Nach der Abrechnung mit der “Neuen Weltordnung” und seinem Abschied von der Linken ist Die liberale Gesellschaft und ihr Ende nun eine Analyse der Selbstzerstörung des Abendlandes. Der Autor berichtet darin Über den Selbstmord eines Systems.
PI-News veröffentlichte gestern ein Gespräch mit dem Autor.
PI: Manfred, in wenigen Tagen erscheint dein neues Buch „Die liberale Gesellschaft und ihr Ende. Über den Selbstmord eines Systems“. Steht es wirklich so schlimm um unsere freiheitliche Gesellschaft?
Kleine-Hartlage: Es steht schlimm um die westliche Zivilisation und damit auch um deren freiheitliche Errungenschaften. Ich vergleiche in meinem Buch unsere Zivilisation mit einem kühn konstruierten Wolkenkratzer, der immer weiter ausgebaut wird: immer höher, immer schöner, immer luxuriöser. Das Problem ist: Er wird ausgebaut mit Material, das den Fundamenten entnommen ist und wird deshalb einstürzen, wenn das nicht aufhört.
Welche Fundamente meinst du?
Damit meine ich grundlegende menschliche Solidargemeinschaften, insbesondere die Institution der Familie und die Existenz von Nationen, außerdem die letztlich im Christentum verankerten sittlichen Werte, deren allgemeine – meist unbewusste – Akzeptanz die Voraussetzung dafür ist, dass wir uns unsere Liberalität überhaupt leisten können.
Die westliche Gesellschaftsauffassung geht ja nicht – wie etwa die islamische, aber auch andere traditionelle Auffassungen – davon aus, dass gesellschaftliche Ordnung und Stabilität oberste Gebote seien, und sie fasst demgemäß Freiheit nicht als Bedrohung der Ordnung auf, sondern als deren Komplement. Der Gedanke einer Ordnung in Freiheit und durch Freiheit konnte nur hier entstehen und ist eine historisch beispiellose Errungenschaft der europäischen Zivilisation. Unsere Gesellschaft beruht nicht auf einem straffen autoritären Korsett, aber eben auch nicht einfach auf „der Freiheit“ und sonst nichts. Sie beruht auf einem Gleichgewicht zwischen Freiheit und Bindung, Rechten und Pflichten, dynamischen und stabilisierenden Faktoren.
Und dieses Gleichgewicht ist gestört?Freiheit gibt es nur dort, wo es eine sie ermöglichende Ordnung gibt, und damit meine ich nicht nur die Rechtsordnung. Die Rechtsordnung ist nur der Schlussstein auf einem sehr komplizierten kulturellen Gefüge, aber auch dieser Schlussstein wird fallen, wenn das Gefüge instabil wird.
Das klingt sehr abstrakt, hast du dafür konkrete Beispiele?
Nehmen wir nur diesen ominösen „Kampf gegen Rechts“: Man macht aus einer kulturell und ethnisch homogenen, eine multikulturelle und multiethnische Gesellschaft, das heißt man sperrt zusammen, was nicht zusammengehört, erzeugt systematisch alltägliche Konflikte, macht aus einer relativ harmonischen eine zunehmend spannungsgeladene Gesellschaft und kann der Spannungen dann nur noch mit immer mehr Repression Herr werden. Man zerstört das kulturelle Gefüge und erzeugt eine Situation, in der der Kampf gegen „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“, also gegen Meinungen und Gefühle, und das heißt: der Übergang vom Staat des Grundgesetzes zu einem totalitären Umerziehungsstaat als „Sachzwang“ erscheint. „Alternativlos“ würde die Kanzlerin sagen. Aber diese Alternativlosigkeit haben sie und ihre Vorgänger selber herbeigeführt.
Ist das Fehler oder Absicht?Beides spielt eine Rolle: sowohl die Verblendung durch eine Ideologie, deren Verfolgung stets zum Gegenteil des Beabsichtigten führt und insofern ein „Fehler“ ist, als auch bestimmte materielle und Machtinteressen, die rücksichtslos – und durchaus mit Absicht – auf Kosten der Völker Europas durchgesetzt werden. In den Köpfen der Entscheidungsträger wird beides eine gewisse Rolle spielen, nur das Mischungsverhältnis unterscheidet sich von Person zu Person und von Interessengruppe zu Interessengruppe. Auf einer gedachten Skala zwischen den Extremen der reinen naiven Verblendung und der reinen Bösartigkeit gibt es viele Abstufungen.
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Biobrother
Als Liberaler fand ich den Buchtitel interessant und hab das Buch direkt beim Verlag vorbestellt. Hoffentlich gibt es darin dann mehr an gedanklicher Anregung zu entdecken als die hier formulierten durchsichtigen Taschenspielertricks des Typs "eine liberale Gesellschaft muss konservativ-nationale Züge annehmen, um überleben zu können" (kleines Problem: dann überlebt sie vielleicht wirklich eher, ist nur leider nicht mehr liberal). Wobei allerdings Franz-Josef Strauss zuzustimmen ist, dass ein freiheitlicher Staat gegebenenfalls auch stark und wehrhaft sein muss, um die Freiheit dauerhaft gegen ihre diversen Gegner zu sichern.
Und was multikulturelle Staaten angeht: Es gibt m.E. durchaus Beispiele, die halbwegs gut funktionieren und eine hohe Lebensqualität aufweisen, Kanada zum Beispiel, in dem Fall sicher begünstigt durch wirtschaftliche Prosperität, das Fehlen einer langfristig angestammten Kultur nach weitgehender Verdrängung der Ureinwohner, ein komplexes Bevölkerungsgemisch anstelle einer konfrontativen Situation zwischen zwei rivalisierenden Kulturen/Religionen und einen relativ geringen Bevölkerungsanteil mit traditionell stärker ausgeprägten sozialen und "kriminologischen" Problemen. Die entscheidendere Frage wäre hier vielleicht, ob eine gänzlich multikulturelle Gesellschaft in Europa vor dem Hintergrund alter gewachsener Kulturnationen letztlich (und ganz unabhängig vom Funktionieren) nicht eine deutliche Verarmung darstellen würde.