und teils widersprüchlichen Bild die Rede ist, das unser politisches Milieu derzeit biete. Vier Fragen bilden den Schluß des Schreibens, und ich will sie nun öffentlich beantworten, denn sie sind wohl von allgemeinem Interesse:
1. Frage: Was hindert das IfS, spalterische Tendenzen im rechten Lager zu begegnen, zu überwinden und Bündnisse zu schließen?
Antwort: Vielleicht gibt es im rechten Lager keine Institution, die den von Karlheinz Weißmann stets propagierten Grundsatz stärker beherzigt als wir: auf der Rechten keine Feinde! Das bedeutet nicht, daß alles, was von rechts oder ganz rechts her geäußert und getan wird, unsere Zustimmung oder Billigung erfährt – aber Kritik daran wird nur im Sinne des gemeinsamen Ganzen geäußert, Distanzierung gibt es nicht, und keinesfalls betreiben wir das Geschäft des politischen Gegners. Ganz nebenbei: Die Ausstrahlungs- und Anziehungskraft unserer Projekte und Arbeiten darf sogar als Mäßigungsprogramm für radikalere Leute gelten.
Um nun einen ganz aktuellen Fall noch einmal zu beschreiben: Wenn sich Björn Höcke auf einer unserer Veranstaltungen über den Geburtenüberschuß Afrikas äußerte und nun in den Medien dafür Prügel bezieht, ist das ein erwartbarer Vorgang. Daß Dieter Stein von der Jungen Freiheit dies zum Anlaß nimmt, in mehreren Artikeln die Partei zum Ausschluß Höckes aufzufordern, war so nicht zu erwarten – oder vielleicht doch, denn er setzt damit nur fort, was er “unter Lucke” bereits tat: sich selbst zu positionieren als vom Establishment akzeptables Maximalkorrektiv zur herrschenden Politik. Diese Positionierung unternimmt er diesmal auf Kosten Höckes, sonst auch gern auf unsere Kosten, jedenfalls aber mit der Methode der Distanzierung. Interessant an solchen Vorgängen ist für uns bloß, daß der natürliche Verbündete Steins – Luckes ALFA – in dessen Kalkulation wohl keine Rolle mehr spielt und daß er nun erneut Anlauf nimmt, um sich die alternativer gewordene AfD zurechtzukneten. Daß er dafür das Mittel der Ausgrenzung und der medialen Säuberung wählt, stellt sein Unterfangen unter keinen guten Stern und macht es uns nur schwer möglich, Spaltungen zu überwinden und Bündnisse zu schließen.
Ein gelungenes Beispiel: Pegida. Wir konnten uns dort einbringen, ohne gleich entscheidend mitzumischen, haben das Projekt theoretisch weitergedacht, ohne zu insistieren, Bachmann und Festerling gehen ihren Weg, halten Kontakt, so soll es sein.
Summa summarum: Ich kann im Sinne von Lehnert, Kositza, Lichtmesz usf. sagen, daß wir uns redlich bemühen, Klammern zu sein in einem Milieu, das allen Grund hätte, nun vorzustoßen, sich aber noch immer viel zu sehr mit sich selbst und mit der Abgrenzung untereinander beschäftigt.
2. Frage: Warum verharrt das Institut seit Jahren in der Schnellrodaer Heimkulisse? Besteht überhaupt Interesse an der Schaffung eigener Tagungsstätten im Ort und wenn ja: Fehlt es an kapitalkräftiger Unterstützung für den Ausbau? Und: Wieso bemüht sich das IfS nicht um ein eigenes Gebäude in Berlin?
Antwort: Schnellroda ist in seiner Abgeschiedenheit und Provinzialität zu einem Ort mit großer Strahlkraft geworden. Für die Akademie Ende Januar haben sich binnen einer Woche 200 junge Leute angemeldet, Platz ist für maximal 150. Dennoch streben IfS und Verlag keine eigene Tagungsstätte an: Der Gasthof ist gut geeignet, eigene Räumlichkeiten würden doch nur an wenigen Wochenenden im Jahr bespielt, sinnvoller wäre, andernorts und am besten in einer Großstadt ebenso zuverlässige Gastgeber zu finden oder aber selbst etwas aufzubauen.
