Abscheu, distinguiert und epitomiert: Klonovsky ist zurück

Dieser Tage, in denen sich ein „engagiertes“ Männchen (Einstieg hier; soviel denn auch zu The European...) sehr darum bemühte,...

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

ihn in einen shit­s­torm hin­ein­zu­zie­hen, hat sich Micha­el Klo­novs­ky mit einem neu­en Apho­ris­men­band zurückgemeldet.

Wer bereits den Vor­gän­ger „Jede Sei­te ist die fal­sche“ gele­sen und genos­sen hat, wird auch dies­mal nicht von der schnei­den­den Schär­fe sei­ner Bon­mots ent­täuscht wer­den. Wer den Autor bis­lang kom­plett igno­riert hat oder ledig­lich sei­ne pro­vo­kan­ten Ein­las­sun­gen im Focus kann­te, der ist mit der Lek­tü­re des aktu­el­len, im Wie­ner Karo­lin­ger-Ver­lag erschie­ne­nen Bänd­chens als Ein­stieg gut beraten.

Denn den Ein­band ziert nicht umsonst Eris, die grie­chi­sche Ver­gött­li­chung der Zwie­tracht. In den sechs Jah­ren, die seit dem Erschei­nen von „Jede Sei­te ist die fal­sche“ ins Land gegan­gen sind (und ihm per­sön­lich zahl­rei­che Anfein­dun­gen und Gän­ge­lun­gen gebracht haben), ist Micha­el Klo­novs­ky in sei­ner Sicht auf die Mit-Welt umso unnach­gie­bi­ger und här­ter gewor­den. Daß der Neu­ling den Unter­ti­tel des bei Licht­schlag erschie­ne­nen ers­ten Apho­ris­men­bands als Haupt­ti­tel führt, mag zu den­ken geben: Es ist nicht mehr die Zeit für Selbst­er­klä­run­gen und gut­mü­ti­ge Lese­an­wei­sun­gen. Jeder der im Buch ver­sam­mel­ten Sinn­sprü­che steht für sich allein, und anstel­le klu­ger Paro­len, die kna­cki­ge Tweets oder Face­book-Sta­tus­mel­dun­gen abge­ben, fin­den sich viel­mehr die Grenz­mar­ken eines geis­tig-kul­tu­rel­len Nie­mands­lan­des, das Todes­strei­fen und Ere­mi­ta­ge zugleich zu sein ver­mag. An sei­ner bewuß­ten Abseits­hal­tung, sei­ner expres­si­ven Los­lö­sung und sei­nem Man­gel an Ver­söh­nung läßt der poe­ta doc­tus Klo­novs­ky weni­ger Zwei­fel denn je, was sei­nen Gegen­warts­dia­gno­sen denn auch die pas­sen­de Zuspit­zung verleiht:

Der gym­na­sia­le Stun­den­plan im Traum des Pro­gres­si­ven: Lan­des­spra­che (jewei­li­ge); Freie Ortho­gra­phie; Geschlech­ter­ge­rech­te Mathe­ma­tik; Gen­der- und Trans­se­xua­li­täts­kun­de; Sozia­le Gerech­tig­keits­leh­re; Eman­zi­pa­ti­ons­ge­schich­te; Deut­sche Ver­bre­chen­s­kun­de (frü­her: Geschich­te); Erd­er­wär­mungs­leh­re; Demo­kra­ti­sche Rhe­to­rik; Drit­te-Welt-Kun­de; Anti­dis­kri­mi­nie­rung (frü­her: Ethik); Mul­ti­kul­tu­rel­les Bas­teln (frü­her: Kunst).

