Die Lager werden natürlich manichäisch verteilt: die “Unanständigen” (die gerade massenweise der FPÖ zulaufen) gegen die “Anständigen”, die bösen Unmenschen gegen die barmherzigen Engel, also “Haß gegen Hilfsbereitschaft”, was auch heißen soll: Haß auf Hilfsbereitschaft.
In diesem Videoblog, eine Art Teaser zum Heft, fragen sich zwei Mitarbeiter der Zeitschrift, woher denn die “enorme Spaltung in Österreich” käme und was da wohl um Himmelswillen “schiefgelaufen” sei. Die Antwort: schuld sei natürlich die altbekannte, österreichtypische “Volksseuche Ausländerfeindlichkeit” und die “extreme rechtspopulistische” Partei im Lande, die es angeblich sonst nirgends in Europa in dieser Heftigkeit gäbe.
Das war vorhersehbarerweise im Kern alles, was die Redaktionsilluminaten dazu zu sagen hatten, aber gut: das profil ist auch ein selten dummes, seichtes, stromlinienförmiges, seifiges, selbstgefälliges Blatt, sogar für österreichische Verhältnisse. Und wie immer bemerken die Meisterdurchblicker dieser Art nicht, daß sie mit ihren “einfachen Antworten auf komplexe Fragen”, um eine beliebte Phrase aufzugreifen, erheblich dazu beitragen, die Polarisierung weiter zu befördern.
Denn diese findet in der Tat statt, was angesichts des derzeitigen Stroms an Einwanderern und Asylanten, die momentan in noch das kleinste Nest verteilt werden, kein großes Wunder ist. Ein Ende ist kaum abzusehen, auch wenn Innenministerin Mikl-Leitner kürzlich einen Stopp der wuchernden Asylantragsverfahren verkündet hat. Das war weniger eine Notbremse als ein Zwischenstopp, ein Akt der Hilflosigkeit und Überforderung.
Während landesweit ganze Zeltlager errichtet wurden, um die hereinströmenden Massen aufzufangen, gab Mikl-Leitner im Mai bekannt, daß zu diesem Zeitpunkt über 300 Asylanträge pro Tag gestellt würden – in drei Monaten hätte man mit solchen Zahlen bereits eine Kleinstadt in der Größe von Bregenz beisammen. Wer kann auch nur eine Sekunde glauben, daß das gutgehen kann? Wer kann auch nur eine Sekunde behaupten, daß das verantwortbar und zumutbar ist?
Derzeit ist nirgendwo zu erkennen, daß die verantwortlichen österreichischen Politiker in irgendeiner Weise gewillt sind, angesichts dieser Tatsachen eine klare Haltung einzunehmen. Man wurschtelt weiter, verrenkt sich, drückt sich vor Entscheidungen, reicht die schwarzen Peter im Kreis herum. Verunsicherung und Gereiztheit steigen täglich wie eine Fieberkurve. Ventile gibt es wenige – als Abflußbecken dienen zumindest die Kommentarspalten sämtlicher Leitmedien, in denen es augenblicklich heftig rumort.
Ein Autor der Netzseite Identitäre Generation drückt es ganz gut aus:
Dass der Flüchtlingsstrom außer Kontrolle geraten ist, ahnt man anhand viral gegangener Amateurvideos aus angrenzenden Ländern, in welchen LKW kapernde, aggressive Flüchtlinge zu sehen sind. Selbst die Wahlen wurden durch die flutartige Berichterstattung überschattet.
Als tagespolitischer Beobachter hat man seit den letzten Wochen vermehrt den Eindruck, dass sich die vielfach kritisierte Schlucht zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung langsam wieder zusammenzieht. Die Propaganda der Herrschenden und Meinungsmacher – des liberalistischen Establishments – verliert ihre Glaubwürdigkeit, das Bild des Hilfe und Schutz suchenden, traurig dreinblickenden, afrikanischen Kindes weicht dem der Ansammlung, zumeist männlicher, smartphonebestückter Dunkelhäutiger in überraschend modebewusster Kleidung.
