in besonderem Maße auf die Artikel von Antonia Baum zu. Ich persönlich mag Locken, und ich mag Glatzen (um hier Frl. Baums Duktus zu bemühen), deshalb les ich das fröhlich-assoziativ rausplätschernde Vorsichhingedenke der jungen FAS-Redakteurin ganz gern:
Gebt ihr das Stichwort „Fahrradhelm“, und sie palavert eine Seite über Fahrradhelme, gebt ihr die Stichworte „Gender“ oder „Junge Alternative“, und sie plauzt mit mädchenhaftem Charme (und in letzteren Fällen mit ordentlicher Mainstream-Wut) auch dazu eine Seite raus. Ihre Leidenschaft gilt Rap/Rappern: da hebt sie schier ab vor Freude! Diese coole Art Mackertum tut ihr lesbar gut.
Nun also „Stichwort Köln“. Frl. Baum gesteht (FAS vom 10. Januar), daß sie da so eine persönliche „Geschichte“ im Kopf habe, die vom arabischen Mann handelt, der „nicht mit westlichen Frauen klarkommt und sie erniedrigt.“ Allein: diese Locke will das Fräulein Autorin ganz dezidiert nicht drehen. Grad jetzt nicht! Weil
„sie all jenen, die vor der ‘Islamisierung des Abendlandes‘ warnen, so hervorragend in den saublöden Kram passt, wobei natürlich [!] niemand weiß, ob die Kölner Täter islamischen Glaubens waren oder nicht.“
Frl. Baum vermutet, daß nun, im Schatten von „Köln“ also, die männliche Öffentlichkeit beleidigt sei,
„weil die gefährlichen Araber etwas angefasst haben, das ihr gehört, und natürlich sind auch viele ein bisschen erleichtert, weil sich ihre diffuse Angst nun konkret manifestiert hat. Thank God, wir haben ein Problem!“
Das ist, mit dem Zynismus-Zähler gemessen, natürlich fast Jakob-Augstein-Niveau, allein: Antonia Baum – als Frau – spielt die klassische Double-Bind-Strategie voll durch. Nach vielen Zeilen Pseudolockendreherei kehrt sie
„zurück zu der Geschichte von den arabischen Männern und den westlichen Frauen, die ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht erzählen will, weil ich dadurch mit Sicherheit Applaus von Vollidioten bekomme.“
Frl. Baum at it‘s best! Logisch erzählt sie die Geschichte trotzdem, wenigstens in Andeutungen. Es geht um Typen, die ihr auf der Straße entgegenkommen und die sie „sofort reflexhaft als Araber, Kurden, Türken oder von mir aus als Nordafrikaner“ identifiziert, und die dann natürlich was mit „Arsch“ oder „Titten“ sagen und dir „im Vorbeigehen irgendwohin fassen“.
Hups, und dann ist die Redakteurin schon wieder verschwunden – weil sie eben nicht den rechten „Vollidioten“ das Wort reden will. Immerhin, ihrer „kleinen Schwester“ gibt sie den Rat,
„dass sie auf den Boden gucken und schnell weitergehen soll, wenn ihr eine Männergruppe entgegenkommt, auf die die eben genannten Kriterien (schwarze Haare, dunkle Augen, breitbeiniger Gang, Bock auf Stress) zutreffe. Ich sage ihr, dass es sie provoziert, wenn man ihnen ins Gesicht sieht.”
