Erfolgreich, weil die angestrebte 10.000er-Marke dicke geknackt wurde (trotz des medialen Drucks auf potentielle Mitmacher) und die Polizei die friedlichen Demonstranten vor den lauten Gegendemonstranten schützen konnte. Das Beeindruckende geht mit dem Langweiligen einher:
Es wird ja doch sehr wenig geboten. Ein langweiliger, ja häßlicher, definitiv nicht-repräsentativer Ort knapp außerhalb des Altstadtkerns, keinerlei Symbolsprache, dürftige, auch akustisch sehr leise Reden im Stil von Bürgermeisteransprachen, einfach nicht gut vorgetragen, nicht befeuernd. Nicht mal ein Lied! Doch die Leute blieben sehr artig und applaudierten. Alte, Junge, Männer, Frauen, Kinder, ein wirklich bürgerliches Panoptikum.
(Mein Sohn geriet kurz in die Scheinwerfer eines Fernsehteams. Ein supersuperwitzig als Ölscheich verkleideter Mensch bot ihm Tee an und fragte ihn, was ihn als Kind den auf diese Demo bringe. Und ob er denn wisse, was „Pegida“ bedeute. Wußte er. Nachher sagte er: „Mama, der hat ja so doof gefragt. Ich wär fast frech geworden. Aber dann dacht ich – vielleicht ist der ja doch wirklich ein Ausländer…und da hab ich’s mal runtergschluckt.“)
Mehrmals wurde in den drei Ansprachen betont, daß man keinefalls gegen „den Islam“ sei, niemals gegen „die Ausländer“. Daß man angesichts der islamistischen Gefahr nur Angst habe um das Vaterland. Mehrfach wurde gesagt, Frauenrechte sowie der Schutz jüdischer Bürger und Homosexueller seien Werte, der keinesfalls zur Disposition stehen dürfte.
Unter dem Stichwort PEGIDA kann man sich auf google news ein Bild machen, was die Medien zum gestrigen Abend schreiben, mit „Scharfmacher“ und „Islamfeinde“ geht es auf der konservativeren Seite (Die Welt) der Massenmedien los. Und dann die erste Nachrichtenmeldung in den Sechsuhrnachrichten heute früh, Staatsfunk:
Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach warnte die Bürger in der Zeitung vor einer Teilnahme an “Pegida”-Demonstrationen: “Man sollte sich nicht für extreme politische Ziele instrumentalisieren lassen, die man selbst nicht teilt.” Nach Ansicht von Bosbach geht es den Veranstaltern um die gezielte “Verankerung radikaler Ansichten in der Mitte der Gesellschaft”.
Herr Bosbach hält die Ziele und Hintergründe von Pegida als für undurchsichtig. Ich halte die Ziele und Hintergründe von Wolfgang Bosbach hingegen für undurchsichtig:
War’s nicht Bosbach, der jüngst für eine Verschärfung der Ausländergesetze plädierte? Pegida hingegen forderte nur eine Durchsetzung bestehenden Rechts. War’s nicht Bosbach, der immer vor „linksextremer Gewalt“ warnte? Die Linksextremisten sind jene Scharf- und Schrittmacher im „breiten Bündnis“ gegen Pegida, in das sich Bosbach nun aber einreiht.
2008 hatte Bosbach der ZEIT ein Interview gegeben, darin sagte er:
Das Wichtigste ist eine glasklare Abgrenzung, es darf da überhaupt keine Grauzone geben. Ein Konservativer hat mit Rechtsextremisten nichts, aber auch überhaupt nichts am Hut. Den Unterschied kann man sehr schön deutlich machen beim Thema Zuwanderung und Integration. Der Rechtsextremist sagt: “Ausländer raus!” Der Konservative aber sagt: “Bemüht Euch um Integration!”
Genau dieses Thema wurde auch gestern von den Pegida-Rednern aufgegriffen: Integriert Euch! Nicht der leiseste „Ausländer raus!“-Ruf war zu hören.
ZEIT: In dieser Grauzone bewegt sich auch ein Blatt wie die “Junge Freiheit”. Sie haben mal kategorisch gesagt, sie würden dieser Zeitung nie ein Interview geben…
Bosbach: … und dabei bleibt es auch! Die “Junge Freiheit” hat sich einige Zeit redlich darum bemüht, mich für ihre Zwecke einzuspannen, was ich immer abgelehnt habe. (…) Ich, weiß dass es richtig war, um diese Publikation einen Bogen zu schlagen.
Jener Bosbach war nun aber vor genau einem Monat Vortragsredner in der Bibliothek des Konservatismus. Die Bibliothek gehört zur Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF), deren Vorsitzender Dieter Stein ist. Stein ist bekanntlich zugleich Chef der Jungen Freiheit. Die FKBF berichtet auf ihrer Seite:
Der Begriff des Konservatismus sei Umfragen zufolge nicht mehr positiv besetzt, so Bosbach, und werde deshalb von manchen Unionspolitikern möglicherweise seltener gebrauchten als früher. Zudem müsse definiert werden, was „konservativ“ überhaupt bedeute. Er selbst verstehe darunter, nach einem Wort des Apostels Paulus, „alles zu prüfen, und das Gute zu behalten“. Was in diesem Sinne „gut“ sei, dürfe jedoch nicht nur am grünen Tisch erörtert werden, sondern müsse sich auch in der politischen Praxis bewähren.
Was ist wohl „gut“ im Sinne Bosbachs? Einzig und allein die eigenen Pfründe? Ich weiß um die schwere Krankheit von Herrn Bosbach. Das tut mir leid. Weiß auch, daß solch ein Leiden einen Menschen sehr schwach und labil machen kann. Aber muß er dann unbedingt raus damit, mit diesem Durcheinander?
JF-Blogger Christian Dorn war auch auf der Bosbach-Veranstaltung im November und kommentierte die Bosbachsche Vorstellung in lässiger Kürze:
…Tags darauf in der Bibliothek des Konservatismus zum Vortrag von Wolfgang Bosbach, der die Alternativlosigkeit der politischen Gegenwart schildert. Auf dem Heimweg, als die U‑Bahn die Station Märkisches Museum passiert, vernimmt meine innere Stimme automatisch: Merkelsches Museum.
Thomas Wawerka
Ich dachte, nur einer fährt, und dieser Eine wär Kubitschek, weil er im Armdrücken gewonnen hat ...
Was Herrn Bosbach betrifft: Ich war enttäuscht, dass er sich in den "Chor" einreiht. Ich habe ihn als konservativen und christlichen CDU-Mann immer geschätzt - SO sollte die CDU sein, habe ich immer gedacht, nicht so wie Typen, die sagen: "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen!" Pofalla vs. Bosbach, das schien mir der Inbegriff zwischen CDU auf Abwegen und guter, alter, ehrlicher, vernünftiger, bürgerlicher CDU.
Woher also dieser überraschende Schwenk? Wahrscheinlich glaubt er, was er sagt. Die Demonstranten können nur aus Ahnungslosen bestehen und aus Extremisten, die die Ahnungslosen mobilisieren, indem sie ihre "Angst" und ihre "Wut" instrumentalisieren. - Dass einer aus Gründen der Vernunft und nach reiflicher Überlegung gegen Islamismus demonstriert, scheint für Herrn Bosbach einfach nicht vorstellbar zu sein.
Gegen Extremismus demonstrieren ist Extremismus. Wer hat es geschafft, derartige Denkmuster so fest zu verankern? Und wie?
Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke.
Alles beginnt mit der Semantik.