Auch stark viral gegangene Bilder, wie das des von Islamisten enthaupteten Fabrikmitarbeiters in Lyon, stürzen die Propagandisten der forcierten Einwanderungspolitik in Erklärungsnot. Das Gefühl relativer Sicherheit, dass islamistischer Terror ein Problem weit entfernter Länder sei, schwindet. Auf einmal rückt der Terror, mit einem gewaltigen Ruck, vor die eigene Haustüre. Auf einmal weicht dem Gefühl der relativen Sicherheit die Ahnung, Probleme anderer Länder in das eigene importiert zu haben.
Von einer sich stetig zuspitzenden Polarisierung berichtet mir auch ein Leser aus Österreich, Anfang Dreißig und in seinem überwiegend linksliberalen Freundeskreis ein Art “rechtes” U‑Boot, von der Front der “sozialen Netzwerke” wie Facebook (die ich selbst nicht benutze). Diejenigen, die sich selbst als die “Anständigen” und zumindest theoretisch “Hilfsbereiten” sehen, bombardieren sich nach seiner Auskunft seit Wochen wie die Verrückten mit einschlägigen Links, Artikeln und Kommentaren, um sich wechselseitig die eigene humanitär-korrekte Haltung bestätigen.
Beliebt seien Artikel wie etwa dieser, verfaßt von einer jungen Anwältin, die offenbar auch gewisse wirtschaftliche und berufliche Eigeninteressen an einer nicht allzu restriktiven Einwanderungspolitik hat:
… Rechtsanwältin in Wien und Mitglied des Pro Bono Projekts”Netzwerk Asylanwalt”. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Fremden- und Asylrecht, Staatsbürgerschaftsrecht sowie Verfassungsrecht und Grundrechtsschutz, worauf sie sich bereits während ihres Doktorats spezialisierte.
Der Leser berichtet mir, daß Texte wie diese von ganzen Schichten von studierenden und studierten, meist gutbürgerlichen Leuten zwischen 25 und 35 für intelligent oder vorbildhaft gehalten werden. Ähnlich dürfte es um das Selbstbild der Autorin beschaffen sein, denn ihr Artikel beginnt so:
„Ich bin ja nicht ausländerfeindlich, aber…“ – Noch nie habe ich auch nur einen einigermaßen intelligenten Satz gehört, der mit diesen Worten eingeleitet wurde.
Ein Non-Sequitur übrigens, denn im folgenden erfahren wir nicht, was an dieser Satzeinleitung so verwerflich sein soll. Also: gehen wir das symptomatische Teil mal durch – gerade weil es so mittelmäßig ist, ist es so typisch. Wie viele “Hilfsbereite” hat die Autorin offenbar in letzter Zeit eine gehörige Ladung an Anfeindungen abgekommen:
Ich bin viel online und da liest man so Einiges. Ja, man kann dem Thema Migrationspolitik selbst als politisch relativ uninteressierter Mensch eigentlich kaum ausweichen. Ich lese einen Artikel, er muss nicht einmal per se politisch sein und werfe unwillkürlich einen Blick auf darunter geführte Forumsdiskussionen, die einer verbalen Steinigung gleich kommen.
Die angemaßte Märtyrerrolle, mit der sie sich subtil auf ein moralisches Podest stellt, wird schnell pro forma relativiert, allerdings mit einem gewissen Hintersinn, der bald deutlich werden wird.
Das Wort „Steinigung“ verwende ich in diesem Kontext mit großem Unbehagen, kenne ich doch persönlich Menschen, die aus Ländern fliehen mussten, wo ihnen gerade derartige Folter real droht. (…)
Der Text beginnt also schon mit einer offensichtlichen Heuchelei: wenn der Genossin das Wörtchen “Steinigung” wirklich so “großes Unbehagen” bereitet, dann soll sie eben ein angemesseneres verwenden. Die Absicht ist hier natürlich, die eigene ungeheure Empathie und Sensibilität herauszustreichen, ebenso wie den Leidensdruck ihrer Mandanten.
Es fällt mir, auch wenn ich die derzeitige Diskussionskultur in Österreich beobachte, nicht schwer, mir vorzustellen, dass Menschen im Schutz des Kollektivs zu derlei (nicht nur verbalen) Grausamkeiten fähig sind.