Baum nennt es eine
„pragmatische Überlegung zu einem alltäglichen Problem, auf das weder ich noch irgendein Politiker eine Antwort haben, weil es ein komplexes Problem [schöne Doppeldeutigkeit, E.K.] ist, für dessen Lösung man viel Zeit braucht. Und Geld, und gute Ideen und Willen.“
Gut, der Gorilla sitzt also abermals, und diesmal kolossaler als je zuvor, auf der Hollywoodschaukel, aber reden mag man drüber nicht. Was unternimmt Frl. Baum gegen die Anfechtungen dessen, das sie als Rassismus empfindet? Sie bringt ihren Klassismus in Stellung und denkt sich angesichts der ihr begegnenden Fremdprolls:
„Ihr sei viel dümmer als ich, und ich hoffe, dass Ihr, wenn ihr wüsstet, wieviel dümmer ihr seid, nicht mehr so ekelhaft mit mir umgehen würdet. […] Die Jungs, die mir häufiger auf der Straße entgegenkommen und mich beleidigen, sind im Regelfall weniger gebildet als ich, sie haben weniger Geld als ich, und sie haben im Laufe ihres Lebens schon häufiger zu spüren bekommen, dass sie in die Gesellschaft unten stehen.“
Mehr noch, Frl Baum vermutet,
„dass ich genauso gut sie sein könnte und mich dann wahrscheinlich genauso verhalten könnte.“
Ja! Das wär‘ s, und so könnt’s klappen: 1. Geschichten, die auf der Zunge liegen, werden verschwiegen. 2. Man schaut den Tatsachen und den beteiligten Subjekten strikt nicht ins Gesicht. 3. Man behauptet ebenso strikt und blind, daß es auf solche Probleme keine Antworten gibt. 4. Man macht Täter zu Opfern. So könnte es wirklich gehen! Im Grunde geht’s doch schon seit Jahren so, oder? Leiden, dulden, wegschauen, fortquatschen.
Im Übrigen wundert mich der Hype um Köln wirklich, er macht mich stutzig. #Kölnhbf war nicht mehr als eine gelinde Zuspitzung dessen, was sich seit Jahrzehnten auf westdeutschen Straßen abspielt. Diese Zusammenrottungen ausschließlich migrantischer Jungmänner kenne ich seit langer, langer Zeit.
Wer, weiblich & unbegleitet, hätte sich in den frühen Neunzigern unter die Horden vor dem innerstädtischen Offenbacher Mc Donald getraut? Wer in die Nähe der (heute längst geschlossenen) “Türkendisco” Agree? Antonia Baum scheut sich aus Gründen der political correctness, ihre rapefugee-Geschichten zu schildern. Sie befindet sich in bester Gesellschaft:
Daß nun über 500 Anzeigen von Frauen vorliegen, die in der Silvesternacht in Köln belästigt wurden, darf man durchaus als eine Form von Massenhysterie bezeichnen. Nicht, weil sie etwas übersteigerten, sondern weil endlich mit Wucht eine Schweigespirale durchbrochen wurde, der zighundertausende Frauen bisher unterlagen.
In meiner Offenbacher Zeit wurde ich sicherlich – wenn ich allein die Fälle zähle, die zotige Zurufe überschritten – mindestens zwei Dutzend Male massiv belästigt. Das einzige Mal, wo ich mich (wohlwissend, daß eine folgenlose Grabscherei keinen Straftatbestand darstellt) für einen Gang zur Polizei entschied (da war meine Kleidung zerrissen, und ich hatte Blessuren), sah ich mich rasch eines Besseren belehrt: „Meine Güte, schaun Sie doch, diese Typen sind unangemeldet und ohne Papiere hier. Schauen Sie selbst, die sind doch heillos besoffen. Und Sie selbst, sie sind noch siebzehn, also müßten Ihre Eltern die Klage führen. Was für ein Riesenaufwand, das sollten Sie sich gut überlegen.“
Ich überlegte und zeigte nicht an; meine Güte, es war der Abend meines achtzehnten Geburtstags, den wollte ich nicht mit den Eltern auf der Wache verbringen.
Es gab auch schon anno 1990 no-go-areas. Drum macht es mich schier rasend, wenn heute angesichts von „Köln“ die Rede von einer „völlig neuen Dimension“ geht. Ich erinnere mich gut daran, wie ich 1990 meinen damaligen Freund ins Wahllokal begleitete. Sein Elternhaus stand im schnieken Neubauviertel, das Lokal befand sich im Ghetto daneben. Wir gingen nicht die 300m über die Straße, sondern einen Kilometer über Feld, Wald und Wiesen. Warum? „ASW.“ Das stand für „Ausländerschutzwege“. Mein Freund war erstens weltanschaulich unbedarft, zweitens ein Hüne, der keine Auseinandersetzung scheute, aber mit Frau durch diese Zone? Besser nicht, gibt nur Ärger.
