Ergebnissen in die Landtage eingezogen, und es gibt keinen Grund, sich über diese Erfolge nicht zu freuen. Diese Freude hat drei Gründe.
Der erste Grund ist ein bißchen schäbig: Es ist die unverhohlene Schadenfreude darüber, daß die FDP gestorben und in Teilen von der AfD beerbt worden ist. Hier in Schnellroda gab und gibt es für geistige Freiheit, für tatkräftiges Unternehmertum und Selbstverantwortung stets Sympathie – aber all das hatte in der FDP längst keine Heimat mehr. Sie hat sich vielmehr selbst und ohne Not um diese Kontur gebracht und den ungefähren Ton der Mitte angestimmt. Zurecht wird sie genau dort nun überhört.
Der zweite Grund der Freude ist grundsätzlich: Vieles von dem, was die AfD fordert oder zumindest bedenkt (an der Basis deutlicher als oben), ist das, was zu einem konservativen Minimum der Politik, zu einem konservativen Prinzip der Lebensführung gehört. Dies wird mittlerweile sogar von den meinungsführenden Medien und den Altparteien als “gesunder Menschenverstand” umschrieben, und dieser gesunde Menschenverstand war schon immer weit konservativer, als sich das die politische Klasse vorstellen kann.
Der dritte Grund der Freude liegt in einem partei-inhärenten Umstand begründet. Durch die Siege in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ist der dezidiert konservative Flügel der AfD zu einem mächtigen Faktor geworden. Der liberalere Westen mag mitgliederstärker sein: Das erste Handbuch für ein Leben in parlamentarischer Opposition und die erfolgserprobte Anleitung für den Sprung ins Parlament werden aus dem Osten kommen. Von den Konservativen lernen heißt: Siegen lernen. Unbedingt.
Es ist mir aus diesem Grund nicht klar, warum ausgerechnet in der Jungen Freiheit vor dem Ausbau des mit dezidiert konservativer Munition erkämpften Brückenkopfs gewarnt wird. Dieter Stein kommentierte gestern und sieht eine der vordringlichen Aufgaben der AfD darin, “den liberalen Flügel nicht zu verlieren”.
Was soll das? Besteht Grund zur Sorge? Und wenn: Sind Alexander Gauland, Björn Höcke und Frauke Petry nicht ebenso liberal wie wir alle, wie jeder, der in diesem Land großgeworden ist und sich auch nach absolvierter Lektüre einschlägiger konservativer Klassiker noch immer nicht wirklich vorstellen kann, was das ist: nicht liberal zu sein und nicht liberal zu denken?
Es besteht keinerlei Grund zur Sorge. Das liberale Koordinatensystem ist der überwältigenden Mehrheit so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, daß man froh um jeden nicht-liberalen Impuls sein muß. Karlheinz Weißmann hat stets und vehement vor der Verlockung liberalkonservativer Sirenengesänge gewarnt, und daran kann man sich getrost halten: Das Konservative, das Rechte, das Reaktionäre, das Unzeitgemäße, das Widerständige, das Immergültige muß gestärkt werden – in der AfD genauso wie gesamtgesellschaftlich.
Die AfD ist so erfolgreich, weil sie keine „Rechtspartei“ ist, sondern ihre Initiatoren aus der bürgerlichen Mitte kommen,
schreibt Dieter Stein, und weiter:
Es sind keine verkrachten Existenzen, Hasardeure, Borderliner, selbstverliebten Egomanen, wie man sie doch regelmäßig in europäischen Parteien des rechtspopulistischen Spektrums finden kann,
Worauf will er hinaus? Will er die Rolle eines Sittenwächters der Mitte übernehmen? Braucht die AfD einen Türsteher? Oder ist es einfach schon prima, mit dabei zu sein? Und überhaupt: Warum erinnert mich diese Diktion so verräterisch an das, was ich jahrelang aus dem Munde der JF-Gegner hörte? Hat man sich plötzlich deren Sprachregeln, deren Diffamierungskodex zu eigen gemacht? Oder soll das politisch besonders klug und reif klingen, so nach realpolitischer Flexibilität und neuem Realismus?
Die bürgerliche Mitte als Türöffner ist das eine. Daß sich hinter dieser Tür der Abgrund befindet, dürfte der JF nicht verborgen geblieben sein (das war jetzt polemisch: natürlich ist es ihr nicht verborgen geblieben). Hinter der Tür, die in die Parlamente und in die praktische Politik führt, hat sich bisher ungestört ein Teil jener Verantwortlichen aufgehalten, denen wir im Bereich der Zuwanderung, der Finanzkrise, der Euro-Politik, der Inneren Sicherheit, der Bildungspolitik, der Demographie die Zersetzung unseres Staates und unseres Volkes verdanken.
Ich bin also gespannt auf die ersten AfD-Reden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg: Diese Reden können nichts anderes als das Verlesen eines Katalogs des Versagens der Altparteien sein, und ein Aufruf zu einer Kursänderung um 180 Grad in den entscheidenden Punkten. Die Marginalien sind verhandelbar.
Genau dies wird der AfD dann nicht schaden. Sie kommt aus der bürgerlichen Mitte und hat dennoch Panik verbreitet, und zwar nicht der bürgerlichen Mitte wegen, sondern, weil ein Teil dieser Mitte das Versagen eben dieser Mitte nicht mehr mitansehen konnte. Wozu jetzt denen nachgeben, die weiterhin bei der CDU sind oder ebensogut wieder dort sein könnten (oder dort sogar schon waren?). Entweder man ist eine Alternative oder nicht.
Wenn Bernd Lucke auf die Frage nach einer Regierungsbeteiligung antwort: “Egal mit wem”, so muß man hoffen, daß die Konservativen, die nun gesiegt haben, ihm widersprechen: Zunächst mit keinem von denen. Nachgeben kann man und muß man in der Politik sowieso irgendwann. Aber sicher nicht in der Opposition und nicht als Sieger, den die Verlierer in den Monaten vor den Wahlen am liebsten an der Wand zerdrückt hätten wie eine Fliege.
Stein schreibt, daß nun die “Mühen der Ebene” folgten. Klar, was sonst? Indes: Auf dieser Ebene treibt man derzeit die Altparteien vor sich her, die beim Blick zurück eine Leiche namens FDP am Straßenrand liegen sehen.
rautenklause
Zu Steins Versuch einer Verortung jenseits der verkrachten Existenzen, Hasardeure, Borderliner, selbstverliebten Egomanen, wie man sie doch regelmäßig in europäischen Parteien des rechtspopulistischen Spektrums finden kann (denn nichts anderes ist diese sicherlich nicht abschließende Aufzählung aller Scheußlichkeiten ab-seitigen Seins) erinnert sich der geneigte und in die Jahre gekommene Beobachter fast schon zwangsläufig die Zeitschrift "MUT" und Bernhard C. Wintzek und deren Wandlung vom der von Schülern und Studenten als Zwei-Monatszeitschrift gegründeten nationalen Zeitschrift zum kulturbetulichen Hochglanzblättchen ... SSDD (Same Shit, Different Day)