligen Ausländer-Witze mehr, der Stammtisch-Zungenschlag hat sich verflüchtigt. Der Militarismus und Waffenfetisch sind nicht vorhanden und das diktatorische Häuptlingstum bleibt aus. Es gibt keine Feierabendrevolluzer mit Devotionalien-Lagern im Keller, keine haßerfüllten Gewaltphantasien, keine ohnmächtigen Rachesehnsüchte: unermüdliche politische Arbeit, ständige geistige Schulung und ein humorvoller, ja selbstironischer Gleichmut umspielt den knallharten Willen zur Veränderung. Der Slogan: „Wir sind die Guten“ – schneller, schlauer, kreativer, frecher, zahlreicher und entschlossener als alle andern.
Bisher klappt das sehr gut. Man dringt in Bereiche vor, die der Szenegänger des subkulturellen Politmilieus Wiens nie gesehen hat. Die Identitären kommen von den Unis, aus den Schulen, sie machen Lehren, arbeiten bei McDonalds, als Pagen, Tellerwäscher, und in Anwaltskanzleien. Sie lesen Heidegger und die Krone, sie hören Mozart und Techno, Volksmusik und Metal. Sie fahren Alpha Romeo oder mit der Bim, sie essen am Würstelstand und im Landtmann, sie sind Gourmands und Straight-Edge, tätowiert und konservativ, im Kapu und im Jackett, sie fechten, sind Proleten und Poeten. Alle eint die Liebe zur Heimatstadt und die Sehnsucht nach einer Zukunft, die Suche nach einem Ideal, das in der Konsumgesellschaft als Ware nicht zu finden ist.
Woche für Woche werden es mehr, die Bewegung sprüht nur so vor Ideen und Tatendrang. Aus der Rede eines Aktivisten:
Was wir wollen in Österreich und Wien? Wir wollen nicht mehr mit der Lüge leben! Wir wollen die identitäre Frage stellen – so laut und so fordernd, bis man uns antwortet. Wo sind wir in 50 Jahren? Und was tust Du dafür oder dagegen? Wenn man gegen uns schreibt, werden wir stärker, wenn man uns verschweigt, werden wir lauter. Wie ein Sommerregen wird der identitäre Aufbruch im Zeichen des Lambdas durch ganz Österreich gehen. Schon heute trifft man beim Spaziergang durch die Wiener Innenstadt auf ein Lambda, als Kreidezeichen oder an den Laternenmast geklebt.
Das gefällt nicht jedem aus der „Szene“. Doch das ist uns herzlich egal. Es war immer schon unser Stil, sich mit allen und jedem anzulegen. In Zukunft wird man an uns nicht vorbeikommen – in Wien, Österreich, in Frankreich, Italien, Deutschland und ganz Europa. Denn bei uns sammeln sich alle kritischen Geister, Suchende, Junge mit Temperaturerhöhung und Unangepaßte, deren Leiden am Zeitgeist ein Zeichen innerer Gesundheit ist. Unser Kampf um die Stadt, der für uns der Kampf um Europas Zukunft ist, wird weitergehen. Unsere Aktionen werden weiter Löcher der Provokation in die kulturelle Hegemonie schlagen.
Die Multikulti-Ideologen können sich warm anziehen: Ein identitärer Sturm zieht auf.
Im Internet: wirfuerwien.at und dieidentitaeren.
Beispielaktion: Zertanz die Toleranz
Kurt Schumacher
Nicht schlecht geschrieben! Erinnert an Moeller van den Bruck.