ich Futter-Achsen für die Guten und geheime Eckchen für diejenigen, die nicht an den Trögen stehen dürfen. Dann erst ziehe ich die Klappe an ihrer Kette nach oben und lasse die Hühner heraus. Der erste ist dabei immer der Hahn, ein selbstgefälliges Tier, das sich ein historisch erprobtes Verfahren zu eigen gemacht hat: an der Luke stehen und das Volk sortieren. Links gehts zum Napf, rechts zurück in die Kammer, und als ich neulich ein Gegengewicht in Form eines Junghahns einsetzte, lag dieser am nächsten Morgen tot im Stall. Eklig triumphierte krähend der Platzhirsch.
Las über die ruhigeren Tage (an denen auch hier im Netz-Tagebuch Ruhe nichts geschah) das Manuskript eines kaplaken-Bändchens aus der Feder von Günter Scholdt. Dessen Konservatives Prinzip ist seit ein paar Wochen vergriffen und wird derzeit nachgedruckt. Nun legt er sein zweites Bändchen vor, es trägt den Titel Vergeßt Broder. Sind wir immer noch Antisemiten? und wird im Februar erscheinen. Solches wäre derzeit noch keine Meldung wert, hätte nicht Henryk M. Broder jüngst wieder seiner Selbstgefälligkeit gefrönt und dafür gesorgt, daß der ab und an israelkritische Publizist Jakob Augstein unter die Top 10 der tollsten Antisemiten weltweit geraten ist.
Diese Liste wird jährlich vom Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angelos veröffentlicht. Man verließ sich dort auf eine Empfehlung Broders, der Augstein in Anspielung auf den “Stürmer”-Herausgeber den “kleinen Streicher” genannt hat. Augstein, der unter anderem die Wochenzeitung Freitag herausgibt, seine Ziergarten-Leidenschaft zu einem Buch ausgewalzt hat und “Im Zweifel links” für den Spiegel als Kolumnist arbeitet, rangiert in der Liste auf Platz 9. Seither stammelt das deutsche Feuilleton vor sich hin und wägt zwischen der sehr ernsten Aufgabe eines “Wehret den Anfängen” und der Irritation über die international für Augstein nicht ungefährliche Klassifizierung ab.
Mir ist das Los Augsteins wurscht, zumal er ab und an öffentlich in eine Deutschland-Fahne rotzt und aus seiner Arbeit an der Auflösung alles Deutschen keinen Hehl macht. Mich interessieren nur die Macht-Mechanismen, die Broder mit seiner Empfehlung offenlegt: Wie kann eine Institution wie das Wiesenthal-Zentrum, das als seriös bewertet wird und großen politischen Einfluß besitzt, die persönliche Antipathie einer Revolverschnauze aufgreifen und aus der eigenen Arbeit eine Karikatur machen? Wird durch die Nominierung Augsteins nicht die ganze Liste überdeutlich zu dem, was sie wohl zuvor schon war: eine Farce?
Broder also: Vergeßt ihn, schreibt Scholdt – und untermauert diese Empfehlung auf 96 Seiten mit vielen Zitaten aus Broders wiederum lehrmeisterlichem und selbstgefälligem Buch Vergeßt Auschwitz!, in dem er sein selbstverliehenes Amt als Schicksalsrichter auf die Spitze treibt: links lang zu den Guten, rechts in die Verdammnis.
Scholdts Abrechnung kommt also zur rechten Zeit.
WF
1) Ob das Wiesenthal-Zentrum seriös ist oder nicht bzw. von wem es als seriös erachte wird, ist eine Frage, die ich gar nicht mit dieser Selbstverständlichkeit beantworten wollte.
2) Dem WZ kommt eben die Existenzberechtigung abhanden, weswegen man sich schon munter nach neuen Betätigungsfeldern umsieht. Es wird auf ein Gefallen auf Gegenseitigkeit hinausgelaufen sein... Das WZ setzt den JA auf die Liste, dafür lesen wir alsbald in Welt und Bild ein paar tolle Artikel über die Förderungswürdigkeit des WZ und wieso gerade wir als Deutsche ein Interesse daran haben müssen diesen Laden zu finanzieren.