Kositza und ich sind ausgesprochene “Fans” von Paglia, die ansonsten in Deutschland (nicht aber in den USA) leider weitgehend vergessen ist.
Ihren Zenit hat sie freilich schon lange hinter sich: in den frühen neunziger Jahren wurde sie mit ihrem Opus magnum “Sexual Personae” (dt.“Die Masken der Sexualität”, übrigens auch ein Lieblingsbuch David Bowies) schlagartig berühmt und zum kontroversen Dauergast in Zeitungen, Magazinen und Talk-Shows.
Paglia, die für ihre maschinengewehrartige Redegeschwindigkeit und furiose Streitlust bekannt ist, legte sich damals mit den Alpha-Weibchen des feministischen Establishments an: von Susan Sontag über Andrea Dworkin bis zu Naomi Wolf blieb niemand von ihren Angriffen verschont; bis heute wandelt sie ungebrochen auf dem Kriegspfad.
Bezeichnend ist etwa ihre Charakterisierung der feministischen Ikone Gloria Steinem:
Seit Mitte der siebziger Jahre herrschte sie wie das stalinistische Politbüro. Abweichende Stimmen wie die meinige wurden aus ihrem Magazin Ms. verbannt, das sich in die Hochglanz-Prawda der Bewegung verwandelt hatte – männerfeindlich, sexfeindlich und popkulturfeindlich.
Politisch lag sie quer zu allen Fronten: den Konservativen war sie entschieden zu libertär, den Linken, deren “rousseauistisches” Menschenbild sie scharf kritisierte, wiederum zu “reaktionär”, vor allem aufgrund ihrer beißenden Kritik an der damals steil aufsteigenden und inzwischen weitgehend siegreichen “Political Correctness”. Der Feminismus sei, so Paglia, zu einem autoritären, bevormundenden Unternehmen verkommen, das mit repressiven Mitteln ein “hypothetisches Utopia” durchsetzen will, “das wie durch Zauberhand frei von Anstößigkeiten und Verletzungen” ist.
Heute wird das Fußvolk des “Feminismus” in den USA vom Typus des “Social Justice Warriors”, des “Kämpfers für soziale Gerechtigkeit”, dominiert: pressure groups, die überall “Diskriminierungen” und “Beleidigungen” ethnischer, rassischer oder sexueller Natur wittern, und diese erbarmungslos ahnden, wobei sie immer neue Gruppen finden oder erfinden (etwa im Bereich der Gender-Identität), die vor “Diskriminierung” geschützt werden müssen.
Dabei kann es inzwischen vorkommen, daß schon die kleinste Wahrnehmung einer Differenz als “Mikro-Aggression” gewertet und eingeklagt wird. Auf diese Weise haben die “SJW“s stets etwas zu tun, denn mit dieser Methode kann man immer neue und immer subtilere, unerschöpfliche Formen von “Rassismus” oder “Sexismus“ausfindig machen, da die Differenzen und Reibungen (wie auch Anziehungen) nicht aus der Welt verschwinden , bloß weil man sich entschlossen hat, sie mithilfe von Sprachregelungen zu verdecken. Es ist, mit anderen Worten, eine Form des typisch linksdogmatischen Kampfes gegen die Wirklichkeit.
Man muß wohl nicht dazusagen, daß der große Verlierer und Buhmann dieses Diskriminierungs-Bingos wie bei allen politikorrekten Manövern am Ende natürlich wieder der berühmte “weiße, heterosexuelle Mann” ist, der seinerseits hemmungslos diskriminiert und diffamiert werden darf. Paglia hat sich von Anfang an gegen diese Tendenzen in der feministischen Bewegung gestellt. Ihre Version des “Feminismus” war “differentialistischer” oder “polarer”, nicht egalitärer Natur: das bedeutet, daß auch die “feministische” Theorie die biologischen und psychologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau als Realität anerkennen muß.
Aus diesem Rohstoff lassen sich freilich unendlich viele “Masken der Sexualität” bilden, also kulturell bedingte und kodifizierte Formen der Geschlechterrollen (inklusive der Bilderwelt der Kunst und der Mythen), die allerdings nicht beliebig “konstruierbar” sind.
