Als ich stur drauf bestand, daß man nicht ohne Fahrschein in die Bahn steige! Den Lenin-Spruch, daß von den Deutschen keine Revolution zu erwarten sei, weil die vor dem Sturm auf den Bahnhof erst die Bahnsteigkarte lösten, hab ich mir im Verlauf des Abends ungefähr vierundzwanzig mal anhören müssen.
Mit rotem Kopf bestand ich auf Recht& Ordnung, währenddessen wir – brav am Automaten Karten lösend – eine Bahn fahren lassen mußten. Unterdessen tauchten nacheinander drei, vier sinistre Gestalten auf, die unsere noch zusammengerollten Fahnen bemerkten und sofort Eilmeldungen in ihre Apparätchen tippten. Ich finde: Alles sehr deutsch, sämtliche hier beobachtete Regungen.
Wir – 14 bis 56-jährig, fünf Frauen darunter- stiegen an der Station Leipzig/Markt aus. Ein Polizeitrichter öffnete sich am Ausgang. Wir hätten nach rechts gemußt, zum Augustusplatz, aber die Polizei ließ uns nicht durch. „Wohin sonst?“ – „Wissen wir nicht, müssen Sie ausprobieren“. Taten wir. Keine Polizei auf dem Weg entlang des Universitätsbezirks, dafür ein Spießrutenlaufen durch schimpfende Studenten, die uns für „Nazis“ und Rassistenpack“ hielten. „Ey, die Kositza, die Drecksfotze! Ungeziefer! Plattmachen! Nazibrut ausrotten!“
Über die Grimmaische Straße wollten wir – wo sonst? – zum Augustusplatz. Dort sperrte eine Polizeikette einen dichtgedrängt stehenden Antifa-Mob ab. „Say it loud and say it clear, refugees are welcome here!“, immer und immer wieder.
Kennt man den Kinderreim?: “Wir gehen heut auf Löwenjagd und haben keine Angst! (…) Wir können nicht drunter, wir können nicht drüber, wir können nicht außenrum! Nein! WIR MÜSSEN MITTENDURCH!“ Das ist ein heiteres Spiel mit Händen & Füßen, ich mach das seit 18 Jahren. Hier fand ich‘s weniger heiter, aber, pathetisch gesagt: Ich dachte an meine Kinder und ihr Spiel, während wir uns in die tobende Menge stürzten.
Auf pi-news hat ein LEGIDA-Teilnehmer, der auch seine Not mit der Rundum-Blockade hatte, geschrieben: Das seien doch fast noch Kinder, die der Polizeiabsperrung auf den Leib rückten. Ich sah es anders: Das waren nur Leute im fittesten, kräftigsten Lebensalter, Mittzwanziger. Wir drängelten durch. Erst wurde gequengelt: „Hier ist es schon voll, reiht Euch hinten ein!“, dann guckte einer genauer hin, und der Ruf „“Nazis sind hier!“ wurde rasch weitergetragen. Es hagelte Schubsereien und Tritte. Die Polizisten wollten uns nicht durchlassen. Meiner Freundin wurde die Brille aus dem Gesicht geschlagen. Die Polizei stemmte sich gegen die Demonstranten, ein Laternenpfahl begann zu wackeln, ich hörte es von links (männlich!) quengeln: „Du hast meine Genitalien berührt! Ich zeig dich an!“ und (weiblich) „Das war meine Brust! Deutsche Polizisten / alle Faschisten!“
Es dauerte zehn Minuten, bis wir durch diesen Flaschenhals waren, es war kurz nach sechs, der Augustusplatz noch sehr locker bestanden.
Über Smartphones war zu erfahren, daß es per Zug aus Chemnitz und Dresden kein Durchkommen gab, Linksextreme hatten die Verbindungen lahmgelegt. Hunderte (wer kennt ihre Zahl? Tausende?) mögliche Teilnehmer waren so schon weit vor dem Versammlungsort ausgebremst worden.
LEGIDA-Organisator Silvio Rösler sagte durch, ein neuer Zugang sei durch die Polizei geöffnet worden, man solle das per Telephon weitermelden. Doch da gab es längst keinen mobilen Empfang mehr.
Für mich ist unvorstellbar, wie „normale Bürger“, die eventuell allein oder zu zweit zur LEGIDA stoßen wollten, sich Zugang zum Versammlungsplatz hätten verschaffen sollen. Sie waren aber da. Vielleicht 5% derer, gern hätten teilnehmen wollen? Wie soll man‘s abschätzen?
Beispielhaft dieses Gespräch: Ein gutgekleideter Mann im Rentenalter, begleitet von einer Frau ähnlichen Alters fragt mich (wie etwa 20 andere) nach meiner Fahne. (Es ist die Fahne des Geheimen Deutschlands, die Fahne des Deutschen Widerstands, ein Entwurf Josef Wirmers aus dem Jahr 1944. Ich habe etwa zehn dieser Fahnen gezählt.) Ich antwortete & frage zurück: Wie man denn überhaupt durchgedrungen sei?
