200 Jahre Donoso Cortés

pdf der Druckfassung aus Sezession 29/ April 2009

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Kaum war die Exkommunikation der vier Bischöfe der »ultratraditionalistischen« Piusbruderschaft aufgehoben, ergossen sich über den Papst und die katholische Kirche, vor allem aus Deutschland, Fluten an unsachlichen, tendenziösen Kommentaren, die mit der Sache rein gar nichts mehr zu tun hatten.

Man muß­te sich fra­gen, ob jene Theo­lo­gen und Kir­chen­ver­tre­ter, die die katho­li­sche Kir­che unab­läs­sig zum Frie­den mit der Moder­ne drän­gen, nicht mit Blind­heit geschla­gen sind. Die Moder­ne ist in ihrem Ursprung eine Häre­sie gegen das Geof­fen­bar­te, das Ver­bind­li­che. Der libe­ra­le Kul­tur­his­to­ri­ker Peter Gay nann­te nicht von unge­fähr sei­ne kürz­lich erschie­ne­ne Geschich­te der Moder­ne die »Ver­lo­ckung der Häre­sie« (The Lure of Heresy).

Die hef­tigs­ten Affek­te der Moder­ne rich­ten sich seit jeher gegen jene Insti­tu­ti­on, die die moder­ne Häre­sie, den Kult des Rela­ti­vis­mus (Bene­dikt XVI.), nicht mit­ma­chen will. Die jüngs­ten Aus­fäl­le haben gezeigt, daß die­se Affek­te nur ruh­ten, sie sind kei­nes­wegs Ver­gan­gen­heit, und sie wer­den sich im Zei­chen des »neu­en Athe­is­mus« wei­ter ver­stär­ken. Der katho­li­sche Staats­mann und Geschichts­phi­lo­soph Juan Fran­cis­co María de la Salud Dono­so Cor­tés, Mar­ques de Val­de­gamas, der 1809 das Licht Spa­ni­ens erblick­te, hat­te kei­ner­lei Illu­sio­nen, was die Pho­bien und die aggres­si­ve Kon­se­quenz der poli­ti­schen Irr­leh­ren der Moder­ne betraf.

Sei­ne Ansicht, daß es zwi­schen der gott­ver­leug­nen­den Moder­ne, ihren Aus­ge­bur­ten Libe­ra­lis­mus und Sozia­lis­mus, und dem Katho­li­zis­mus kei­nen Kom­pro­miß geben kön­ne, weil die Moder­ne de natu­ra auf die Ablö­sung, ja Ver­nich­tung des Katho­li­schen ange­legt sei, die­se Radi­ka­li­tät des Spa­ni­ers beein­druck­te nicht nur das katho­li­sche Euro­pa sei­ner Zeit. Carl Schmitt, der Dono­so »gesamt­eu­ro­pä­isch« inter­pre­tier­te, rühm­te des­sen Klar­sicht und Radi­ka­li­tät. Tref­fend sei Dono­sos Erkennt­nis, daß die moder­nen Ideo­lo­gien Ersatz­re­li­gio­nen sind, ihre Begrif­fe säku­la­ri­sier­te theo­lo­gi­sche Begrif­fe. Nur der Libe­ra­lis­mus wei­che jeder begriff­li­chen Fest­le­gung aus.

Auch die Kir­che war zu Dono­sos Zeit kei­nes­falls frei von die­ser töd­li­chen Krank­heit der »dis­ku­tie­ren­den Klas­se«, der »cla­sa dis­cut­i­do­ra«, die nicht weiß, ob sie es »mit Bar­ab­bas oder mit Jesus hal­ten soll«. Wäh­rend das revo­lu­tio­nä­re Euro­pa, die Mazzini und Proudhon, sofort erkann­ten, wel­ches pole­mi­sche Genie ihrem spa­ni­schen Tod­feind eig­ne­te, hiel­ten sich die Ver­tre­ter des libe­ra­len Katho­li­zis­mus, vor allem in Frank­reich, an Detail­fra­gen sei­ner Schrif­ten auf. Sie irri­tier­te die von kei­nem Zwei­fel ange­krän­kel­te Glau­bens­fes­tig­keit Dono­sos, wäh­rend Rom über die­sen glän­zen­den Anwalt heil­froh war, und sein Haupt­werk, den Essay, mit dem höchs­ten Segen bedachte.

Nicht anders heu­te: Ein öster­rei­chi­scher Geist­li­cher, der von Rom zum Weih­bi­schof aus­er­se­hen ist, weil er den Glau­ben sei­ner Kir­che ohne Abstri­che ver­kün­det, wird von sei­nen libe­ra­len Amts­brü­dern solan­ge gemobbt, bis er sei­ne Beru­fung ablehnt. Die Kir­che, für die Dono­so Cor­tés stritt, hat­te noch einen Kle­rus und eine Theo­lo­gen­zunft, die weit­ge­hend immun waren gegen die Ver­lo­ckun­gen der moder­nen Häre­si­en. Heu­te haben sie ihren Marsch durch die Insti­tu­ti­on Kir­che soweit abge­schlos­sen, daß selbst Per­so­nal­ent­schei­dun­gen am links­ka­tho­li­schen Wider­spruch gegen das Ortho­do­xe scheitern.

Dono­so hat das vor­her­ge­se­hen. In sei­nem Haupt­werk cha­rak­te­ri­siert er den Libe­ra­lis­mus als ein Phä­no­men einer Gesell­schaft in Auf­lö­sung: »Die Zeit ihrer Herr­schaft ist jene flüch­ti­ge Über­gangs­pe­ri­ode, in der die Mensch­heit hin- und her­schwankt zwi­schen radi­ka­ler Nega­ti­on und gläu­bi­ger Hin­nah­me der Offen­ba­rung.« Dann ist ihr eine Schu­le gera­de recht, bei der alles Für ein Wider hat. Der Reform­theo­lo­ge Hans Küng, den der Papst im Som­mer 2005 noch in Audi­enz emp­fan­gen hat­te, misch­te die­ser Tage ätzen­de Gal­le mit ver­lo­ge­ner Diplo­ma­tie. Wenn der Papst sicher auch selbst nicht anti­se­mi­tisch sei, so hät­te doch jeder gewußt, daß die vier Pius-Bischö­fe anti­se­mi­tisch ein­ge­stellt sind. Wie einst der Kreml schir­me sich der Papst vor sei­nen Kri­ti­kern ab. Dono­so hat­te recht. Der athe­is­ti­sche Sozia­lis­mus hät­te wenigs­tens den Mut zur Nega­ti­on. »Für den Libe­ra­lis­mus hat er nur Ver­ach­tung.« Dem ist nichts hinzuzufügen.

Bücher von Dono­so Cortés:
Über die Dik­ta­tur. Drei Reden
Essay über den Katho­li­zis­mus, den Libe­ra­lis­mus und den Sozia­lis­mus und ande­re Schriften

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