daß sich die Deutschen auch dieses Jahr wieder auf die Zuwanderung von einer Million „Schutzsuchender“ einstellen müßten, hat der CDU-Außenexperte und ehemalige Generalstabsoffizier Roderich Kiesewetter in den Internet-Foren einen regelrechten „Shitstorm“ einstecken müssen. Man wird ihm aber zugute halten müssen, daß hier endlich einmal Klartext geredet und auf humanitäre Phrasen weitgehend verzichtet wurde.
Was Kiesewetter im Focus und gegenüber dem Deutschlandfunk zu Protokoll gab – beide Interviews müssen zusammen gesehen werden –, dürfte grosso modo auch den Standpunkt von Kanzlerin Merkel und ihrer Entourage wiedergeben. Auffällig bleiben allemal die Setzungen, mit denen Kiesewetter operiert, um dann zu dem Ergebnis zu kommen, zur Merkelschen Politik gebe es keine Alternative. Alle anderen Auffassungen in dieser Frage, vor allem die, die rechts von der Union liegen, seien deshalb „Populismus“; ein Etikett, mit dem Kiesewetter im übrigen auffällig oft operiert.
Die erste Setzung, über die Kiesewetter im Grunde nicht diskutieren will, lautet: Obergrenzen seien nur sinnvoll, wenn sie in ein europäisches Gesamtkonzept eingebunden sind. Für Deutschland, der „Herzkammer Europas“, komme das schon gar nicht in Frage. Deutschland dürfe hier nicht handeln, ohne sich mit seinen Nachbarn abzustimmen. Diese aber handeln zunehmend im nationalen Interesse und schaffen „unabgestimmt“ Fakten, die für Kiesewetter, siehe Österreich, nichts anderes als „Populismus“ sind.
Was aber geschieht, wenn es zu keiner europäischen Gesamtlösung kommt und Deutschland auf Jahre hinaus mit Millionen von „Schutzsuchenden“ konfrontiert ist? Kiesewetter verweist hier auf die sog. Asylpakete eins (bereits in kraft) und zwei. Werde auch noch Asylpaket zwei verabschiedet, habe Deutschland die schärfste Asylgesetzgebung in Europa. Den „Populisten“ hält er vor, das nicht sehen zu wollen und nicht auf der „Höhe der Realität zu sein“. Nur ändert das offenbar alles nichts am bestehenden Zustrom. Kiesewetter selbst prognostiziert ja einen anhaltenden exorbitanten Zuwanderungsdruck, auf den die „Bevölkerung“ vorbereitet werden müsse.
Zweite Setzung: Wenn Deutschland die Grenzen schließe, steige die Kriminalität im Inneren, weil es zu wenig Polizei für die Bewachung der Grenzen und die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit gebe. Die Grenzsicherung bliebe Polizeiaufgabe, weil „wir die Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren scheuten“. Mit „wir“ dürfte Kiesewetter die Regierung und die im Bundestag vertretenen Parteien meinen. Würden diese die Notwendigkeit in den Raum stellen, die Bundeswehr einzusetzen, hätten sie mit einiger Sicherheit die Mehrheit der Deutschen hinter sich. Es kommt also vor allem auf den politischen Willen an, hier Fakten zu schaffen. Dieser Wille ist aber offenbar nicht da oder nur bei wenigen vorhanden. Genau diesen Zusammenhang aber vernebelt die Aussage, die Kriminalität steige im Inneren, wenn man die Grenzen schließe.
Dritte Setzung: Die Aussage, Deutschland verkrafte nicht noch einmal eine Zuwanderung wie 2015, sei aus der Sicht von Kiesewetter „völlig falsch“. Kiesewetter hält sie – und dieses Argument darf man als reichlich bizarr bezeichnen – für einen „Schlag ins Gesicht der vielen zehntausend ehrenamtlichen Helfer in Deutschland“. Offenbar ist ihm entgangen, daß dort längst Ernüchterung eingekehrt ist. Auch hier – genauso wie in den Medien – neigt sich der „Willkommens-Karneval“ nämlich seinem Ende entgegen.
Dennoch: Wer behaupte, so Kiesewetter, Deutschland verkrafte nicht noch einmal einen derartigen Ansturm, verstärke weiter den Trend, Rechtsparteien zu wählen. Es sei ein Fehler so zu tun, als ließe sich die Zahl der Flüchtlinge begrenzen, weil „wir erst am Anfang einer großen Migrationswelle in Richtung Europa“ stünden; diese komme vor allem aus Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten. Kiesewetter plädiert deshalb dafür, im Umkreis Europas viel Geld zu investieren. Bundesfinanzminister Schäuble sieht das offenbar ebenso; forderte er doch gerade auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos einen Marshallplan für Syriens Nachbarländer. Dies werde Europa zwar etliche Milliarden mehr als bisher kosten, aber es sei dringend nötig. Jetzt also soll, quasi im Rückgriff auf ein „bewährtes“ Mittel der Ära Helmut Kohl, das Scheckbuch als ultima ratio zum Einsatz kommen, um den Zustrom der „Schutzsuchenden“ einzudämmen. Daß Deutschland hier als Hauptbetroffener den Löwenanteil zahlen wird, versteht sich von selbst.
Dies alles folgt aus der einen Setzung, daß Deutschland aus Sicht der Regierung Merkel keine Maßnahmen ergreifen dürfe, die nicht mit den Nachbarn abgestimmt seien. Bei Lichte betrachtet setzt man aber nur noch in Berlin auf eine „abgestimmte gesamteuropäische Lösung“, während überall sonst die Notbremsen gezogen werden. Damit befindet sich Deutschland wirklich auf einem „Sonderweg“, der sich sehr schnell als Sackgasse erweisen wird – womöglich schon in ein paar Monaten. Es bedarf mit Blick auf die Ereignisse des Jahres 2015 keiner großen Phantasie, um sich sich auszumalen, wie diese Sackgasse aussehen wird. Womöglich erzwingt der Druck der Ereignisse dann endlich das, was schon seit langem ansteht, nämlich die längst überfällige grundsätzliche Richtungsänderung in der deutschen Asylpolitik.
Siddharta
Wobei die Schließung der Grenzen nur der erste Schritt in einem weiterreichenden Notfallplan sein kann. Laut Sarrazin können sich 80 Prozent der Weltbevölkerung auf völkerrechtliche Lebensumstände berufen, die eine dauerhafte Duldung in Deutschland erzwingen würden. Er rechnet mit etwa sechs Milliarden potentiellen Asylanten, die einen rechtmäßigen Anspruch auf das Bleiberecht hätten, wenn es ihnen gelänge nach Deutschland zu gelangen. Dazu kommt die immer weiter steigende Geburtenrate in der Subsaharazone. Angesichts dieses Migrationspotentials ist es für mich unverständlich, dass sowohl AfD als auch Pegida immerzu betonen, sie wollten das bestehende Asylrecht wiederherstellen. In meinen Augen ist es höchste Zeit, den Bürgern reinen Wein einzuschenken und sich programmatisch für eine Abschaffung der humanitär begründeten Einwanderung auszusprechen.