Das berichtet der Blog der Alternative für Deutschland – Landesverband Baden-Württemberg unter der Rubrik “Aus den Wahlkreisen”. Weiter heißt es:
Auch in diesem Jahr wiederholt sich in Deutschland eine schöne Tradition, wonach muslimische Gemeinden und Organisationen zum Iftar – das gemeinsamen Fastenbrechen im Ramadan – auch nichtmuslimische Bürger einladen. Eine derartige Veranstaltung fand am 19. Juli 2013 auch in Göppingen statt. Sprecherin Bouchra Nagla und Bundestagskandidat Volker Münz folgten gerne der Einladung und genossen leckere orientalische Köstlichkeiten in angenehmer Atmosphäre.
Bouchra Nagla sagt: „Als Sprecherin der Alternative für Deutschland in Göppingen setze ich mich für die Belange aller Mitbürgerinnen und Mitbürger ein. Ich denke dass Pluralität der religiösen Gruppen und kulturellen Interessen eine Bereicherung für unsere Gemeinde ist.”
Es ist gewiß nichts dagegen einzuwenden, sich zum Fastenbrechen einladen zu lassen, und auch Politiker rechtsalternativer Parteien tun gut daran, das Gespräch auch mit Vertretern ethnischer und religiöser Minderheiten zu suchen. Bedenklich wird es, wenn mit der Sprache des Feindes – und damit meine ich nicht die Moslems, sondern das politische Establishment – zugleich dessen Ideologie unter die Leute gebracht wird:
Mit dem Loblied auf die “Bereicherung” durch “Pluralität” (immerhin nicht “Vielfalt” – das ist wohl das “Alternative” an dieser Rhetorik) benutzt die Sprecherin genau die Art von Nebelsprache, hinter der dieses Establishment die Krise unseres Landes zum Verschwinden bringt. Die Floskel von den “Mitbürgerinnen und Mitbürgern”, wo man auch einfach von “Bürgern” sprechen könnte, und die kitschverdächtige Häufung von lobhudelnden Floskeln bis hin zu der Tautologie von den “leckeren Köstlichkeiten” verrät vor allem eines: den Willen, dazuzugehören; von just dem Establishment anerkannt zu werden, zu dem man doch eine “Alternative” sein will. (Daß der genannte Volker Münz – im Einklang mit der etablierten Ideologieindustrie – einen “Migrationshintergrund” bei Politikern per se für ein Qualitätsmerkmal zu halten scheint – “Münz freute sich vor allem, daß Bouchra Nagla als Migrantin den Weg in den Kreisvorstand gefunden hat” -, rundet das Bild ab.)
Man könnte dies mit etwas Wohlwollen auch als Ausrutscher abtun, die man den frischgebackenen Politikern einer noch jungen Partei nachsehen sollte. Ich fürchte aber, dass hier die Folgen einer grundlegenden und fatal fehlerhaften politischen Weichenstellung zu besichtigen sind: Die AfD hat sich von Anfang an bemüht, sich an Stil und Inhalt herrschender Politik und Ideologie anzupassen, und sie hat diese Anpassung auch ganz offiziell in ihrem Wahlprogramm niedergelegt, wo es zum Beispiel heißt:
Deutschland braucht qualifizierte und integrationswillige Zuwanderung.
Damit übernimmt die AfD unbesehen die von der herrschenden Meinung dogmatisierte Idee, wonach Deutschland überhaupt die (als “Zuwanderung” verharmloste) Einwanderung brauche. Oder:
Ernsthaft politisch Verfolgte müssen in Deutschland Asyl finden können.
Damit bekräftigt man das herrschende Politikverständnis, wonach der Staat nicht etwa die Interessen seines Volkes zu vertreten, sondern abstrakte Humanitätsideale zu verwirklichen habe. Obendrein fordert man etwas, was just jenem geltenden Recht entspricht, das den Mißbrauch des Asylrechts schon bisher nicht zu verhindern vermag.