Mit diesem Satz werden im Vorübergehen alle, die im Internet kritische Kommentare schreiben, die ihr nicht gefallen, als potenzielle Folterknechte ausgemacht, obwohl sie noch im Absatz vorher betont hat, wie schrecklich relativierend solche Begriffe angesichts wirklicher Grausamkeiten sind.
Nun wird allmählich klar, daß hier jemand schreibt, der das Bedürfnis hat, sich selbst zu rechtfertigen. Denn es handelt sich hier, wie gesagt, um eine Person, die aktiv daran beteiligt ist, die Einwanderungsschleusen noch weiter zu öffnen, als ohnehin sie bereits sind:
Die Gesetze über die Zuwanderung und die Gewährung von Schutz sind fast unlesbar geworden, sie sind unverständlich, schwer anwendbar und wie Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes belegen, teilweise sogar menschenrechtswidrig.
Ich arbeite aus Überzeugung in einem Rechtsbereich, der von großen Teilen der Bevölkerung verurteilt und sogar von vielen Kolleg*innen bestenfalls ignoriert wird.
Man beachte das Sternchen vor den “innen” – der letzte Schrei der gendergerechten Schreibweise, denn es inkludiert auch die transsexuellen Identitäten. Das zieht sich musterschüler*innenhaft durch den ganzen Text hindurch, eine Fleißübung für diejenigen, die die Klassenbesten der laufenden Trends sein wollen.
Wenn Menschen mich nach meiner Arbeit fragen, interessieren sie oft nicht die unfassbaren menschlichen Schicksale dahinter, sondern es ist immer eine wiederkehrende Frage: „Wer bezahlt Euch das eigentlich?“
Das ist es, worauf es hinausläuft: die Profis aus der Asylsparte müssen sich immer wieder vorwerfen lassen, ein Business unter anderen zu betreiben, woraufhin sie natürlich ihren Idealismus und ihre geradezu unfaßbare Übermitmenschlichkeit hervorkehren müssen. Champions des Mitgefühls sozusagen, deren Motive schnöde verkannt werden.
Ich überspringe den Rest und komme zu zwei typischen Einwänden, denen die Autorin zu antworten versucht:
„Wir können doch nicht alle nehmen“ – Ja, alle Migrant*innen dieser Welt nicht, das wäre ebenso unsinnig wie auch faktisch unmöglich.
Das ist faktisch eine Nicht-Antwort. Denn offen bleibt weiterhin die Frage, wann die Grenze der Kapazitäten erreicht ist, wer bestimmt, wann es genug ist, wie lange die “Asylanten” bleiben werden, ob sie überhaupt wieder gehen werden (die Erfahrung lehrt bisher eher das Gegenteil), ob man die Menschenrechte als Rammbock gegen die Bürgerrechte mißbrauchen darf usw., und offen bleibt auch die Frage, wieso man den munter sprudelnden Hahn noch weiter aufdrehen soll, wie es die Autorin und ihresgleichen offenbar wünschen.
Die Antwort auf den zweiten Einwand muß man sich langsam auf der Zunge zergehen lassen:
Nein, auch ich habe keine syrischen Familien in meiner Wohnung aufgenommen. Aber ich würde ohne zu zögern vorübergehend meine Freund*innen aufnehmen und sogar einige meiner langjährigen Mandant*innen, wenn es notwendig wäre, um sie vor Obdachlosigkeit zu bewahren. Das ist einfach nur menschlich.
Auch das ist nüchtern betrachtet ein klares Nein auf eine Frage, die sich die Aktivist*innen und Lobby*istinnen dieser Art zu Recht immer wieder anhören müssen, und die etwa so lautet: Wenn ihr so darauf erpicht seid, diese Menschen aufzunehmen, warum tut ihr das nicht selber, in euren eigenen Häusern? Warum verlangt ihr immer, daß jemand anders den Preis dafür zahlen und eure Anstrengungen ausbaden soll, nämlich die Bevölkerung, die das nicht will, der diese Politik aufgezwungen und die über die Mitleidstour und die Moralkeule erpreßt wird?
Und Antwort unserer Autorin ist allen Ernstes, daß sie – “Freund*innen” (!) “vorübergehend” (!) aufnehmen würde, und von den Mandant*innen nur die “langjährigen”, also mit anderen Worten: diejenigen, die sie gut kennt. Na gut. Oder vielmehr: na eben. Wie die meisten anderen Menschen auch, auch die, die keine Freude an dem ansteigenden Asylstrom haben. Daß unsere Anwältin damit auf burleske Art der eigentlichen Fragestellung ausgewichen ist, muß wohl nicht weiter erläutert werden.
