Udo Voigt ist der Neger der Bundesrepublik

In der Juni-Ausgabe des Merkur ist ein bemerkenswerter Aufsatz von Horst  Meier mit dem Titel "Sonderrecht gegen Neonazis?" erschienen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Mit der Ver­schär­fung des § 130, durch die seit 2005 nicht allein “Holo­caust-Leug­ner” mit straf­recht­li­chen Kon­se­quen­zen zu rech­nen haben, son­dern auch wer “natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Gewalt- und Will­kür­herr­schaft bil­ligt, ver­herr­licht oder recht­fer­tigt”, habe eine schlei­chen­de ” fata­le Ideo­lo­gi­sie­rung des Grund­rechts” ein­ge­setzt, die „schwe­re Kol­la­te­ral­schä­den für die Bür­ger­rech­te“ und die Mei­nungs­frei­heit mit sich brächte.

Es ist zu emp­feh­len, die­sen Auf­satz im Zusam­men­hang mit der “Cau­sa Voigt” zu lesen.  Die­se hat in dan­kens­wer­ter Klar­heit der Blog­ger Man­fred zusam­men­ge­faßt. Wich­tig an dem Urteil, das gegen den Klä­ger Voigt ent­schied, ist vor allem die Begrün­dung des Land­ge­richts Frankfurt/Oder. Dem­nach kann das All­ge­mei­ne Gleich­stel­lungs-Gesetz (AGG), auf das sich Voigt (mit grim­mi­gem Humor?) berief, -

Ziel des Geset­zes ist, Benach­tei­li­gun­gen aus Grün­den der Ras­se oder wegen der eth­ni­schen Her­kunft, des Geschlechts, der Reli­gi­on oder Welt­an­schau­ung, einer Behin­de­rung, des Alters oder der sexu­el­len Iden­ti­tät zu ver­hin­dern oder zu beseitigen.

… in die­sem Fall nur ein­ge­schränkt ange­wandt wer­den, weil man – offen­bar schon wei­se vor­aus­bli­ckend – mit einem klei­nen Ein­griff dafür gesorgt hat, daß die poli­ti­schen Neger drau­ßen­blei­ben.  Das AGG sei

… zwar grund­sätz­lich anwend­bar, soweit hier eine Dis­kri­mi­nie­rung wegen einer Welt­an­schau­ung, die auch poli­ti­sche Über­zeu­gun­gen umfas­sen könn­te, vor­lie­gen wür­de. Aus der kon­kret ein­schlä­gi­gen Vor­schrift aber war vom Gesetz­ge­ber ganz bewußt der Begriff der „Welt­an­schau­ung“ gestri­chen wor­den, weil „die Gefahr (besteht), daß z.B. Anhän­ger rechts­ra­di­ka­len Gedan­ken­guts auf­grund der Vor­schrift ver­su­chen, sich Zugang zu Geschäf­ten zu ver­schaf­fen, die ihnen aus aner­ken­nens­wer­ten Grün­den ver­wei­gert wur­den.” (BT-Druck­sa­che 16/2022 zu Nr. 4 Buch­sta­be a.)

Also im Grun­de eine ähn­li­che recht­li­che Aus­nah­me mit ein­sei­ti­ger poli­ti­scher Stoß­rich­tung, wie sie von Mei­er im Mer­kur kri­ti­siert wird. Mit ande­ren Wor­ten: Son­der­ge­set­ze gegen Rechts, für deren erwei­ter­te Anwen­dung sich “aner­ken­nens­wer­te Grün­de”  gewiß, wenn nötig, fin­den las­sen wer­den, und von denen man nicht hof­fen soll­te, daß sie bei den Aus­sät­zi­gen der NPD ste­hen­blei­ben werden.

All das wirft auch ein Licht zurück auf die Kon­zep­ti­on und Durch­set­zung des AGG an sich, die von vorn­her­ein ein­schlä­gig moti­viert war, und sich mit der übli­chen Heu­che­lei und Dop­pel­mo­ral der Libe­ra­len abge­si­chert hat. Man soll­te sich also auch als rech­ter oder kon­ser­va­ti­ver NPD-Geg­ner nicht damit beru­hi­gen, daß es eh nur wie­der “everybody’s nig­ger” erwischt hat.

Ein ande­rer pro­ble­ma­ti­scher Aspekt der Cau­sa geht aus kon­ser­va­ti­ver Sicht in eine gänz­lich ande­re Rich­tung: inso­fern näm­lich das AGG und ähn­li­che “Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­be­stim­mun­gen” Dritt­rech­te durch­zu­set­zen beab­sich­ti­gen, grei­fen sie in die per­sön­li­che Frei­heit, etwa die Ver­trags­frei­heit ein. Unlängst ist in den USA der Liber­tär­kon­ser­va­ti­ve Rand Paul über eine sol­che Dis­kus­si­on gestolpert.