Für Berlin gab es diesen Plan schon einige Male, und vor zwei Jahren war die Sache nicht nur spruchreif, sondern in trockenen Tüchern: Das IfS hätte in das Erdgeschoß des Gebäudes einziehen können (und war schon halb eingezogen), in dessen oberen Etagen sich die JF-nahe Bibliothek des Konservatismus befindet. Dreimal dürfen Sie nun raten, welcher Chef einer Berliner Wochenzeitung dafür sorgte, daß das IfS seinen bereits für zwei Jahre unterzeichneten Mietvertrag um des lieben Friedens mit dem Vermieter willen wieder auflöste und die noch nicht ausgepackten Umzugskisten wieder in den LKW lud.
Andere Mietverträge hielten die Anrufe der Antifa und der Polizei nicht aus, und die Frage ist, inwiefern ein Zentrum in Berlin zur Angriffsfläche für radikale politische Gegner würde, wenn sogar das eigene Milieu unsere Arbeit als willkommene Distanzierungsfläche auf dem Weg ins Establishment ausnutzt. Also eine Gegenfrage: Lohnte es sich, Kapitalgeber zu versammeln und ein IfS-Haus in Berlin zu erwerben und auszubauen? Vielleicht ja, aber dann muß da schon eine finanzielle Wucht dahinterstehen, mit der man arbeiten und ein solches Gebäude bespielen kann.
3. Frage: Warum wird keine tragfähige Vereinsstruktur a la Greenpeace angestrebt, die allen Sympathisanten attraktive und konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten eröffnet?
Antwort: Siehe hierzu das Projekt einprozent.de, das wir maßgeblich mit aufgebaut und angeschoben haben und das nun unter der Federführung Philip Steins sich zu genau solch einem Mitmach-Netzwerk entwickelt. Das IfS bleibt weiterhin ein Bildungs- und Forschungsinstitut unter Dr. Lehnerts Führung.
4. Frage: Was passiert mit den Leuten nach den Rüstzeiten an den Wochenenden?
Antwort: Mancher ist nach einem Aufenthalt an einem der seltenen Orte der freien Rede zuversichtlicher als zuvor, mancher ist nüchterner, mancher voller Tatendrang, mancher um ein, zwei, fünf gute Kontakte reicher, mancher geradezu ein gespannter Bogen, mancher mutiger – aber nicht jeder. Erlauben Sie mir, zur Beantwortung dieser Frage auf eine Rede hinzuweisen, die ich auf dem Festkommers der Deutschen Burschenschaft in Eisenach hielt, und zwar zum 200. Gründungsjahr der Urburschenschaft. Ich komme darin genau auf diesen Punkt zu sprechen, gleich am Anfang: Was tun, wenn das Wochenende große Vorsätze gebar? Hier finden Sie das Video mit der Rede.
Und danke für Ihre Fragen! Eine davon habe ich ausgespart, das haben Sie gemerkt, ich schreibe dazu noch persönlich an Sie.
Es grüßt aus Schnellroda
Götz Kubitschek
thotho
Danke, dass Sie auf den aktuellen JF-Sezession-Streit (ich sehen hier einen) eingehen.
Ich lese selbst seit über einem Jahr die JF und bin eigentlich zufrieden mit dem Blatt. Dass die Lucke-AfD protegiert wurde, steht auch für mich außer Streit, das war so und sicher massiv im Interesse Steins.
Für mein Dafürhalten wäre es besser (gewesen), die AfD kritisch, aber fair zu beleuchten, nicht aber so stark zu unterstützen seitens der JF. Da nun mit Petry und Höcke andere vorne stehen, geht die JF auf Distanz oder fast in den Gegenangriff. Das finde ich sehr, sehr schade.
Die Sezession muss und sollte weiterhin metapolitisch bleiben und sich in dieses Spektakel nicht all zu sehr einmengen - hier wird nur Schaden an unserer Sache angerichtet.
Seien wir alle einmal realistisch: seit Jahrzehnten geht es politisch bergab. Nun kommt endlich etwas wie die AfD und jede Gruppe versucht sofort, ihre aufgestauten, ersehenten Pläne auf einmal in diese Partei hineinzuprojizieren.
Mein Rat: 1. Ruhe bewahren. 2. Zusammenarbeiten oder sich zumindest nicht dauernd etwas ausrichten.