Und nun das Schlußwort:
Ich argumentiere hier nicht für Rechts oder Links. Ich erzähle nur vom Leben und von Menschen, die ich kennengelernt habe und die meinen Horizont bereichert haben und plädiere für ein bisschen Respekt. Im Internet und im Alltag.
Und nun sitze ich hier und warte auf den ersten Stein.
Mit dem letzten Satz schlüpft die Autorin erneut in die Opferrolle, und stellt sich zumindest latent auf eine Stufe mit den Steinigungsopfern arabischer bzw. islamischer Länder (das könnte man vielleicht in aller Deutlichkeit dazu sagen, aber das wäre dann wohl “islamophob”), obwohl ihr solche unbotmäßigen Vergleiche angeblich “großes Unbehagen” bereiten. Und der Satz davor betont erneut, daß sie doch einfach nur mitfühlend, menschlich und hilfsbereit und sonst gar nichts ist und sein will.
Der Witz ist: ich glaube ihr das sogar, einmal abgesehen von dem Eigeninteresse, das hier sicher auch eine Rolle spielt. Aber es ist oft schwer zu sagen, wo die Naivität in die Fahrlässigkeit übergeht. Hier ist zudem ein Grad erreicht, wo die eigene Unaufrichtigkeit und Unredlichkeit kaum mehr als solche erkannt werden, obwohl sie zum Himmel schreien.
“Menschlich” dient Leuten dieser Art als Zauberwort, um jegliches Nachdenken zu bremsen, und jeden Einwand als “unmenschlich” und jeden Kritiker als “Unmenschen” abzuqualifizieren. Sie können nicht begreifen, warum ihnen für solche Manöver im Verbund mit ihrer einwanderungsfördernden Tätigkeit ein derartiger Haß entgegenschlägt, wie alle, die in derselben Luftblase sitzen.
Vielleicht sind einige von ihnen verunsichert und bekommen allmählich ein schlechtes Gewissen, und ich würde mich in der Tat nicht wundern, wenn das bei der Autorin der Fall wäre. Die christliche Konnotation, die sie in ihre Selbstdarstellung eingeflochten hat, bezieht sich immerhin auf eine Evangeliumsstelle, in der es heißt: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.
Ich habe sie nicht beim Namen genannt, weil es nicht meine Absicht ist, sie persönlich anzuprangern. Sie ist für sich genommen unbedeutend, nur ein Zahnrädchen unter vielen, aber sie steht für tausende andere, die mit einem ähnlich “bereicherten”, dabei auffallend beschränkten Horizont Löcher in den Boden des Schiffes bohren, in dem sie selber reisen.
Dabei kann man nicht oft genug daran erinnern, daß die Lage viel ernster ist, als in den laufenden Diskussionen überhaupt zur Sprache gebracht werden darf.
Monika
Die Polarisierung "Hasser" gegen "Hilfsbereite" oder umgekehrt verläuft auch durch die Familien und durch den Bekanntenkreis. Ich kenne auch Leute, die zwischen beiden Polen hin und hergerissen sind.
Ich gehe mal davon aus, daß die meisten Menschen eher hilfsbereit sind und auch nicht hassen wollen. Daß jetzt auch zunehmend "Gutmenschen" an die Grenzen der Toleranz gestoßen werden, zeigt eher, daß die politisch Verantwortlichen keine Lösungen haben und diese wohl auch nicht wollen.
Und das Versagen der Politik ( auch im übernationalen Bereich) wird dem Einzelmenschen über dessen Vermögen hinaus aufgebürdet.
Da hat der linke Gutmensch im Rotweingürtel ( um beim blöden Klischee zu bleiben) weniger Leidensdruck als der Durchschnittsbürger im Problemviertel.
Die Polarisierung indes wird zunehmen und der Wind wird rauer.
Ich ergoogelte aus Interesse mal die Konferenz von Évian. Gewisse Ähnlichkeiten fallen doch ins Auge. Aber auch verblüffende Unterschiede: