Oliver Stones sozialistische Selbstkritik

"Bei Streitigkeiten innerhalb der Linken trifft es immer einen Richtigen", schrieb mir augenzwinkernd ein Bekannter, als er mir einen Link...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

über die “umstrit­te­nen Äuße­run­gen” des dezi­diert lin­ken Star­re­gis­seurs (und Chá­vez- & Cas­tro-Fans) Oli­ver Stone, bekannt durch “Pla­toon”, “Wall Street” oder “Natu­ral Born Kil­lers”, zuschick­te. Stone war ver­mut­lich wie­der tüch­tig ein­ge­kokst, als er in einem ver­ba­len Rund­um­schlag gleich meh­re­re hei­li­ge Kühe schlach­te­te, unter denen natür­lich die fol­gen­de die Aller­hei­ligs­te war.

Gefragt, war­um der Holo­caust den­noch stär­ker im Bewusst­sein der Öffent­lich­keit ver­an­kert sei, ant­wor­te­te der Regis­seur: “Das ist die jüdi­sche Domi­nanz in den Medi­en. Da gibt es eine gro­ße Lob­by in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Sie sind flei­ßi­ge Arbei­ter. Sie sind ganz oben bei den Kom­men­ta­ren, die mäch­tigs­te Lob­by in Washington.”

Er füg­te wei­ters hin­zu, daß “Isra­el die ame­ri­ka­ni­sche Außen­po­li­tik seit Jah­ren ruiniere”.

Was dar­auf an Ent­rüs­tung, Gegen­at­ta­cken und “Antisemitismus”-Vorwürfen folg­te, war vor­her­seh­bar, weni­ger aller­dings, daß das noto­ri­sche Hol­ly­wood-Groß­maul so schnell klein bei­geben wür­de, und eine demü­ti­ge Total-Ent­schul­di­gung vor­brach­te, die wohl nicht von unge­fähr an die berüch­tig­te “sozia­lis­ti­sche Selbst­kri­tik” erinnert:

Bei dem Ver­such, die deut­schen Kriegs­ver­bre­chen in einem brei­te­ren his­to­ri­schen Kon­text ein­zu­ord­nen, habe ich eine plum­pe Bemer­kung über den Holo­caust gemacht, die mir leid tut und die ich bereue.(…)

Juden kon­trol­lie­ren natür­lich nicht die Medi­en oder irgend­ei­ne ande­re Bran­che. Der Umstand, daß der Holo­caust heut­zu­ta­ge noch immer ein sehr wich­ti­ges und prä­sen­tes The­ma ist, ist das Ver­dienst einer hart arbei­ten­den Koali­ti­on von Leu­ten, die sich der Erin­ne­rung an die­se Greu­el­tat ver­pflich­tet haben – und es war eine Greueltat.

Die Iro­nie die­ser gan­zen Sze­ne schreit natür­lich nach Orwell. Nein, es gibt natür­lich kei­ne mäch­ti­ge jüdi­sche Lob­by in Hol­ly­wood oder sonst­wo, aber immer­hin ist die­se nicht­vor­han­de­ne Macht imstan­de, einen Druck auf­zu­bau­en, der in Win­des­ei­le einen rau­hen Kno­chen wie Oli­ver Stone (der übri­gens einen jüdi­schen Vater hat) um 180° Grad her­um­dreht und zu Kreu­ze krie­chen läßt. (Wenn die gan­ze Ent­schul­di­gung nicht ohne­hin bloß ein blu­ti­ger Witz ist.)

Neu ist das alles nicht: Schon Mar­lon Bran­do, wie Stone ein enfant ter­ri­ble sei­nes Metiers, hat­te sich mäch­tig Ärger ein­ge­han­delt, als er anno 1996 in einem TV-Inter­view äußer­te: “Hol­ly­wood is run by Jews; it is owned by Jews…”, und er füg­te hin­zu, daß es die­sen an “Sen­si­bi­li­tät für das Lei­den ande­rer Men­schen” feh­le. (“…and they should have a grea­ter sen­si­ti­vi­ty about the issue of peo­p­le who are suf­fe­ring.”)

