Apropos weltfremde Kinder

In unserem Dorf werden naturgemäß wenige Plakate aufgehängt, schon gar keine großformatigen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Auf­ge­klär­te Zeit­ge­nos­sen müß­ten sich drü­ber ärgern, denn Heu und Hor­mo­ne hats auch hier. Den­noch: Die Rie­sen­pro­pa­gan­da der „Gib Aids kei­ne Chance”-Kampagne fehlt hier. Also: Mir nicht, Gott bewahre!

Heu­te soll­te ich mei­nen Kin­dern erklä­ren, was „Strip­tease-Par­ty” bedeu­tet, denn mit solch rei­zen­dem Clou wirbt gera­de eine Nach­bar­ge­mein­de für ein Dorf­fest. Mei­ne Kin­der, die nach dem Besuch unse­rer Sau­na gern nackend durch den Gar­ten toben, wun­der­ten sich ein wenig über mei­nen bur­schi­ko­sen Erklärungsversuch.

Vor grö­ße­ren Inter­pre­ta­ti­ons­schwie­rig­kei­ten ste­he ich immer dann, wenn uns bei Groß­stadt­be­su­chen jene unüber­seh­ba­ren BzGA-Pla­ka­te ins Auge fal­len. War­um hat die Bana­ne, die Bir­ne ein Plas­tik­män­tel­chen, und was bedeu­ten die necki­schen Sprü­che dazu genau? (Die Gro­ßen nen­nen das „Aids-Wer­bung”.)

Das einem Vor­schü­ler oder einer Acht­jäh­ri­gen zu erläu­tern ist ähn­lich schwie­rig, wie die­ser Alters­stu­fe bei­zu­brin­gen, daß minus mal minus plus ergibt. Wobei sol­che Rechen­auf­ga­ben immer­hin die see­li­schen Berei­che eini­ger­ma­ßen untan­giert las­sen. Unse­re gro­ßen Töch­ter wur­den jetzt unge­fragt (logisch!) mit der neu­en Anti-Aids-Rekla­me der Bun­des­be­hör­de (dem Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um unter­ste­hend) kon­fron­tiert. In deren Zen­trum ste­hen nach offi­zi­el­ler Ver­laut­ba­rung „Jugend­li­che und nicht-mono­gam leben­de Erwach­se­ne, Män­ner, die Sex mit Män­nern haben [also: kei­nes­falls nur soge­nann­te Schwu­le!], Frei­er und ande­re Gruppen.”

Mei­ne fast-jugend­li­chen Töch­ter wur­den auf dem Schlauch ste­hen gelas­sen. Was haben ein zer­wühl­tes Kin­der­zim­mer­bett, der Slo­gan „Herz erobern” und Aids mit­ein­an­der zu tun? Was genau, Mama, ist ein Bor­dell? Wer­ben „die” denn für sol­che Bor­del­le? Und war­um nen­nen die das „Lie­bes­or­te”? – unse­re Kin­der sind manch­mal gna­den­los katholisch.

Post­kar­ten mit dem Jugend­zim­mer oder dem Puff-Motiv könn­te ich ihnen kos­ten­los (die Kos­ten trägt, klar, der Steu­er­zah­ler, aber war­um wir das tun, wäre all­zu kom­pli­ziert zu erklä­ren) beim Amt bestel­len. Eben­so, unter vie­lem ande­ren Mate­ri­al, den 24seitigen Comic Alles ganz easy. Dar­in wird die jugend­li­che Haupt­fi­gur über­ra­schend damit kon­fron­tiert, daß Eva, die er so „gern mag”, mit ihm schla­fen möch­te. (Wär ja auch irgend­wie sexis­tisch, wenn’s anders­rum wär.)

Ach, ich bestel­le nichts. Zum gän­gi­gen Erklä­rungs­mus­ter wird  wir hier - dort die ande­ren. Ob mei­ne Kin­der dadurch welt­fremd blei­ben? Oder Außen­sei­ter wer­den? Und wenn- es gäb Schlim­me­res, nicht?

Apro­pos: Heu­te ist auch noch “Tag der Ver­kehrs­er­zie­hung” in der Schu­le. Ich hof­fe, es bleibt beim “rechts vor links” …

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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