So Jack Donovan, einer der interessantesten Autoren des US-Netzmagazins Alternative Right. Aus seiner Glosse “On Whining” (Über das Jammern) für das antifeministische bzw. männerrechtlerische Blog The Spearhead will ich im folgenden ausführlich zitieren – vor allem um hier ein für allemal einen Vorwurf zu klären, der inzwischen routinemäßig und in diskreditierender Absicht gegen die politische und kulturelle Kritik von Rechts (gibt es zur Zeit denn eine andere?) erhoben wird, sogar in diesem Blog selbst.
Ich selbst kann diesen Vorwurf kaum noch ernst nehmen, eher dient er mir inzwischen als zuverlässiger Lackmus-Test, um die Ahnungslosen und Einfaltspinsel auszufiltern. Kratzt man denn ein bißchen an der Oberfläche dieser Begriffsverwirrung, bemerkt man nämlich schnell den Abwehrreflex, den Versuch zur Einschüchterung, und die Angst, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen, die Angst vor den Fakten und den Konsequenzen der Dinge und des eigenen Denkens.
Nicht selten entdeckt man dann einen fast schon stupenden Unterwerfungswillen und eine (vermutlich kaum mehr bewußte) innere Aufweichung, die sich nach außen hin als Stärke und Positivität maskiert. Ob Spengler wohl das gemeint hatte, als er berühmterweise sagte, “Optimismus ist Feigheit”? Ich antworte darauf jedenfalls mit Doderer: “Die Lage ist immer legal.” Und nur auf ihrer Grundlage kann man aktiv werden.
Nun aber Donovan zum Thema, was “Jammern” nun eigentlich ist und was nicht (siehe nächste Seite).
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Männer sind besonders empfindlich gegenüber dem Vorwurf des Jammerns, denn es ist eine Beleidigung ihrer Männlichkeit, ein Kratzen an ihrer Ehre. Ein chronischer Jammerer ist impotent, inkompetent, abhängig, hilflos, kindisch, faul und hat keine Kontrolle über sein Schicksal. Er ist ein schwaches und launisches Wesen, unfähig seinen eigenen Willen durchzusetzen, ständig nach Aufmerksamkeit rufend und gibt allen anderen die Schuld an seiner Lage, außer sich selbst. Aus diesem Grunde verachten Männer die Politik der Opfer – wer das Opfer spielt, gibt die Kontrolle ab.
(…)
Der Jammervorwurf ist “Beschämungssprache”, aber manchmal sollten Männer sich tatsächlich vor sich selbst schämen. Ich würde mich eher vor mir selbst schämen, wenn ich versagt habe, eine Tugend, die ich hoch schätze, unter Beweis zu stellen, als für “schamlos” gehalten zu werden. Ein Mann, der keine Scham kennt, kennt keine Tugend und kein Gewissen, oder er ist ein Lügner.
Aber wenn wir uns einig sind, daß es so etwas gibt wie Gerechtigkeit, selbst wenn wir sie verdächtigen, etwas Subjektives zu sein, dann glauben wir auch, daß es tatsächliche Ungerechtigkeit gibt, es sei denn wir glauben, daß wir in einer vollkommen gerechten Welt leben. (…)
Wenn wir vor ernstzunehmenden Schwierigkeiten stehen und Ungerechtigkeiten wahrnehmen, dann muß es einen ehrenvollen Weg geben, darüber zu sprechen. (…) Es lohnt sich, zu definieren, was Jammern nun wirklich ist. Denn während jeder Mann manchmal jammert, will keiner ein Jammerer sein. Wo also zieht man die Grenze?
* Echtes Jammern ist kindisch.
Jammern ist ein Schrei nach Sympathie für sich selbst, wie aus dem Mund eines Babys. Es sagt “Ich kann nicht, weil…” und demonstriert Hilflosigkeit und Machtlosigkeit, weil es keine Verantwortung dafür übernimmt, seine eigene Lage zu ändern.
Es gibt legitime Sorgen im Leben, und es gibt legitime Gründe, Aufmerksamkeit für seine eigenen Schwierigkeiten einzufordern. Manchmal steht man tatsächlich mächtigen Kräften und größeren Hindernissen auf dem eigenen Weg gegenüber. Der Unterschied zwischen Gejammer und der Anerkennung eines Problems ist, daß der Mann, der ein Problem anerkennt, auch zeigt, daß er alles tut, was in seiner eigenen Kraft liegt, um das Hindernis zu überwinden oder das Beste daraus zu machen. (…)
* Die sachliche Beschreibung eines Problems ist kein Jammern.