Den ursprünglich geforderten Kampf gegen die Political Correctness hat die AfD ersetzt durch
Wir setzen uns dafür ein, dass auch unkonventionelle Meinungen im öffentlichen Diskurs ergebnisoffen diskutiert werden, solange die Meinungen nicht gegen die Werte des Grundgesetzes verstoßen.
Die Meinungsfreiheit gilt aber für alle Meinungen, auch die extremistischen – jedenfalls nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Nicht aber nach Auffassung der AfD, für die die Meinungsfreiheit von der Bejahung der “Werte des Grundgesetzes” (nicht etwa von der Befolgung von dessen Normen) abhängt. Auf der Basis einer derart nebulösen Formulierung kann man aber jeder beliebigen politischen Kraft das Recht auf Meinungsfreiheit absprechen: dem politischen Establishment, das das vom Grundgesetz bejahte deutsche Volk verneint, wie auch dessen konservativen Kritikern, die das ebenfalls dort festgeschriebene Asylrecht ablehnen.
Wer in dieser Weise einmal das Prinzip bejaht hat, daß es Meinungen gibt, deren Anhänger mundtot zu machen sind, gesteht das Recht auf Meinungsfreiheit letztlich nur dem zu, der faktisch die Macht hat, es auch durchzusetzen. Wer eine De-facto-Zensur akzeptiert, solange sie nur “die Richtigen trifft”, nimmt in Kauf, daß über die Frage, wer diese vermeintlich “Richtigen” sind, von Instanzen entschieden wird, die mächtiger oder auch nur gewaltbereiter sind als er selber. Er ist nicht in der Position, sich zu beschweren (es sei denn bei Sankt Florian), wenn er die Konsequenzen des von ihm selbst bejahten Prinzips am eigenen Leibe zu spüren bekommt.
In allen genannten Fällen übernimmt und bekräftigt die AfD die Prämissen einer herrschenden Ideologie, deren Konsequenzen sie gleichwohl punktuell ablehnt. Diese Inkonsistenz stellt sich notwendig dort ein, wo der Wille, keine Angriffsfläche zu bieten, jeden anderen Gesichtspunkt einschließlich des Gebots politischer Redlichkeit verdrängt.
Wer sich einmal auf dieses Gleis einer angepaßten, um nicht zu sagen feigen Selbstdarstellung begeben hat, hat kaum Aussichten, jemals wieder davon herunterzukommen, und sei es nur, weil eine Partei, die sich in dieser Form präsentiert, zwangsläufig Personal anzieht, dem dieser Stil liegt. Frau Nagla und Herr Münz sind nicht die unrühmliche Ausnahme, sondern das folgerichtige Produkt einer Strategie und eines Politikverständnisses, das opportunistische Kurzsichtigkeit mit taktischer Klugheit verwechselt.
Diese Kurzsichtigkeit besteht darin, daß die strategische Wechselwirkung von Politik und Metapolitik weder verstanden noch berücksichtigt wird. Metapolitik ist ein Kampf um die Bedingungen, unter denen der politische Kampf geführt werden muß, insbesondere ein Kampf um die ideologische Vorherrschaft. Davon, welche ideologischen Denkfiguren gesellschaftlich akzeptiert werden, hängt ab, welche politischen Forderungen mit Aussicht auf Erfolg vertreten werden können und welche nicht.
Das heißt aber nicht, daß die Abhängigkeit einseitig wäre: Politik kann durchaus auf die metapolitische Ebene zurückwirken, und zwar wegen ihrer kommunikativen Potenz, deren eine marginalisierte Opposition mehr bedarf als irgendjemand sonst. Die SPD hat schon unter den Sozialistengesetzen vorgemacht, wie man das Parlament als Plattform zur Verbreitung von Ideologie nutzt – obwohl es damals noch kein Fernsehen gab, das die Reden sozialdemokratischer Politiker hätte übertragen müssen. Die Grünen haben in den achtziger Jahren die parlamentarische Bühne benutzt, um jedes Thema nach Maßgabe linker Ideologie zu bearbeiten und diese Ideologie dadurch zu verbreiten. Der Erfolg, den sie damit hatten, macht uns heute das Leben sauer.
Politik genießt nun einmal eine mediale Aufmerksamkeit, die selbst von außerparlamentarischen Parteien metapolitisch genutzt werden kann, wie etwa Pro Deutschland letztes Jahr mit der Ankündigung zeigte, den umstrittenen Mohammed-Film aufzuführen. Daß die Partei dafür heftig kritisiert wurde, und zwar just aus dem bürgerlich-konservativen Milieu, das heute den Kern der AfD stellt, spricht für sich: Anscheinend ist man in diesem Milieu selbst nach mindestens fünf Jahrzehnten ununterbrochener Niederlagen eisern entschlossen, nichts dazuzulernen. Wie virtuos auch immer die Linken die Verbindung von Politik und Metapolitik handhaben: Der dadurch marginalisierte Konservatismus glaubt, keine strategischen Schlüsse ziehen zu müssen.
So kommt es dann, daß man nicht einmal versucht, mit den kommunikativen Mitteln der Politik eine ideologische Alternative zu skizzieren oder wenigstens die herrschende Ideologie zu hinterfragen. Stattdessen betet man die Mantras der Herrschenden nach, wonach Vielfalt uns per se bereichere, Deutschland “Zuwanderung” brauche, die Gewährung von Asyl eine moralische Pflicht sei, und jeder, der gegen diese Ideologie grundsätzliche Einwände hat, sein Recht auf Teilnahme am öffentlichen Diskurs verwirke.
Ich will gar nicht ausschließen, dass der gewünschte taktische Erfolg, nämlich der Einzug in den Bundestag, sich tatsächlich einstellen wird. Wenn aber am Ende tausende idealistische Aktivisten in einer Partei gebunden sind, die nicht mehr zustandebringt als ein wenig wohlerzogene Opposition gegen den Euro, wenn die wirklich heißen Eisen unangetastet und die metapolitischen Chancen ungenutzt bleiben, die mit einer Vertretung im Bundestag verbunden sind, dann haben die Teile der Rechten, die diese AfD unterstützen, ein Eigentor geschossen.
Ein Fremder aus Elea
Wäre besser, wenn die AfD sagte, daß die Immigration nach Deutschland nach unserem Bedarf bemessen werden sollte, aber daß zumindest ein minimaler Bedarf besteht ist wohl nicht falsch, und meines Wissens sagt keine rechte Partei in Europa, welche in nationalen Parlamenten vertreten ist, etwas anderes.
Was das Asylrecht angeht, so wäre es auch weit hergeholt zu behaupten, daß sich Deutschland diese Form der Hilfe weniger leisten könne als andere Länder.
Freilich, religiöse und kulturelle Pluralität bereichert nicht, das Asylrecht zu gewähren ist ein Opfer. Irgendwo ja auch selbstverständlich, und ärgerlich, wenn man jemandem, dem man hilft, dafür dankt, daß man ihm helfen darf.
Repräsentativ sind solche Töne aber nicht, die Rhetorik der AfD zielt insgesamt darauf, die Interessen der deutschen Bürgerschaft moralisch zu legitimieren, schlimm genug, daß man damit Wahlkampf machen kann, aber so ist es.
Metapolitik kann von Einzelpersonen wie Paul Weston gemacht werden, bräche die AfD radikal mit der Vorstellung, daß Deutschland reich und eine helfende Kraft in der Welt ist - was so vielleicht nicht ganz stimmt, aber lassen wir das - gäbe es dafür mit Sicherheit was auf die Mütze.
Abgesehen davon spielt sich Metapolitik nicht im Vakuum ab, sondern innerhalb der Realpolitik, und ab einem bestimmten Punkt drückt der Schuh so stark, daß man kein großes Interesse an den Regeln des politischen Diskurses mehr hat.
Wie man ja an den Grünen sieht, dauert es eine volle Generation, bevor man sich metapolitisch durchsetzt, und daß sich die reale Lage in dieser Zeit nicht hinreichend ändert, um die metapolitische Arbeit überflüssig zu machen, halte ich persönlich für sehr unwahrscheinlich.