nicht mehr ordentlich telephonieren. Bereits Anfang Dezember hätten wir – als eine der letzten Regionen Deutschlands! ‑ans schnelle Internet angeschlossen werden können. Wollte Kubitschek aber nicht, was für Augenverdrehen in Familie & Büro sorgte, hieß es doch, zunächst weiterhin mit 5 Gigabyte pro Monat auszukommen. Kubitscheks Grund: Wir können uns nicht leisten, daß im Weihnachtsgeschäft durch die Umstellung was schiefgeht.
Was sollte schon schiefgehen? Leben wir in Deutschland oder in der Dritten Welt? Nun wurden wir vor ein paar Wochen „umgestellt“ (Worte des Technikers: „bin gespannt, ob es klappt. Meistens klappt‘s nicht, wenn mehrere Apparate dranhängen“) – und natürlich ging alles schief.
Anrufer brauchen zahlreiche Versuche, um durchzukommen. Bei uns klingelt es dadurch permanent, und nur selten ist einer „dran“ – der dann freilich genervt ist, daß er es x‑mal probieren mußte. Daß wir oft überhaupt nicht raustelephonieren können ist auch unerquicklich, dadurch haben wir uns nach langer Abstinenz ein Mobilgerät anschaffen müssen. Witzig war maximal in den ersten Tagen, daß allabendlich eine SMS der Telekom ankam: „Wir konnten ihr Problem heute leider nicht lösen und kümmern uns morgen weiter drum.“
Können „die“ nicht endlich mal den seit Wochen versprochenen Techniker vorbeischicken? „ Joahh… Techniker…- das kostet dann halt Geld.“ Demgegenüber würde man gern all jene Stunden (und die entgangenen Aufträge) in Rechnung stellen, die einem durch das faktische Nichtfunktionieren einer Telefonleitung verursacht wurden. Ich bleibe Kulturpessimist aus Überzeugung. Morsen kann ja leider keiner mehr. Ich berherrsche noch Rauchzeichen, hilft aber auch nichts.
13.4. 2015
Wir haben nun also ein Handy, gar ein smartes. Allerdings ein ererbtes, dessen Akku nicht funktioniert. Zum Glück sind wir in Offenbach, wo es anders als in Schnellroda „Handyläden“ gibt. In den großen Läden mit den Markennamen können sie mir nicht weiterhelfen. Betrete einen kleines Geschäft. Mein erstes Mal: daß ich wirklich mit “salem aleikum” begrüßt werde!
Meine Kinder strahlen. Offenbach ist für sie immer eine beliebte Kulturfernreise, und diese Begrüßungsformel kennen sie aus Büchern! Vorher waren wir auf dem Flohmarkt gewesen und haben uns mit allerhand Kram & vor allem Eindrücken eingedeckt. Da herrschte auch Sprachgewirr vom feinsten, aber eben nicht diese leicht decodierbare Formel: Salem aleikum!
Der Herr in feinem Zwirn versteht unser Anliegen nicht und verweist uns an seine Mitarbeiterin. Die versteht es so halb und vermittelt uns an einen weiteren Kollegen, der hervorragendes Deutsch spricht, aber leider nicht den passenden Akku liefern kann. Der fünfte Versuch führt in ein sogenanntes Ein-Euro-Geschäft, schummrig ausgeleuchtet.
Aus einem kleinen CD-Spieler tönt ein Gebet – in meinen Ohren eine Art orientalischer Rosenkranz. Der freundliche Herr mit Turban hinter dem Tresen versteht unser Anliegen, tut sich aber selbst schwer mit deutse Sprag. 15 Euro soll der Akku kosten. Ich sage (es entspricht der Wahrheit), ich hätte gehört, ein Akku koste 10 Euro. Ein weiterer Mensch wird hinzugerufen. Der sagt, hm, mit zehn Euro wäre man heute einverstanden.
„Darf ich fragen, was das eigentlich ist? Ein Gebet?“ Ich deute auf den CD-Spieler. – „Indisch.“ Sohn, draußen: „Theoretisch könnte ich in der Schule erzählen, ich war gerade unter anderem auf einem indischem Basar, oder?“ Halbwegs, sag ich. Der Basar gehört eigentlich woandershin. Tochter, wissend: „Nicht nach Indien, meinst Du, gell? Persien, oder?“
17. 4. 2015
Bin eingeladen, einen Vortrag auf dem Landesparteitag der AfD zu halten. Seltsame und neuartige Erfahrung, daß fünfzehn Stunden, die man ausschließlich sitzend (Hin-und Rückfahrt mitgerechnet) verbringt, sehr interessant sein können. Man könnte einen Roman, mindestens eine Erzählung, allermindestens aber ein Langgedicht über die Eindrücke verfassen.