Im Mai gab es in der BZ die Mel­dung, daß ein tür­ki­scher Döner­bu­den-Besit­zer in der Nähe des als Dro­gen­um­schlag­platz berüch­tig­ten Gör­lit­zer Parks in Kreuz­berg Haus­ver­bot für alle Schwar­zen erteilt hat, da die­se erfah­rungs­ge­mäß über­durch­schnitt­lich oft Dro­gen­dea­ler sind. Das weiß auch die Poli­zei, die dem Döner­bu­den­be­sit­zer durch häu­fi­ge Raz­zi­en das Geschäft ver­mas­selt. Die­ses “racial pro­fil­ing” als Not­lö­sung hat man ihm mit einer Anzei­ge heim­ge­zahlt. Die BZ:

Schwar­ze unter Gene­ral­ver­dacht – das lie­ßen sich eini­ge sei­ner Kun­den nicht gefal­len und rie­fen die Poli­zei. Einer erstat­te­te sogar Anzei­ge, weil er sich ras­sis­tisch belei­digt fühl­te. Öztürk hat sein Ver­bot für Afri­ka­ner vor eini­gen Tagen auf­ge­ho­ben. In der Nacht zum Sonn­tag gab es wie­der eine Polizeirazzia…

Nun hat Heinz Bau­meis­ter, der Direk­tor des 4‑S­ter­ne-Well­ness-Hotels in Bad Saa­row, in einem Inter­view mit der taz nicht anders argu­men­tiert als der Döner­bu­den­be­sit­zer: Udo Voigt sei “schlecht fürs Geschäft”, denn mit sei­ner Anwe­sen­heit kön­ne er sei­nen Gäs­ten kein “Wohl­fühl­ge­fühl” (sic!) garan­tie­ren, weil die armen streß­kran­ken Kun­den ver­mut­lich Herz­in­fark­te, epi­lep­ti­sche Anfäl­le, Magen­ge­schwü­re und Distan­zie­rungs­zwangs­neu­ro­sen bekom­men, wenn sie neben dem NPD-Chef im brau­nen Schlamm oder Schwe­fel­be­cken baden müs­sen. Oder weil sie zumin­dest an ihrem Vier-Ster­ne-Früh­stücks-Ei zu wür­gen begin­nen, wenn Deutsch­lands Schlech­te-Lau­ne-Typ No. 1 am Neben­tisch sitzt.

Indes­sen war Voigt bereits gan­ze vier­mal (!) zu Gast in dem näm­li­chen Hotel, offen­bar ohne daß das Hotel her­nach Bank­rott gegan­gen wäre, oder daß irgend­je­mand  Scha­den an sei­ner See­le oder sei­nem Ruf genom­men hät­te, aus­ge­flippt, umge­kippt, vor Schreck gestor­ben, oder mit einer Beschwer­de zur Hotel­di­rek­ti­on gerannt wäre.

Man könn­te nun frei­lich argu­men­tie­ren, daß der Döner­bu­den­be­sit­zer eine pau­scha­le Dis­kri­mi­nie­rung ver­hängt hat, die auch unschul­di­ge Afri­ka­ner trifft, wäh­rend Voigt als Ein­zel­per­son “dis­kri­mi­niert” wur­de, weil er eine öffent­lich bekann­te, unpo­pu­lä­re Figur ist, die stark “pola­ri­siert”.  Aber es geht um mehr als Voigt in sei­ner Funk­ti­on als umstrit­te­ner semi-pro­mi­nen­ter Poli­ti­ker. Die taz bezeich­ne­te die Strei­tig­keit als “wich­ti­gen Prä­ze­denz­fall für den Umgang der Gas­tro­no­mie mit rechts­extre­men Kun­den” über­haupt.  In Zukunft könn­te es also mit recht­li­cher Absi­che­rung jeden belie­bi­gen NPD-affi­nen Hotel­gast tref­fen, selbst wenn die­ser kei­ne oder kei­ne beson­ders bekann­te öffent­li­che Figur ist.

Bau­meis­ter gegen­über der taz:

Die Gäs­te haben ein Recht dar­auf, daß die Atmo­sphä­re stimmt und auch die Tole­ranz ihnen gegen­über (sic!).

Wel­che Mög­lich­kei­ten blei­ben einem Hote­lier eigent­lich, wenn er befürch­tet, daß sich Gäs­te durch bestimm­te Per­so­nen im Haus belei­digt und beläs­tigt füh­len? Hier muß doch das Haus­recht eines Hote­liers greifen!