The­ma­tisch las­sen sich vier gro­ße Stoß­rich­tun­gen der ver­sam­mel­ten „Sprü­che und Pfei­le“ (Nietz­sche) aus­ma­chen: Der Nie­der­gang der Ehr­furcht vor gött­li­cher Tran­szen­denz, die Ero­si­on des part­ner­schaft­li­chen Ver­hält­nis­ses zwi­schen Mann und Frau zuguns­ten einer Kon­kur­renz zwi­schen den Geschlech­tern, die Eli­mi­nie­rung jeder Auto­ri­tät und Bin­dung als Grund­la­ge aller Umgangs­for­men – und zuletzt die Beschrei­bung des schlei­chen­den Nie­der­gangs euro­päi­scher Zivi­li­sa­ti­on in allen sei­nen Facet­ten. Dar­in suchen der Eife­rer und der mas­sen­mo­bi­li­sier­te Ham­pel­mann ver­geb­lich nach Lar­moy­anz oder Ansät­zen eines Wut­bür­ger­tums; Klo­novs­ky erschreibt sich viel­mehr die Aura des distin­gu­iert-distan­zier­ten Beob­ach­ters, der ledig­lich ab und an sein Miß­fal­len in weni­ge, pan­zer­bre­chen­de Sät­ze zu klei­den ver­sucht. Die­se rei­chen in ihrem Ton­fall von Gal­gen­hu­mor bis hin zu hand­fes­tem Ekel.

Der Satz: „Ich bin stolz, Deut­scher zu sein“, gilt als unsin­nig, weil sich ein Mensch auf frem­de Ver­diens­te nichts ein­bil­den dür­fe. Wie aber ver­hält es sich mit denen, die sich als Deut­sche wegen ver­gan­ge­ner frem­der Unta­ten zu schä­men vorgeben?

Gera­de dem umfas­sen­der bele­se­nen Kon­su­men­ten wer­den vie­le gedank­li­che Ansät­ze des Autoren bekannt vor­kom­men. Man­che ange­spro­che­nen Ent­ar­tun­gen der Post­mo­der­ne hat schon ein Noam Chom­sky in ver­nich­ten­de Sät­ze gefaßt, ande­re etwa ein Albert Camus. Nichts­des­to­we­ni­ger bleibt Klo­novs­ky ungleich anschluß­fä­hi­ger, als Deut­scher, vor allem aber auch als ehe­ma­li­ger DDR-Bür­ger! Sei­ne per­sön­li­chen Erfah­run­gen mit dem län­ger andau­ern­den der bei­den Tota­li­ta­ris­men auf deut­schem Boden des 20. Jahr­hun­derts fin­den immer wie­der ihren Nie­der­schlag in den Cha­rak­te­ri­sie­run­gen der heu­ti­gen Zeit und ihrer Impli­ka­tio­nen für die Zukunft. Das ist bei­na­he nie ange­nehm oder wenigs­tens amü­sant zu lesen, doch regt es alle­mal zum Nach­den­ken an.

Wir waren Nazis“, sag­te eine alte Frau zu mir, „weil Hit­ler uns Arbeit gege­ben hat.“ – Das sei heu­te noch so, erklär­te ich ihr, nur sei­en die Leu­te inzwi­schen Antinazis.