Paglias großes Thema ist der ewig unentschiedene Krieg zwischen Natur und Kultur, der Vater aller Dinge ist, aller Kunst, Philosophie, Religion und Wissenschaft. Die Natur, insbesondere als Sexualität, droht die gegen ihre vulkanische Kraft als Damm und Kanal errichtete Zivilisation immer wieder von neuem zu verschlingen. Daraus folgt eine radikale Verwerfung naiver Vorstellungen von “Emanzipation” oder “Befreiung”:
Sexuelle Freiheit, Befreiung der Sexualität: Das sind moderne Illusionen. Wird eine Rangordnung weggefegt, tritt sogleich eine andere an ihre Stelle, die vielleicht rigider ist als die erste. Es gibt Rangordnungen der Natur und abgewandelte Rangordnungen in der Gesellschaft. Gesellschaft ist (…) unser fragiles Bollwerk gegen die Natur. Wenn die Achtung vor Staat und Religion gering ist, sind die Menschen frei, empfinden diese Freiheit aber als unerträglich und streben nach neuer Knechtschaft.
Die bekannteste Kontroverse, in die sich Paglia in der Zeit ihres größten Ruhmes eingeschaltet hat, war natürlich die “Date Rape”-Debatte. Kurz gefaßt, warf sie den Feministinnen vor, die jungen Frauen nicht nur zur Passivität und zur Identifikation mit einer ewigen Opferrolle zu verleiten, sondern ihnen überhaupt ein falsches Bild vom Wesen der Sexualität und der Dynamik der Geschlechterbeziehungen zu vermitteln.
Dies läuft letztlich auf die moralische Überhöhung der Frau als Frau und die Preisgabe ihrer Selbstverantwortung hinaus. Wer mit Streichhölzern spielt und zündelt, und das sind in der Interaktion zwischen Mann und Frau häufig beide, darf sich nicht wundern, wenn er sich dabei die Finger verbrennt (und auch das gilt für beide).
1991 schrieb Paglia zur Debatte um “Rendezvous-Vergewaltigungen”:
Ich werde von Feministinnen diffamiert, nur weil ich im Hinblick auf dieses Thema gesunden Menschenverstand walten lasse. Ich finde dieses Gerede über Rendezvous-Vergewaltigungen abscheulich. Wenn du erst zwölf Tequilas bei einer Studentenparty trinkst und dich dann von einem Typen überreden läßt, mit ihm auf sein Zimmer zu gehen, darfst du dich nicht wundern, wenn er über dich herfällt. Die meisten Frauen wollen verführt oder gelockt werden. Je mehr man sich Literatur und Kunst ansieht, um so klarer wird einem das. Hören Sie sich Don Giovanni an. Lesen Sie The Faerie Queene. Verfolgung und Verführung sind das Wesen der Sexualität. Darin liegt ein Großteil ihrer Faszination. Die Mädchen hierzulande werfen sich Gitarristen an den Hals, bis hinunter zur schäbigsten Kneipenband. Die Typen tun groß und spreizen sich. Man sollte die Sexualität so sehen, wie sie ist: männliche Begierde und Frauen, die sich durch männliche Begierde in Erregung versetzen lassen. Frauen reizt das. Es stößt sie nicht ab. Frauen haben das Recht, frei zu wählen und ja oder nein zu sagen. Jeder muß persönliche Verantwortung für sein Leben übernehmen. Ich betrachte den Sexualtrieb als egoistisch und herrschsüchtig, und deshalb habe ich kein Problem, das Phänomen Vergewaltigung zu verstehen. Frauen müssen das richtig verstehen, dann werden sie sich auch besser schützen.
Nun hat sich auch eine Autorin des Freitag an Camille Paglia erinnert, und einen Artikel verfaßt, der gleich zu Beginn mit einer faustdicken Desinformation einsetzt. Anlaß sind ein paar Tropfen einer aktuellen Kontroverse um den “Pickup-Artist” Roosh V. (richtiger Name: Daryush Valizadeh), die aus den USA nach Deutschland durchgesickert und nach dem Muster der “stillen Post” in die Ente gemündet sind, er wäre der Kopf einer “Pro-Vergewaltigungsbewegung” – eine Behauptung, die Marlen Hobrack durch ein bißchen Recherche im Netz leicht als falsch hätte erkennen können.
Ich verzichte an dieser Stelle darauf, ihren Beitrag im Freitag im Detail auseinanderzunehmen. Die Autorin hat nicht nur Paglia mißverstanden, sondern hat auch nicht begriffen, daß es sich bei dem berüchtigten Artikel von Roosh, an dem sich der Skandal entzündet hat, (“How to Stop Rape”) um einen “bescheidenen Vorschlag” in der Tradition von Swift handelt. Dies hat der Autor auch selbst deutlich und zum Mitschreiben klar betont.