Er:„Ja, das ist kompliziert. Sie [zeigt auf die Dame] ist mit ihrem Mann Pro-PEGIDA. Das hat im Freundeskreis für ordentliche Diskussionen gesorgt. Nee – man darf ruhig sagen, es gab richtig Streit. Sie besteht darauf, daß PEGIDA ordentliche Positionen vertritt, und daß die Hetze und Gewalt von den Gegnern ausgeht. Ich muß Ihnen sagen, ich war bis vor einer Stunde noch anderer Meinung. Und zwar deutlich! Aber man muß es sich eben mal angucken. Wir haben uns durchgeboxt, anders kann man es nicht sagen. Sie haben mir meinen Hut weggerissen, die haben mich ordentlich durchgemöbelt. Gibt Schlimmeres. Woher die Gewalt kommt,- ich hab dazu keine Frage mehr. Mit diesen Leuten kann man nicht reden. Das, die selbsternannten Linken, das sind die Erben des Faschismus. Jetzt warte ich auf die Reden. Meine endgültige Meinung bilde ich mir erst, wenn ich gehört hab, ob hier gegen andere Völker und Religionen gehetzt wird oder nicht.“
Klar – wurde nicht. Nach zwei Reden (Jürgen Elsässer und Leif Hansen) begann der Spaziergang. Ich ging an zwei unterschiedlichen Positionen: Einmal umgeben von Bürgerlichen, dann unter Leuten, die ich grob als Hools charakterisieren möchte. Dort, bei letzteren, fühlte ich mich nicht ganz zugehörig. Leute, die sich extrem breitbeinig machten, wo Gegendemonstranten mit ihrem „Haut ab!“-Geheul den Weg flankierten. Immer wieder wurden aus Fenstern und von Balkonen finstere Parolen gerufen, und die gepiercten jungen Männer vor mir, die Arme so weit vom Körper gehalten, als hindere Muskelmasse sie, Fühlung mit dem Rumpf zu halten, grölten uncharmant zurück: „Spring! Spring!“, teils auch Unflätiges.
Soweit ich gesehen haben, flogen Flaschen und Böller nur aus der Gegner-Richtung ; ich habe eine große Scherbe von meiner Pudelmütze gepflückt. Ein (schweigend gehender, streng seriös wirkender) Gangnachbar entgegnete mir, als ich Unmut über die rauhen Gesellen in unseren Reihen äußerte, fast scharf: „Was erwarten Sie? Solcher Druck erzeugt Gegendruck. Es sind junge Männer. Die reagieren völlig natürlich. Sie können ja wohl nicht erwarten, daß sich nur Herz-Jesu-Christen hier einfinden. Die haben nicht angefangen. Sie müssen mal zuhören und sortieren: Die anderen krakeelen, die bei uns rufen nur zurück.“
Neu gehörter Schlachtruf neben den bekannten „Wir sind das Volk!“ und „Schließt euch an!“: „Wer Deutschland nicht liebt – soll Deutschland verlassen!“
Zurück am Augustsplatz dann Kubitscheks Rede, abschließend ein Mann, der mit weicher Stimme und schönen, wirklich eindringlichen Begleitworten („Gott segne uns! Gott segne Deutschland!“, neben mir wurden Taschentücher gezückt) die Nationalhymne anstimmte.
Die Polizei sicherte unter lautem und andauerndem „Danke!“-Rufen einen Korridor zum Hauptbahnhof. Kleine Szene am Nebeneingang: Drei Punks mit Bierflaschen pöbeln die vorbeiziehenden Hundertschaften der Legisisten an: „Ey, was seid ihr für durchgeknallte Idioten!“ Die wissen ganz gut, daß sie auf friedliche Leute treffen. Einer ruft zurück: „Ja, aber gute Idioten, wenn schon! Mußte mal kapieren!“
Die S‑Bahn hält auf freier Strecke, im Tunnel. Linksradikale hatten Brände im City-Tunnel gelegt und die Oberleitung sabotiert. Einer von uns liest von seinem Apparat die news ab:„LEGIDA zeigt ihr gewalttätiges Gesicht: Kamera eines Journalisten schwer beschädigt.“
Wir stehen lange, letztlich über eine halbe Stunde. Friedrich aus unserer Gruppe packt seine Klampfe aus. Er hat ein „Lied für Pegida“ komponiert und gedichtet, er singt es vor. Aus allen Abteilen strömen Leute heran. Friedrich spielt und singt, die ganze S‑Bahn kennt bald den Refrain, es ist fröhlich und laut. Nachher wird aus hundert Hälsen “Die Gedanken sind frei gesungen”, dann dirigiert einer von uns Eichendorffs “O Du stille Zeit”, die S‑Bahn-Fahrer haben es sich zweistimmig beibringen lassen. Auch die, die vorher rülpsend dasaßen. Das Volk.
Hartwig
Ich möchte einen Punkt aufgreifen: Die "Radikalen und/oder Hooligans".
1) Sie schaden durch ihre Gewaltbereitschaft (oder sollte man besser sagen, nicht 100prozentige Friedfertigkeit) der PEGIDA-Bewegung im engerem Sinn, in dem sie es dem politischen Gegner ermöglichen, die Bewegung zu kriminalisieren.
2) Sie gehören im weiterem Sinn der Bewegung an. Das sollte weder geleugnet werden noch sollte man das bedauern.
3) Gewalt wird früher oder später Bestandteil der Auseinandersetzung werden. Ob das dann noch PEGIDA oder HOGESA heisst, steht dahin. Die Gegenseite wendet bereits Gewalt und Sabotage an. Sie tut es ungeniert, denn sie hat die Macht. Die alltäglichen linksextremen Exzesse sind Bestandteil im Planspiel des Establishments. Das wird sich noch verstärken.
4) Sie, die Hools, sind unangenehm und oft unintelligent. Sie sind ebenfalls nicht selten feige bei der Auswahl ihrer 'Opfer'. Das sollte man anprangern und, so man kann, verhindern. Aber bei der fortschreitenden Polarisierung würde ich sie viel lieber in die Bewegung integriert sehen. So kontraproduktiv sie gelegentlich sein mögen, so gehören sie doch zu 'unserer' Seite.