Der Dávila-Exeget Micha­el Klo­novs­ky hat sich mehr denn je das Dasein als unver­bes­ser­li­cher „Reak­tio­när“ auf den Leib gezo­gen, wes­we­gen er bei Karo­lin­ger deut­lich pas­si­ger erscheint als bei Licht­schlag. Dies aller­dings in einem durch­weg zurück­hal­ten­den Ges­tus, der sich nicht gemein­ma­chen will mit der markt­schreie­ri­schen Betrof­fen- und Empört­heit öffent­lich­keits­wirk­sa­mer Mario­net­ten; wer einen sei­ner sel­te­nen TV-Auf­trit­te erlebt hat, wird die­se Eigen­art zu schät­zen wis­sen. In einer gewis­sen Art und Wei­se ist auch das eine „ethi­zis­ti­sche Ich-Ver­pan­ze­rung“ (Wila­mo­witz-Moel­len­dorff) gegen­über den Zumu­tun­gen des All­tags und der mas­sen­in­di­vi­dua­lis­ti­schen Umge­bung. Inso­weit las­sen sich auch etli­che gedank­li­che Quer­ver­bin­dun­gen etwa zu Botho Strauß’ Medi­ta­ti­on über den „Plu­ri­mi-Fak­tor“ her­stel­len; die Par­al­le­len im Den­ken die­ser bei­den Klu­gen, denen ein wei­te­res Mit­mi­schen im bun­ten Pot­pour­ri der Unauf­rich­tig­kei­ten zu einem bestimm­ten Zeit­punkt auf allen Ebe­nen uner­träg­lich wur­de, über­rascht letzt­lich kei­nes­wegs. Da spielt es denn auch kei­ne Rol­le, daß eini­ge der zeit­lo­se­ren Sinn­sprü­che bereits im lite­ra­ri­schen Vor­gän­ger erschie­nen sind und infol­ge ihrer Per­sis­tenz hier wie­der­um ein­ge­bet­tet wor­den sind. Wer eben­so das wei­te­re Dahin­trei­ben satt hat, wird sich an die­sem Buch nicht selbst aus der Jau­che­gru­be unse­rer Gesell­schaft zie­hen kön­nen. Eini­ge Atem­pau­sen ver­schafft es gleich­wohl, und eben­so den geis­ti­gen Sti­mu­lus für ein eigen­mäch­ti­ges Umle­gen des Ruders: Zwie­tracht ist not! Har­mo­nie um jeden Preis ist nicht not.

Wenn man ein paar Sei­ten Haber­mas über Nacht in Zucker­was­ser legt, erhält man am Mor­gen eine Käß­mann­sche Predigt.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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Kommentare (4)

Michael K.

26. November 2014 17:12

Wo ist Klonovsky im TV aufgetreten? Würde das sehr gerne sehen.

Wegner:
Es gab vor drei Jahren eine Folge des SWR-"Nachtcafés", in der Klonovsky unter anderem mit Bascha Mika von der taz über Geschlechterrollen und Auswüchse der Emanzipationsbewegung diskutierte. Leider ist diese Sendung zumindest im offiziellen Onlinearchiv des Senders nicht (mehr?) auffindbar.

Dort zeigte sich allerdings deutlich, daß ein zurückhaltend-nachdenklicher Charakter wie Klonovsky vom affektierten Gehabe "talk"gewohnter Meinungsbildner schnell überrollt wird. Zumeist beschränkte er sich darauf, angesichts des Gesprächsverlaufs nur ironisch die Lippen zu schürzen.

Karolus

27. November 2014 11:03

Die von Andre Lichtschlag herausgegebene Zeitschrift 'eigentümlich frei' unterhält auch ein Videoprogramm, in welchem Carlos A. Gebauer Zeitgenossen interviewt. IN einem solchen Video kommen Pirinci und Klonovsky zu Wort.

Monika

27. November 2014 15:08

Ich bin ein Fan von Klonovsky und lese gerne die acta diurna.
Auch den Focus habe ich wegen seiner Ausführungen zum Islam gekauft.
Trotzdem für Interessierte eine kleine Ergänzung:

https://www.kath.net/news/48397

Ludwig W.

28. November 2014 00:45

Klonowsky hat ja sogar den Mut, das "Tabu aller Tabus" anzusprechen, wenn er schreibt:
"Wer die Reaktion eines Sklaven studieren möchte, frage einen festangestellten Historiker coram publico, zu welchem Zweck Stalin im Sommer 1941 die größte Armee aller Zeiten an der deutsch-sowjetischen Grenze hat aufmarschieren lassen"
Die Reaktion wäre tatsächlich sehr interessant. Denn selbst in Knopp-Sendungen zum zweiten Weltkriegen wird nebenbei erwähnt, dass die Deutschen gleich in den ersten Tagen mehr als ein Million Rotarmisten gefangen genommen haben. Die Tatsache wird also nicht bestritten, es wird aber dann nicht weiter gefragt.

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