Frage: Warum wollen Sie Vergewaltigung legalisieren?
Anwort: Das will ich gar nicht. Die Vorstellung, Vergewaltigung zu legalisieren, ist derart krank und absurd, daß ich nie auf die Idee gekommen wäre, daß es Leute gibt, die das 100% ernst nehmen könnten, unter ihnen einige Politiker. Ich bin nicht der Meinung, daß irgendeine Art von physischer Gewalt gegen Männer oder Frauen legalisiert werden soll. Daß “Wie man Vergewaltigung stoppt” ein satirisches Gedankenexperiment war, habe ich nun schon so oft gesagt, daß ich keinen Zweifel daran habe, daß die Fehlinterpretation durch die Medien mit voller Absicht geschieht.
Allerdings muß gesagt werden, daß die Vorwürfe gegen Roosh nicht gänzlich der Grundlage entbehren, worauf ich am Ende dieses Beitrags noch zurückkommen werde.
Rooshs Artikel ist auch eine Antwort auf die laufende Mode unter amerikanischen Feministinnen, über eine angebliche “rape culture” (Vergewaltigungskultur) im Lande zu klagen, deren Betreiber und Nutznießer natürlich vor allem weiße männliche College-Studenten seien.
Auch diese Annahme hat Paglia in ihrem Interview mit Spiked vom Dezember 2o15 als ideologisierten Unsinn verworfen:
Whelan: Junge Feministinnen sind heute von der Idee besessen, daß wir in einer “Vergewaltigungskultur” leben. Glauben Sie, daß sexuelle Gewalt als normal gilt, wie es dieser Begriff nahelegt?
Paglia:“Vergewaltigungskultur” ist ein lächerlicher Begriff – nichts weiter als eine propagandistische Blähung, die eine ernsthafte Kritik nicht wert ist. Wer eine derart simplizistische Vorstellung von Sex hat, hat auch keine Ahnung von der Weltgeschichte oder von grundlegenden anthropologischen und psychologischen Erkenntnissen. Mir tun die Frauen leid, die man zu dieser hyper-politisierten, opferzentrierten Rhetorik verführt hat. Indem sie sich an derart oberflächliche, verhetzende Phrasen klammern, geben sie ihre eigene Macht und ihre eigenen Mittel aus der Hand.
Der Sinn des inkriminierten Artikels von Roosh, der Frauen zur Selbstverantwortung und zum Selbstschutz aufruft, hat also in der Tat mit Paglias Stellungnahme zur “Date Rape”-Debatte zu tun, allerdings nicht in dem Sinne, wie unsere wackere Autorin vom Freitag das glaubt. Kostprobe:
Nun wäre all das vielleicht keiner Rede mehr wert, wenn dieser Tage nicht die krude Bewegung des selbsternannten „Pick up-Artist“ Roosh V mit ihrer Agenda zur Legalisierung von Vergewaltigungen auf privatem Boden von sich reden machte. Diese Bewegung ist letztlich nur die konsequent zu Ende gedachte Form der Ausgangsthese Paglias: Sobald eine Frau einen Mann in ihre Wohnung eindringen lässt oder aber sich in seine Wohnung begibt, soll sie aus dem Rahmen des Gesetzes fallen. (…) Sowohl bei Paglia als auch bei den Aktivisten verwirkt eine Frau, sobald sie dem Mann vertraut (selbst schuld!, in den Augen Paglias), das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Sie übertritt also das Gesetz, das offenkundig das Gesetz des Stärkeren ist.
Wie gesagt: das ist massiver Unfug, der Paglias als auch Rooshs Positionen krass verfälscht. Es muß in linksdrehenden Gehirnen so etwas wie eine Zone geben, die eine seltsame Art von Übersetzungarbeit leistet, um am Ende zuverlässig eine rechte Horrorikone zu produzieren.
Wie Kollege Kleine-Hartlage schrieb: bestimmte Linke
wissen zwar, daß sie von der Utopie her denken, aber sie wissen es im Sinne einer Selbstverständlichkeit, das heißt es kommt ihnen nicht in den Sinn, daß man auch anders denken könnte. Folglich projizieren sie ihre eigene Denkweise auf ihre Kritiker und unterstellen ihnen, ebenfalls einer Utopie zu folgen: Da kann nur den „Gottesstaat“ wollen, wer Religionsunterricht an Schulen befürwortet, nur den „Faschismus“, wer der Schwarzweißmalerei der staatlich verordneten manichäischen Geschichtstheologie widerspricht, nur das „Patriarchat“, wer nicht jede feministische Marotte begrüßt.