Gleiches galt für die Offenbacher Innenstadt. Mit meinen ausländischen Freunden (ich hatte einen bunten Freundeskreis) konnte ich mich dort verabreden, mit deutschen: no, never, aus guten Gründen. Kökl ist überall, seit Jahrzehnten!
Nur drei plastische Anekdoten, wohlgemerkt nicht aus dem Krisenjahr 2015, sondern von weit früher: Im völlig überfüllten Bus nach der Schule fuhr häufig ein schwarzer Mann mit. Weil er sich ohne Scheu im Gedränge an nebenstehenden Mädchen zu reiben pflegte und seine Hände immer Halt in Brusthöhe suchten, wählte man lieber einen anderen Platz. Meistens gabs ja keine Wahl. Bei mir war er an die Falsche geraten. Ich schrie ihn aus dem Bus. Gut – er stieg aus und war fortan zu dieser Uhrzeit nicht mehr gesehen. Mir war’s trotzdem peinlich, ich sah alle Umstehenden nur die Köpfe schütteln. Selbst meine Freundinnen verdrehten damals die Augen: Boah, Ellen, echt, immer voll druff.
Ähnlich etwa fünf Jahre später: U‑Bahn Richtung Flughafen, wiederum Gedränge. Denke voller Skrupel und Höflichkeit zwei Stationen lang, der afghanische Flugkapitän (mit Namensschild), der dort sitzt, während ich stehe, kann aufgrund der Enge nicht anders, als seine Hände in Höhe meiner Knie unterzubringen. Als es höher geht, werde ich laut und frage scharf, was seine Hände zwischen meinen Schenkeln zu suchen hätten. Kapitän steigt vor dem Flughafen aus, Leute vergraben sich in ihre Zeitungen, Kopfschütteln. Schäme mich.
Abiturzeit: Laufe in der Freistunde zum Supermarkt. Auf dem Bürgersteig kommt mir mit Fahrrad ein nach meinem Dafürhalten türkischer/kurdischer Jüngling entgegen, bremst ab, geht mir direkt an die Brüste. Meine Wasserflasche ist leer. Damals war PET rar oder gab´s noch nicht. Er landete im Gestrüpp, blutet ein bißchen. Hätte es gern der Polizei gemeldet, war da auch schon 19, hatte aber Angst, dann als Täterin zu gelten.
Im übrigen zweierlei: Nein, ich bin in meinem Leben noch nie von einem Autochthonen tätlich belästigt worden. Nie! Erinnere mich aber gut an meinen ersten Frauenselbstverteidigungskurs, in dem zwei ältere Frauen in der „Vorstellrunde“ der Trainerin klagten, „die Ausländer“ seien immer so übergriffig. Das wollte unsere Vorkämpferin partout nicht hören: „JEDER Mann ist ein potentieller Täter“; es gab Widerrede, die nicht geduldet wurde. Zweitens: Ulkig – wenn ich mit Kindern unterwegs bin (bin ich, seit ich 22 bin), gab es nie Übergriffe, nicht mal verbale. Kinderlos unterwegs gibt es solche allerdings auch in meinem fortgeschrittenen Alter.
Ein nachgeschobenes Viertens, den Faktor sexuelle Belästigung mal außen vorgelassen: Als ich mich mit Kubitschek vor 15 Jahren an der Frankfurter Konstablerwache traf, war er fassungslos: Ihm sind beim Warten x‑mal sämtliche Drogen angeboten worden, ausschließlich von dunkelhäutigen Männern, stets offen, zum Teil aufdringlich. Er war auf die Besatzung eines Polizeiautos zugegangen und hatte die „Vorfälle“ melden wollen. Er war ausgelacht worden: Um die Szene beobachtend in Schach zu halten, darum stünde man ja hier. Man steht noch heute. Gut: heute vielleicht kopfschüttelnd.
deutscheridentitärer
Ihre Artikel sind sowieso die einzigen einer weiblichen Autorin, die ich gerne lese.
Auch wenn ich leider sagen muss, dass sie, wie ich aus dem vorhergehenden Artikel erfahren habe, hier einem ganz üblen Klischee und Medienhype zum Opfer gefallen sind.