Bei uns wird während eines Films nicht geflüstert und getuschelt. Es bleibt also bis zum Ende unklar, wie der andere es fand.
Es gab schon Fälle, wo man nach der Vorführung auf der Straße stand und gemeinsam tief seufzte. Allerdings kam aus dem einen Mund das Urteil „unterirdisch!“, aus dem anderen „genial“. Und dann wurde die Heimfahrt über gestritten. Selten, aber gelegentlich doch.
Abbrüche erfolgen, wenn, dann unter meiner Regie, Kubitschek neigt da zu geldökonomischen („wir haben doch bezahlt!“), ich zu zeitökonomischen Überlegungen („der Mist klaut mir Lebenszeit!“).
Heute war ich mit den beiden großen Mädchen „Lou Salome“ anschauen. Gutes Omen war schon mal, daß wir schwiegen, wo das Restpublikum (ausverkaufter Saal!) lachte und dort lachten, wo die anderen schwiegen. Nach dem Abspann auf der Straße aus drei Mündern: „Hinreißend!“ „Unglaublich gut!“ „Perfekt!“.
Ach, wie gut, wie hervorragend hat uns dieser Film (Regie: Cordula Kablitz-Post) gefallen! So recht nach unserem Geschmack. Besonderes Kunststück: wie hervorragend die Protagonisten (Nietzsche, Nietzsches Schwester Elisabeth, Paul Rée, Malwida von Meysenburg, Lou selbst in drei Lebensaltern ohnehin) besetzt waren – schier unglaublich. „Ist übrigens ein hübsches Poem von Lou Salome; könnt Ihr Euch merken“, doziere ich und wiederhole: „Die Welt, sie wird Dich schlecht begaben, glaube mirs, sofern Du willst ein Leben haben, raube Dirs!“ Die Töchter, milde: „Ja, Mama. Die Lou-Salome-Postkarte mit diesem Zitat hast Du uns schon vor Jahren geschenkt. Ham wir längst kapiert.“
14. Juli 2016 – Schlechte Ernte, gute Ernte: Wie jedes Jahr (seit 13 Jahren) wird es bei uns aus 30 Tomatenpflanzen ungefähr 10 Tomaten geben. Wenigstens 300 wären denkbar und wünschenswert. Es muß eine Art Tomatenfluch über unserem Haus liegen. Die Samen sind teils konventionelle Ware („Harzfeuer“), teils aus Ökobestand (Ochsenherz, Berner Rose etc.). Die Pflanzen sind teils mickrig, teils äußerst opulent. Früchte aber: halt höchstens zehn; maximal zwei pro Pflanze, normal: null. Warum nur? Theoretisch bin ich mittlerweile Tomatenspezialistin (ausgeizen, günstige Nachbarbepflanzung etc.), aber es trägt nichts aus. Teils wachsen sie in großen Kübeln voller Mist, teils auf Hügelbeeten, teils im Gewächshaus. Tomaten hassen uns, es muß so sein.
Wir haben dieses Jahr keine Mäuse, keine Schnecken, aber tausende Kartoffelkäfer (dorfweit), eine tolle Kinderbeschäftigung (das Absammeln) und eine Freude für die Hühner.
Ja, die Tiere! Die vermehren sich fleißiger denn je, und es ist so süß! Enten, Hühner, Katzen, Kaninchen! Unsere menschlichen Kinder waren begeistert von der Idee eines multirassischen Kindergartens. Klang wie immer toll, hat wie immer schlecht funktioniert. Katzenbabies und Kaninchenbabies: geht grad so. Man merkt einen deutlichen Intelligenzunterschied zugunsten der Katzen. Die Hühnerküken, meine absoluten Lieblinge, unterliegen leider allen anderen Altersgenossen. Die Entenküken, das haben sie von ihrer dummen, einfältigen Mutter und dem nicht nur dummen, sondern auch häßlichen Vater, unserem Knorpelerpel gelernt, reagieren einfach nur phobisch auf alles, was nicht Entenküken heißt.
Mit panischen Tierkindern zu spielen macht keinen Spaß. Außerdem riechen sie irgendwie schlecht, weshalb meine humanen Kindergärtnerinnen die Türkenentenbrut rasch ausschlossen aus dem erzwungenen Beisammensein. Aber auch der Rest war eher unzufrieden. Tochter: „Ich hab den Eindruck, daß alle am glücklichsten sind, wenn sie ganz unter sich bleiben.“
Das Ziegenkind ist beim Versuch übrigens außen vor geblieben. Es wurde zu aller Bedauern gerade geschlachtet und hat allen gut gemundet. Mußte sein: Das Böcklein hat wie sein Vorgänger Tante und Mutter frühreif besprungen, sehr aufdringlich. Dem Vorgängerböcklein war das schlecht bekommen: Ihn hatte die Tante auf die Hörner genommen- er hatte es nicht überlebt, ihn mußten wir begraben. So kann‘s gehen.
16. Juli 2016 – Um den Realitätsgehalt folgender Szene zu verdeutlichen, muß man wissen, daß der Sohn in den letzten Monaten ein wenig zur Großtönerei neigte. Nicht „politisch“, aber doch so, daß wir ihn manchesmal zurechtstutzen mußten. Zu groß die Klappe, zu klein der Mann.
Ich jäte. Ein paar Meter weiter disputieren das helle Stimmchen des Sohnes und der dunkle Baß der älteren Schwester. Ich höre nur ihn: „Nee. Also, ich hab die Schwarzen echt satt. Ich kann die nicht mehr sehen.“ Unverständliches Gebrummel der Tochter. Sohn: „Ist mir im Moment echt egal. Sollen sie halt vergammeln und verfaulen. Sollen sich andere drum kümmern. Ich mag die Schwarzen irgendwie nicht, oder nicht mehr. Zuviel davon gehabt. “
Gegenrede, akustisch unverständlich. Sohn: „ Ach komm, Weiße? Wo siehst Du noch Weiße? Also, ich hab schon lange das Gefühl, daß die irgendwie krank sind.“ Ich erhebe mich aus der Hocke. Ah, die Kinder sind bei den Johannisbeeren, den roten. Es entspricht übrigens der Wahrheit, daß die Sträucher mit den weißen Beeren nicht tragen. Oder kaum.
ulex
Tomaten sind im deutschen Osten ja auch völlig artfremd - die gehören doch nach Holland ins Gewächshaus :-)