Allerdings hat Roosh selbst diese Kontroverse offenbar nicht nur gewollt, sondern auch bewußt provoziert. Er weiß genau, welche Knöpfchen gedrückt werden müssen, um die Meinungsinquisition der “Social Justice Warriors” zu “triggern” und hat davon reichlich Gebrauch gemacht. Das Ergebnis war eine mediale Hysterie, die er in Werbung für seine Seite umgemünzt hat. Damit hat er sich als cleverer Stratege erwiesen, denn immerhin eines hat das Getrolle gebracht: daß sein Name und sein Projekt nun weltweit bekannt geworden sind.
So ging in der letzten Woche auch in den deutschen “sozialen Medien” das Gerücht um, eine “Pro-Vergewaltigungs”-Truppe wolle eine länderübergreifende “Offensive” à la Köln starten. Gerade in Deutschland fiel diese nach der kollektiven Verunsicherung durch die Ereignisse der Silvesternacht auf fruchtbaren Boden. In der Tat wurde mir von einem Bekannten (und Fan von “Return of Kings”) berichtet, daß zumindest das Gerücht sogar in Teile seines Freundeskreises gesickert ist, die von der Beschäftigung mit der “Manosphere” und ihren Themen meilenweit entfernt sind, und die aufgeregt berichteten, eine Horde Vergewaltigungsbefürworter wäre von der Leine gelassen worden.
Diejenigen, die den Köder schluckten, waren offenbar auch von dem inneren Bedürfnis motiviert, ihr Theorem von der allgegenwärtigen “sexualisierten Gewalt” bestätigt zu sehen, das bekanntlich vor allem den Zweck hat, den Zusammenhang zwischen den Übergriffen und Vergewaltigungen in Köln und anderswo und dem ethno-kulturellen Hintergrund der Täter zu verschleiern.
Das Goldene Bärchen gewinnt diese Antifanten-Seite (wer sonst?) – dort hört sich das so an:
Für Samstag, 6. Februar hat die frauenfeindliche Initiative „Return of Kings“ eine weltweite Offensive angekündigt. Mit Vernetzungstreffen wollen sie arbeitsfähige Unterstützergruppen aufbauen. Auch in einigen deutschen Städten sind Treffen angesetzt – Widerstand ist bereits angekündigt.
In Aachen haben wir am Dienstag durch einen Hinweis eines linksjugend [‘solid]-Aktivisten davon erfahren. Innerhalb weniger Stunden geisterte die Info durch soziale Medien. Wir bekamen Anfragen, ob es nicht möglich sei, dagegen vorzugehen. Insbesondere Frauen waren und sind wütend, denn nicht erst durch die Ereignisse der Kölner Silvesternacht ist vielen klar, dass sexualisierte Gewalt fast immer und überall droht. Empörend ist auch, dass eine massive Medienkampagne zu Köln gefahren wurde, wo der Verdacht besteht, dass Männer sich zu Übergriffen verabredet haben.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Raffinierte Gegenstrategien wurden in Gang gesetzt:
Das Konzept für ihr [Return of Kings] Treffen sieht so aus: Von 20:00 ‑20:20 Uhr werden sie sich auf dem Aachener Katschhof sammeln. Mit einem Codespruch wollen sie sich Gleichgesinnten gegenüber zu erkennen geben: “Do you know where I can find a pet shop?” (Die direkte deutsche Übersetzung wäre: “Wissen sie wo ich ein Tiergeschäft finde?”. Es gibt im Englischen hier eine Doppeldeutigkeit, denn “Pet Shop” kann auch als Ort zum angrabschen interpretiert werden) und der Antwort “Yes, it’s right here.” (Deutsche Übersetzung: “Ja, das ist genau hier.”) Um 20:20 wollen sie dann woanders hingehen, wo sie sich ungestört austauschen können.
Kann es einen größeren Horror geben? “Sexisten”, die sich “ungestört austauschen können”???
Wir rufen dazu auf
-kommt spätestens um 20:00 Uhr auf den Aachener Katschhof. Beachtet die Sicherheitshinweise weiter unten
- An die “männlichen” unter euch: Geht auf Gruppen von Männern zu und sagt den Codespruch.
- Wenn sich Sexisten so zu erkennen geben, informiert Umstehende. Dann sollten alle (auch die nicht-“männlichen”) zu der Gruppe gehen und sie nicht unbegleitet gehen lassen. So machen wir ihnen klar, dass es kein Vernetzungstreffen von Vergewaltigungsfans in Aachen geben wird.
