bezeichnete den ziemlich schleimigen Michel Friedman als “schleimiges Etwas”. Habe ich eigentlich je erzählt, daß ich im Rahmen einer meiner frühen politischen Aktionen einmal vor Schülern in einer Diskussion gegen Friedman antreten mußte? Das war, als ich mit Ellen Kositza und anderen zusammen 1997 in Frankfurt gegen die Wehrmachtausstellung demonstrierte, die in der Paulskirche gezeigt wurde.
Friedman saß dann auf dem Podium neben mir und erzählte genau abgezirkelt vom Leid. Dann legte er mir die Hand auf den Arm und signalisierte Verständnis für das Problem, das ich wohl mit meinen Opas hätte, die ich hier verteidigte, usf. Das war, bevor man ihn in Berlin mit ein paar Nutten erwischte und er ins Ausland flitzte, weil die ukrainischen Mädchen eventuell noch nicht alt genug … oder so ähnlich, man mutmaßt ja bis heute.
Es fand sich dann auch noch Kokain, aber ein paar Monate später gabs bereits wieder eine welcome-back-Party, auf der anwesend waren (Auflistung mit damaliger Funktion): Dieter Stolte – Herausgeber der „Welt“, Günther Beckstein – Innenminister Bayern (CSU), Bärbel Schäfer – TV-Moderatorin und Friedman-Freundin, Klaus Wowereit – Berlins Regierender SPD-Bürgermeister, Angela Merkel – CDU-Partei- und Fraktionschefin, Volker Beck – MdB von Bündnis 90/Die Grünen, Michael Naumann – Chefredakteur „Die Zeit“ und viele mehr. Aber das nur am Rande.
Jedenfalls: Andre Poggenburg, der Sachsen-Anhalt-Landeschef der AfD, hat seinem Unmut Luft gemacht, facebook aber leider mit der Kneipe oder dem Telefon verwechselt, und einigen seiner hochrangigen Parteifreunde unterlief derselbe Fehler, jedoch auf deutlich tieferem Niveau.
Dies ist das generelle Problem sozialer Medien: Sie wirken, als habe man eine Standleitung in alle angeschlossenen Funkhäuser, und Andre Poggenburg ist wahrlich nicht der einzige, der rasch was so meldet, als wäre das mal eben über den Tisch im Großraumbüro geworfen. Das passiert sogar jenen, die seit Jahren auf facebook Freunde sammeln und wahlweise ihr Leibgericht oder die Anzeige der Waage ablichten, um Genuß und Verdruß mit den Fans zu teilen: Auch solche Profipublizisten müssen ab und an wieder aufwischen, was ihnen zu rasch aus dem Füller lief.
Man muß in derlei Peinlichkeiten eine grundsätzliche Überforderung des Menschen durch die Wirkungsweise der Maschine sehen und kann einem uralten Wettstreit beiwohnen: Wer hat wen im Griff?
Ich selbst – feige vor dem Wesen der Maschine und daher vollkommen abstinent, also weder bei facebook, noch bei twitter, xing, linkedIn oder einer anderen Bude – schwanke immer zwischen Häme (“selbst schuld!”) oder einer gütigen Äußerungswertung (gerade erfunden), die folgende Stufung kennt:
+ 1% Gültigkeit hat das, was Politiker über andere Politiker behaupten,
+ 5% Gültigkeit haben Äußerungen auf socialen Netzwerken,
+ 20% Gültigkeit haben mündliche Rede und Interview-Antworten,
+ 35% Gültigkeit haben Antwort-Mails, die binnen einer halben Stunde nach Lektüre verfaßt wurden,
+ 40%-90% Gültigkeit haben Äußerungen, die binnen zweier Stunden wieder gelöscht oder umgeschrieben werden.
+ 60% Gültigkeit haben Äußerungen von Schreibern, die nach Brot gehen,
+ 80% Gültigkeit haben Antwort-Mails, über denen eine Nacht geschlafen wurde sowie autorisierte Äußerungen in Interviews,
+ 95% Gültigkeit hat, was in Büchern steht, die nicht im Selbst- oder Bezahlverlag erschienen sind, sondern Lektorate durchlaufen haben, und der Inhalt echter Briefe.
+ 100% Gültigkeit haben .….….….….….….…..und “Patmos” von Hölderlin .….….…… Heideggers Seyn .…… .….….…. .….….….….… 4. Symphonie von Bruckner .….….….….…… .….….….….….…. Gottes ganz zu schweigen.
Realist
Politiker zeichnen sich ebenso wie Showstars (gibt es ein griffiges deutsches Wort für diesen Doppelanglizismus?) durch ein maßloses Geltungsbedürfnis aus. Diese krankhafte Veranlagung ist ihr wichtigster Antrieb, zugleich aber auch die Ursache ihrer oft tragischen Schicksale. Ungezählt sind die von Drogen und Depression dahingerafften Protagonisten aus Film und Musik, nachdem die kaltherzige Welt sich von ihnen ab- und neuen, jungen, frischen Harlekins zugewandt hat.
Politiker haben da den "Vorteil" im Rampenlicht stehen zu dürfen, bis sie zu alt und schwach zum sprechen geworden sind.
Die inhärente Schwäche aller mir bekannten menschlichen Ordnungssysteme liegt darin, daß eben die Individuen regelmäßig nach oben gespült werden, die zur Anführerschaft charakterlich denkbar ungeeignet sind. Gibt es dafür eine Lösung?
Begreift man soziale Interaktion als evolutionären Prozess, und die sozialen Netzwerke als Katalysator, so steht zu befürchten, daß im Ergebnis lediglich impulsive Psychopathen durch Psychopathen mit einem hohen Maß an Selbstkontrolle abgelöst werden.
Was Friedman angeht - dieser Mann verkörpert für mich wie kein anderer die Verrottung des herrschenden Systems bis in seinen innersten Kern.
Was die AfD angeht - sie hatten sowas von Recht mit ihrer anfänglichen Skepsis, Herr Kubitschek. Meine Prognose: Die Stimmanteile der AfD werden langfistig gegen 20% tendieren, ihre reformierende Kraft gegen null.