Der Clou hier ist, daß Voigt ja über­haupt nichts der­glei­chen (“beläs­ti­gen” und “belei­di­gen”) getan hat, und ver­mut­lich auch nicht vor­hat­te. Er kann sich theo­re­tisch völ­lig kor­rekt und pri­vat ver­hal­ten, sei­ne blo­ße Exis­tenz und Anwe­sen­heit wird als unzu­mut­ba­re “Beläs­ti­gung” gewer­tet, als hät­te man in vik­to­ria­ni­schen Zei­ten eine stadt­be­kann­te Nut­te als Zim­mer­nach­bar.  Wo läge nun der Unter­schied, wenn ich in einem Restau­rant dem Wirt sagen wür­de, der Gast am Neben­tisch schaut so komisch oder links­extrem aus, das stört mich, schmei­ßen Sie ihn raus? Die Meta­pher von der NPD in der Rol­le der Repu­bliks­ne­ger sitzt genau.

Nun mag man sagen: Schön, die­se Leu­te von der NPD “dis­kri­mi­nie­ren” ande­re ja auch (und wer­den dafür, wie etwa Voigt selbst, mit Mei­nungs­de­likt-Para­gra­phen bestraft), geschieht ihnen recht, wenn man sie ihrer­seits “ras­sis­tisch” behan­delt. Aber einen sol­chen Affekt zur Rechts­grund­la­ge machen zu wol­len, wäre für einen Rechts­staat fatal.

Das Inter­view Bau­meis­ters mit der taz ist übri­gens ein Para­de­stück an anbie­dern­der Glit­sch­keit. Frei­lich ist jeder gas­tro­no­mi­sche Dienst­leis­ter irgend­wo Oppor­tu­nist, und muß es letzt­lich auch sein, weil er von sei­ner Außen­wir­kung lebt, und es sich nicht leis­ten kann, sich den Spiel­re­geln des Zeit­geists zu ver­sa­gen, wenn er sich sein Busi­ness nicht ver­der­ben will. Und daß es hier um Busi­ness und nicht Poli­tik ging, geht aus dem Inter­view expli­zit her­vor. Hier noch zum Abschluß ein Best of:

taz: Kön­nen Sie sich erklä­ren, war­um aus­ge­rech­net der NPD-Chef sich für Ihr Hotel begeis­tert? Schließ­lich wer­ben Sie mit “Welt­of­fen­heit vor den Toren Ber­lins” und bie­ten exo­ti­sche Well­ness-Anwen­dun­gen wie Hawai­ia­ni­sche Tem­pel­mas­sa­gen oder Asia­ti­sche Fußreflexzonenrituale. 

Bau­meis­ter: Unser Mot­to heißt: Erfri­schung fürs Ich. Wir wol­len unse­ren Gäs­ten ganz­heit­li­che, nach­hal­ti­ge Erho­lung bie­ten. Und ich kann durch­aus ver­ste­hen, daß jeder Mensch die­ses Ange­bot wahr­neh­men möch­te – ich sage bewußt: jeder Mensch.
(…)

taz: Sie spre­chen von Tole­ranz. Voigt beruft sich in sei­ner Kla­ge auf das Grund­ge­setz, wonach nie­mand wegen sei­ner poli­ti­schen Über­zeu­gung benach­tei­ligt wer­den darf. Er ver­gleicht Ihr Haus­ver­bot sogar mit der Dis­kri­mi­nie­rung von Aus­län­dern oder Behinderten … 

Bau­meis­ter: Voll­kom­me­ner Unsinn! Wir haben vie­le aus­län­di­sche Gäs­te, unser Hotel ist behin­der­ten­freund­lich. Als nächs­tes gren­ze ich Behin­der­te aus? Hal­lo, da müß­te ich mich ja selbst aus­gren­zen! Ich bin zu 50 Pro­zent schwer­be­schä­digt und gehö­re zu Grup­pen, die man auch Rand­grup­pen nennt oder Min­der­hei­ten oder sonst was.

(…)
taz: Ihr Hotel gilt als “gay­fri­end­ly” und wirbt auch um die homo­se­xu­el­le Szene. 

Bau­meis­ter: Homo­se­xu­el­le sind bei uns stark ver­tre­ten, sie sind will­kom­me­ne Gäs­te, sehr lie­be Gäs­te. Und ich kann und will es mir nicht erlau­ben, sol­che Gäs­te zu ver­grau­len. Die­ses Unter­neh­men muß wirt­schaft­lich sein.

 

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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