Man muß schon ein Herz aus Stein haben, um das nicht saukomisch zu finden. Nicht zuletzt gewinnt man hier einen gar köstlichen Einblick in die Geistesverfassung dieser Kreise: ich verweise nur auf die “männlichen” in Gänsefüßchen (was wohl zutreffender ist, als sie selber glauben).
Die Klagenfurter Grünen sind übrigens diesbezüglich schon einen progressiven Schritt weiter:
Die Grünen Klagenfurt haben bei ihrer Mitgliederversammlung am Mittwoch beschlossen, alle Mitglieder in ihrem Statut ab sofort mit der weiblichen Geschlechtsform zu bezeichnen. Dem Entschluss gemäß kommentiert Reinhard Schinner, ihres Zeichens Obfrau der Stadtpartei, nach der Versammlung: „Der Schritt ist durchaus und bewusst radikal. Sprache wirkt auf unsere Weltsicht. Wir setzen damit für die weibliche Mehrheit der Bevölkerung ein klares Signal, dass sie auch in der Sprache sichtbar sein darf. Wenn es weibliche Landeshauptmänner gibt, und viele daran nichts Absurdes sehen, dann muss zum Beispiel eine männliche Parteiobfrau in Klagenfurt genauso möglich sein.“
Leider hat diese Geschichte eine traurige Kehrseite. Nicht alle Vorwürfe gegen Roosh sind auf politisch korrekte Hysterie zurückzuführen und er hat ihnen selbst Vorschub geleistet. Wie man nachlesen kann, hat er in seinen Sexabenteuer-Berichten aus Polen und Island einige Situationen geschildert, in denen er Frauen offenbar in der Tat gegen ihren Willen zum Sex genötigt oder ihre alkoholbedingte Unzurechnungsfähigkeit ausgenutzt hat. Er hat das später als “macho sex writing” à la Henry Miller abgetan, das man nicht aus dem Kontext reißen dürfe. Damit steht auch die Frage im Raum, inwiefern es sich bei ihm nicht doch um einen “con man” handelt, wie sie in Amerika nicht selten sind.
Die Hintergründe und der Inhalt der Seite “Return of Kings” wären nun einen eigenen, ausführlichen Artikel wert. Das Phänomen der “Pick-Up-Artists” habe ich bereits 2010 in einem Artikel für die Druckausgabe der Sezession behandelt. Ich hatte damals diagnostiziert, daß sich hier etwas ausbrütet, das über die ursprünglichen Ziele der ersten Generation von “Verführungskünstlern” wie Ross Jeffries, “Mystery” oder Neil Strauss weit hinausgeht. Und ich habe damit recht behalten.
Am Anfang steht für die Klientel schlicht der Wunsch, die eigenen Flirtkünste zu verbessern, “erfolgreicher bei Frauen” zu werden und seinen allgemeinen Wert am Fleischmarkt zu erhöhen. Dazu bedarf es als erstes einer Einsicht in den “polaren” Charakter von Mann-Frau-Beziehungen und ihrer entsprechenden sozialen Dynamik. Oder, wie einer der beliebtesten Autoren der deutschsprachigen »Community«,»Lodovico Satana« alias »Endless Enigma« in seinem Handbuch “Lob des Sexismus” schrieb:
Der Schlüssel um »Frauen zu verstehen, zu verführen und zu behalten« ist nach Satana, den »fundamentalen Unterschied zwischen Männern und Frauen« anzuerkennen: »Ihn verdrängen, heißt leiden. Ihn verstehen, heißt verführen. Denn nirgendwo fällt dieser Unterschied so schwer ins Gewicht wie dort, wo sich die Geschlechter am nächsten kommen: in der Liebe, in Beziehungen und beim Sex.«
Damit ist (zumindest für alle, die die Dinge zu Ende denken) der Kollisionskurs mit dem “egalitären” Feminismus (der in Wahrheit jedoch auf ein Primat des Weiblichen abzielt) und seinem Ableger “Gender-Mainstreaming” vorprogrammiert. Wer sich hier immer weiter vorwagt, wird nach dem Sturz feministischer Dogmen bald einen Dominostein der linken Identitätspolitik nach dem anderen umkippen sehen.