Außer, wenn dabei man um etwas bittet. Sympathie ist etwas. Und Bitten ist Betteln.
* Ein Ruf zu den Waffen ist kein Jammern.
Wenn man ein Hindernis identifiziert und man versucht, andere, die vor demselben Hindernis stehen, dazu zu bewegen, gemeinsam dagegen zu kämpfen, dann übernimmt man Verantwortung dafür, die Umstände zu verändern. Diejenigen, die das Hindernis geschaffen haben oder davon profitieren, mögen das als Jammern bezeichnen, aber sie verteidigen bloß ihre eigenen Interessen, indem sie deine Einwände zurückweisen.
* Echtes Jammern ist selbstbezogen.
Echte Jammerer scheren sich nicht darum, daß andere Menschen auch Probleme haben. Jammerer sind übertrieben auf ihre eigenen Probleme fixiert. Dazu fällt mir folgender Abschnitt über das Nachkriegsjapan aus dem Buch “Geständnisse eines Yakuza” ein:
In dieser Welt gab es einige Dinge, über die man einfach nicht sprach. Eines davon war “Ich habe Hunger”; andere “Mir ist kalt” oder “Mir ist heiß”. Was den Hunger betraf, so saßen sie alle in demselben Boot, und es gab eine Art Wettbewerb, wer es am längsten aushielt. Wenn einer der Männer, die dort herumstanden, sich beschwerte, daß er hungrig sei, dann wurde er als Außenseiter behandelt, als Waschlappen, der nicht den Mut hatte, es auszuhalten. Sie kamen selber kaum durch, und wenn nun noch einer angefangen hätte, übers Essen zu sprechen, das hätte das Maß voll gemacht.
Niemand will von deinen Problemen hören, besonders, wenn sie alle in demselben Boot stecken. Sich gegenseitig zu bemitleiden ist ein unwürdiger, aber verständlicher Zug der menschlichen Natur. Einseitiges Jammern in der Gegenwart anderer, die dasselbe (oder schlimmere) Problem haben, ist aufdringlich.
* Auf die Probleme anderer hinzuweisen, ist definitiv kein Jammern.
Es ist unmöglich, für jemand anders zu jammern. Seine Stimme zu erheben, um echte oder wahrgenommene Ungerechtigkeiten zu korrigieren, ist eine noble Geste – oder zumindest der Versuch dazu. Die anderen mögen deinen Zielen, deinen Meinungen, deiner Logik oder deiner Einschätzung der Situation nicht zustimmen – aber wenn sie dich beschuldigen, wegen eines anderen zu jammern, dann verdienen sie es nicht, daß man sie ernst nimmt.
Wenn man in der Vergangenheit Ungerechtigkeiten zu ertragen hatte und sie überwunden hat, und seine Geschichte öffentlich erzählt, um anderen zu helfen, die vor denselben Schwierigkeiten stehen, dann ist auch das kein Jammern.
Manchmal freilich dienen altruistische Absichtserklärungen als Fassade für diejenigen, die “Opfer-Prominente” werden wollen. Manche Menschen beuten Probleme aus oder erfinden gar sie erst, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn das der Fall ist, dann ist das weniger Jammern als zynisch, opportunistisch und unehrenhaft.
* Sozialkritik ist kein Jammern.
Sozialkritik ist Sozialkritik.
Auf den Punkt gebracht, ist Sozialkritik, zu sagen: “Das hier ist ein Mist, und aus diesem und jenem Grund ist es ein Mist, und darum möchte ich, daß sich das ändert, damit sich unsere Gesellschaft verbessern kann.”
Jammern dagegen wäre: “Das hier ist Mist, der mich betrifft, und darum möchte ich, daß ihr Mitleid empfindet und euch um mich kümmert.”
Es ist wichtig, daß man lernt, legitime Jammer-Vorwürfe zu unterscheiden von einer generellen Zickigkeit in eigener Sache, von knieweichen Reaktionen und Versuchen, eine Debatte zu ersticken oder zu manipulieren. Nicht alle Jammer-Vorwürfe sind gleichviel wert, und zu begreifen, wann man den Mist anderer Leute von sich abperlen lassen muß, erlaubt einem, seine Energie in produktivere Wege zu leiten.
Quelle: On Whining.
Weitere Texte: Jack Donovan auf Alternative Right und The Spearhead.