Nach längerer Debatte stellt sich der Landesverband deutlich hinter die „Erfurter Resolution.“ Anschließend, nach einigen Reden, entbrennt eine Debatte über Asylpolitik. Ich muß an die „Mauer in den Köpfen“ denken, als ein Herr sich wiederholt zu Wort meldet und (entgegen der Stimmung im Saal) fragt, woher denn die „Angst in den Herzen“ käme vor den Fremden, was man gegen diese Angst zu tun gedenke? Und woher die Scheu käme, die Herzen ganz weit zu öffnen für die, die da kämen?
Der Herr spricht mit hörbar hessischem Einschlag. Da ist sie wieder, die „Mauer“, die auch beim Ost-West-vergleich der Pegidas deutlich geworden ist. Drei Antwortvariationen werden laut: Warum uns gleich immer eine „Phobie“ andichten? Wieso der Angst ihre Berechtigung absprechen? Und: Wieso sich überhaupt auf das „Angst“-Argument einlassen? Wenn wir mehrheitlich keine Menschen ohne Asylgrund einlassen wollen, reicht dieses Bekunden ohne weitere Begründung, punkt. Alles andere wäre undemokratisch.
18.4. 2015
Weil eine israelische Wissenschaftlerin eine Studie veröffentlicht hat, in der 23 Frauen begründen, warum sie es bereuen, Mutter geworden zu sein, ist dazu auf twitter ein hashtag #regrettingmotherhood entstanden und vor allem eine äußerst rege Großartikelschreiberei in den Printmedien. Das liest sich beispielsweise (hier aus DIE WELT)so:
Ich verzichte eigentlich auf alles, was ich selbst gerne mag. Ich stecke grundsätzlich zurück in der jetzigen Situation. Ich habe morgens keine fünf Minuten für mich. Ich kann nicht mehr essen, was ich möchte. Ich kann nicht in dem Job arbeiten, den ich gelernt habe. Ich kann meine Freizeit nicht frei gestalten und einfach mal zur Nordsee fahren, wenn mir danach ist. Ich kaufe Clara Kleidung, nicht mir. Ich hätte nie gedacht, dass mich das so stören würde. Natürlich wusste ich, dass es mit Kind Einschränkungen geben würde. Ich wusste aber nicht, dass mich diese Einschränkungen so berühren würden. So sehr, dass ich sagen muss: Für mich war es die falsche Entscheidung, Mutter zu werden.
Einlassungen dieser Art finden sich derzeit in Unzahl, mag man sie offenherzig, ehrlich und authentisch nennen – oder aber schockierend. Ich hole mir wieder meinen Otto Weininger hervor und schmökere über die von ihm kostatierten emotionalen, intelligiblen, musikalischen etc. Unterschiede zwischen M und W.
W gehe Heroismus, Logik, ein Bedürfnis nach Unsterblichkeit und auch, man höre, Pietät „völlig ab“. Ihm (dem Weib) fehle zudem jegliches „intellektuelles Gewissen“. Weininger war natürlich krass. Krass finde ich allerdings auch die Entscheidung des Verlags (Matthes &Seitz), ein Zitat des vor einem Jahr verstorbenen Philosophen Manlio Sgalambro auf den Rücktitel zu setzen:
„Von den beiden Frauen, die Weininger unterscheidet, die absolute Mutter und die Hure, ist es in der aktuellen Phase unserer Kultur der zweite, der sich durchsetzt, in einem Grade, daß man ganz folgerichtig den Zeitpunkt vorausahnen kann, zu dem die „Mutter“ verschwunden sein wird und die andere an ihrer Stelle triumphieren wird als die Unfruchtbare, in der die Idee der Mutterschaft erloschen ist.“
Auch in meinem gestrigen Vortrag vor der AfD habe ich draufhingewiesen, daß es eine (mittlerweile naiv zu nennende) Illusion sei, durch jedwelche familienpolitische Maßnahme die Geburtenquote nennenswert zu steigern. Es gibt keine Korrelation zwischen “Maßnahmen” und Lust auf Kinder.
„Wollt ihr mehr Geld?“- „Nein!“
„Wollt ihr mehr Vereinbarkeit, noch mehr Krippen?“ – „Nein!“
„Was wollt ihr dann?“ – „Freizeit, Kleidung kaufen, Spontanurlaub!“
Innerer Exilant
Offenbach . . . hm . . . war das nicht die Stadt, deren kultureller Hauptexport aus dem semikriminellen Kurdenrapper "Haftbefehl" besteht ?