Im Jahre 2016 jedenfalls haben weite Teile der ursprünglich aus der “Pick-Up”- und “Game”-Szene hervorgegangenen “Manosphere” eine Wende nach “rechts” vollzogen, wobei ein eigenartig widersprüchlicher, aber vitaler Mix aus Libertinage, libertärer “Selbstverwirklichungs”-Philosophie und “konservativen”, ja “reaktionären” Elementen vorherrscht – allerdings legt man großen Wert darauf, nicht mit den sogenannten “cuckservatives” verwechselt zu werden, der feigen, weichgespülten, sich an den politischen Gegner anbiedernden Schwundstufe des Konservatismus.
Wie viele Amerikaner haben die “Stars” dieser Szene, etwa Roosh, Heartiste, Matt Forney (der auch für die Netzseite Right On schreibt), Davis Aurini oder Mike Cernovich ein ausgeprägtes Talent zur Selbstinszenierung und ‑vermarktung, weshalb man ihren Hang zur Show, zum Trollen und zur mitunter zynischen Provokation cum grano salis nehmen muß. Im Mittelpunkt der Seiten steht immer noch die “Self-Help” für suchende Männer, inzwischen jedoch angereichert und ergänzt durch gesellschaftskritische, politische und sogar religiös-spirituelle Beiträge unterschiedlicher Qualität und oft brachialer Direktheit.
Es liegt auch bereits ein “neomaskulinistisches” Manifest mit praktischen Handlungsanweisungen vor:
Neomaskulinismus verbindet traditionelle Überzeugungen, Männlichkeit und Biologie zu einem ideologischen System. Ziel ist es, Männern zu helfen, die in westlichen Ländern leben, denen es an klassischen Tugenden, an maskulinen Männern und femininen Frauen mangelt, und die ihren Sinn für Objektivität verloren haben, insbesondere, was Schönheitsideale und die Beurteilung menschlichen Verhaltens betrifft. Neomaskulinismus dient auch als Gegengift zur Verkommenheit der westlichen Welt, zum besinnungslosen Konsumwahn und zur Herrschaft von Staatsapparaten ohne moralische Autorität.
Auch wenn dieses Sammelsurium nicht auf einen einzigen Nenner zu bringen ist, so ist die scharfe Opposition gegen die Hydra linker Dogmen und Praktiken (Feminismus, “Antirassismus”, Gender-Theorie, Grenzenöffnung, vorauseilende Unterwerfung unter den Islam, Egalitarismus, mitunter sogar Atheismus) hin zu einer identitären, pro-westlichen, pro-maskulinen, pro-“patriarchalen” Position als deutlicher roter Faden zu erkennen.
Hier wurde die Konsequenz aus einer Sackgasse gezogen, die ich vor Jahren in meinem ersten Artikel über die besagte Szene konstatiert habe:
Viele »Pick-Up-Artists« finden sich schnell in einem endlosen Bäumchen-Wechsel-Spiel wieder, in dem sie sich allmählich in »soziale Roboter « verwandeln, die unfähig sind, eine dauerhafte Bindung einzugehen. Hier bleibt die Tiefe des Eros, wie sie etwa Denis de Rougemont in Die Liebe und das Abendland beschrieben hat, ebenso auf der Strecke wie die auf Beständigkeit ausgerichtete patriarchale Form der Männlichkeit. (…)
Der Punkt ist, daß Männlichkeit nicht nur inszeniert und behauptet sein will, um »nachhaltig« wirksam zu sein. Das Einstudieren von Verführungstricks und Männlichkeitsgesten verheddert sich dann, wo Virilität auf tönernen Füßen steht und nicht durch Vollzug vom ganzen, wahren Leben gedeckt ist.
Eine weitere Frage wäre, inwiefern die Krise der westlichen Welt mit diesen Dingen zu tun hat. Meiner Meinung nach sehr viel.
Am tiefsten geblickt hat bislang wohl Roger Devlin. Auch Guillaume Faye hat sich dazu ausführlich geäußert.
Und man lasse sich nicht von seiner drastischen Sprache und der betont abgefuckten Bukowski-Pose täuschen: auch Akif Pirinçci hat alles begriffen.
Gustav Grambauer
Man muß den "date rape" aus der Dogmatik des Gewaltbegriffs heraus verstehen. Diese liegt - außer im Anarchosyndikalismus und im Ghandismus - in der sog. "Sozialen Interaktion" begründet:
https://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Interaktion
Alles was somit nicht expressis verbis
"'Ist das jetzt OKayiii für dich, wenn ich in dich eindringe' - 'OKayiii'"
ist, wird unter obiger Prämisse rechtsdogmatisch völlig folgerichtig unter "Gewalt" subsumiert.
- G. G.