Zur Vorgeschichte: die Wiener Votivkirche wird seit zwei Monaten unter erheblicher Medienaufmerksamkeit von etwa 40–50 Asylbewerbern besetzt, die damit gegen angeblich “menschenunwürdige” Bedingungen im niederösterreichischen Flüchtlingslager Traiskirchen protestieren wollen und zusätzlich allerlei politische und finanzielle Fundamentalforderungen stellen.
Daß diese Aktion keine Idee der kaum bis gar nicht deutsch sprechenden Flüchtlinge selbst war, sondern von diversen linken bis linksradikalen Anstiftern und Drahtziehern eingefädelt wurde, ist in Österreich seit Wochen bekannt und wird zuweilen auch zaghaft kritisch angemerkt, wie auch die zum Teil als überzogen erkannten Forderungen. Die unbekannten Autoren der gendergerecht formulierten Liste bleiben zwar im Hintergrund, die Stoßrichtung ist jedenfalls wie üblich die Aushebelung von Bürgerrechten zugunsten von sehr weit gefaßten “Menschenrechten” sowie von als “menschenverachtend” gebrandmarkten Einwanderungs- und Asylbeschränkungen.
Nichts anderes also, als was die Antifanten unter dem Slogan “No border, no nation” oder “Kein Mensch ist illegal” (ist er auch nicht… nur sein Aufenthalt kann es sein) zusammenfassen. Nachhaltig mischt dabei die linkslastige katholische Hilfsorganisation “Caritas” mit. In dieser Inszenierung sind die Flüchtlinge (auf linken Seiten nur mehr als “die Refugees” tituliert), die immerhin zum Teil in Hungerstreik getreten sind, am Ende nur Schach- und Devotionalfiguren linker Strategien und Befindlichkeiten. Das Ganze ist schon längst in eine der üblichen Feelgood-Stücke “gutmenschlicher” Selbstherrlichkeit resp. in ethnomasochistisches Selbst-Bashing ausgeufert. Wobei ich jede Wette eingehe, daß keiner der einschlägigen Akteure Lust hätte, neben einem “refugee camp” wie in Traiskirchen wohnen zu wollen.
Daß diese Nummer mit anderen Worten nicht ganz koscher ist, ist also allgemein bekannt. Ihre politischen Akteure und Unterstützer verschanzen sich indessen hinter einer Rhetorik, die geschickt auf dem guten und schlechten Gewissen gesellschaftlicher Konsenswerte spielt. Kritik hieran zu formulieren ist ebenso schwierig wie sozial riskant, und nun haben eine Handvoll “Identitäre” Wiens es eben doch gewagt: für einige Stunden “besetzten sie die Besetzung”, und schafften durch diese Provokation den Sprung in mehrere große Medien, darunter die Presse, der Standard, der ORF, OE24 und vor allem der Kurier.
Die Aktivisten hatten in der Kirche Flyer verteilt, Plakate entrollt und eine Videobotschaft auf YouTube gestellt. Die Polizei war nach kurzer Zeit vor Ort, die Kirche wurde abgesperrt. Die Situation war laut Caritas aber unter Kontrolle und gewaltlos, die Männer hatten sich ruhig verhalten.
“Erst wenn die Besetzung der Votivkirche beendet und die Scheinasylanten in einer Moschee oder abgeschoben sind, wird die Besetzung der Besetzung beendet”, schrieben die Aktivisten auf Facebook. Mit der Aktion wollte die Gruppe nach eigenen Angaben einen “staatenlosen Flüchtling” aus der Steiermark unterstützen, der nun ebenfalls in den Hungerstreik getreten sei.
Letzteres bezieht sich auf eine satirische Beigabe der Aktion: Ziel sei, auf das Schicksal des armen Sepp Unterrainer, Franz-Josef-Bart- und Trachtenjankerträger aufmerksam zu machen:
In seiner eigenen Heimatstadt, wurde er aufgrund seiner Herkunft diskriminiert, als „scheiß Österreicher“ beschimpft und einem unerträglichen Klima von strukturellem Rassismus ausgesetzt. Unmissverständlich machte man ihm auf seine Gegend zu verlassen. Er war zu einem Fremden in der eigenen Stadt geworden.
Doch egal wohin er sich wandte – nirgends fand er Gehör. Im Gegenteil: Er wurde als rassistisch und fremdenfeindlich beschimpft. Vertreter der Grünen meinten sogar, er solle sich gefälligst besser in die Migranten-Ghettos integrieren und sich an „das neue Österreich“ anpassen.
Die Besetzung der Votivkirche hat Sepp sehr nachdenklich gemacht. Offenbar braucht man in Österreich nur keinen Pass zu haben, damit man Gehör und Anerkennung findet.
Er hat also seinen Pass in den nächstbesten Kanal geworfen und ist nun offiziell staatenlos.
Wie die Asylanten in der Kirche, fordert er nun eine menschenwürdige Unterkunft, vom Staat bezahlt versteht sich. Er will einen Spa, Whirpool, einen Personal-Trainer sowie ausgebildete Hairstylisten. Er verlangt 3 mal am Tag eine warme Mahlzeiten ‑wählbar aus 3 verschiedenen Menüs+ eine vegetarische Alternative. Internetanschluss und W‑Lan sowie ein persönlicher PC und ein Tablet für unterwegs.
Der Kurier brachte sogar ein Foto, das die Besetzer bei der Lektüre eines gewissen Kaplakenbändchens zeigt:
Als Gegenreaktion soll ein Mob von ca. 250 Antifas aufmarschiert sein. Um ca. 17:00 wurden die neun Aktivisten unter Polizeischutz aus der Kirche begleitet. Weitere Details kann man auf der Facebook-Seite der IBÖ nachlesen.
Diese “Provokation” kann man im Großen und Ganzen als gelungen betrachten. Wegweisend für den Erfolg sind wohl folgende Punkte: 1. Die Aktivisten haben sich in ein Thema eingeklinkt, das bereits im Brennpunkt der medialen Berichterstattung steht 2. sie haben ihre Aktion in einer spielerischen, fast schon kabarettistischen Form durchgezogen, und 3. haben sie sich als sehr mutig erwiesen und ihr Gesicht für eine Sache gezeigt, die eher unpopuläre Folgen haben wird.
Nachdem die Wahrnehmungsschwelle überschritten ist, wird weiterhin das Problem bestehen, die “Message” korrekt zu vermitteln. Die Medienfilter wirken weiterhin verzerrend, die Reaktionen im Netz deuten auf Irritation und Verwirrung. Der Gegner hat hier den klaren Feldvorteil, daß er auf der gängigeren, vertrauten Harfe des guten Gewissens und der humanitären Rhetorik spielen und sich dabei als “besserer” Mensch inszenieren kann:
Die Menschenrechtsorganisation “SOS Mitmensch” bezeichnete die Aktion als “Anti-Flüchtlingsprovokation ohne Hirn, Scham und Gewissen”. Die “Provokateure” sollten sich mit der “dramatischen Lebenssituation” der Flüchtlinge beschäftigen um “die uferlose Hirnlosigkeit ihres Handelns erkennen”, so Alexander Pollak, Sprecher von SOS-Mitmensch.
Nihil
Immerhin erster Beitrag in den Wiener ORF-Lokalnachrichten (Video):
https://tvthek.orf.at/programs/70018-Wien-heute
sowie auf der ORF-Internetseite:
https://wien.orf.at/news/stories/2570889/