Dar­auf­hin ant­wor­te­te die jüdi­sche Zeit­schrift “Moment” mit einer pro­vo­kan­ten Titel­ge­schich­te – Bran­do habe recht:  “Juden kon­trol­lie­ren Hol­ly­wood – Na und?”.  Das begann schon in der klas­si­schen Zeit, als sämt­li­che gro­ßen Stu­di­os von ein­ge­wan­der­ten (ost-)europäischen Juden wie etwa Lou­is B. May­er, den War­ner-Brot­hers, Carl Laemm­le, Adolph Zukor, Samu­el Gold­wyn, Wil­liam Fox, Irving Thal­berg oder Joseph Schenck gegrün­det und/oder gelei­tet wurden.

Es bedarf nur gerin­ger Netz­re­cher­chen, um fest­zu­stel­len, daß sich an die­ser jüdi­schen Domi­nanz im US-Show-Biz bis heu­te kaum etwas geän­dert hat. Nun könn­te man tat­säch­lich fra­gen: na und? Ist die­se Tat­sa­che etwas, wofür sich die ame­ri­ka­ni­schen Juden, die nun Stones Kopf for­dern, schä­men müß­ten? Oder fühlt man sich etwa ertappt?

Dabei darf im posi­ti­ven Kon­text durch­aus geäu­ßert, ja posi­tiv her­vor­ge­ho­ben wer­den, was Stone nun öffent­lich ver­leug­nen muß­te. 2008 etwa schrieb der Jour­na­list Joel Stein in der LA Times, daß er “als stol­zer Jude” wol­le, “daß Ame­ri­ka von unse­ren Leis­tun­gen erfährt.”

How deep­ly Jewish is Hol­ly­wood? When the stu­dio chiefs took out a full-page ad in the Los Ange­les Times a few weeks ago to demand that the Screen Actors Guild sett­le its con­tract, the open let­ter was signed by: News Corp. Pre­si­dent Peter Chern­in (Jewish), Para­mount Pic­tures Chair­man Brad Grey (Jewish), Walt Dis­ney Co. Chief Exe­cu­ti­ve Robert Iger (Jewish), Sony Pic­tures Chair­man Micha­el Lyn­ton (sur­pri­se, Dutch Jew), War­ner Bros. Chair­man Bar­ry Mey­er (Jewish), CBS Corp. Chief Exe­cu­ti­ve Les­lie Moon­ves (so Jewish his gre­at uncle was the first prime minis­ter of Isra­el), MGM Chair­man Har­ry Slo­an (Jewish) and NBC Uni­ver­sal Chief Exe­cu­ti­ve Jeff Zucker (mega-Jewish). If eit­her of the Wein­stein brot­hers had signed, this group would have not only the power to shut down all film pro­duc­tion but to form a min­yan with enough Fiji water on hand to fill a mikvah. (…)

But I don’t care if Ame­ri­cans think we’­re run­ning the news media, Hol­ly­wood, Wall Street or the govern­ment. I just care that we get to keep run­ning them.

Arti­kel die­ser Art aus jüdi­scher Feder in dezi­diert jüdi­schen Publi­ka­tio­nen fin­den sich reich­lich im Netz – es kommt also offen­bar eher dar­auf an, wer etwas sagt, als was er sagt.

Was nun den ande­ren Aspekt von Stones angeb­lich so skan­da­lö­ser Kri­tik betrifft, so sind es auch hier gera­de ame­ri­ka­ni­sche Juden wie Peter Novick , Nor­man Fin­kel­stein oder Tova Reich, die seit Jah­ren mit dem Mär­chen auf­räu­men, daß “die­se hart arbei­ten­de Koali­ti­on von Leu­ten, die sich der Erin­ne­rung an die­se Greu­el­tat ver­pflich­tet haben” alle­samt selbst­los schuf­ten­de Engel sei­en, die nichts wei­ter im Sinn hät­ten, als zur Mah­nung der Mensch­heit die rei­ne Flam­me der Erin­ne­rung an die Sho­ah zu bewah­ren. Es geht hier viel­mehr längst auch um hand­fes­te poli­ti­sche, kom­mer­zi­el­le, eth­ni­sche und kul­tu­rel­le Eigen­in­ter­es­sen, um Geld, Macht und Ein­fluß. Wer dar­an wirk­lich noch zwei­felt, dem emp­feh­le ich drin­gend, sich den Doku­men­tar­film “Defa­ma­ti­on” des israe­li­schen Regis­seurs Yoav Shamir zu Gemü­te zu führen.

Daß die Film­in­dus­trie zu die­sem Kom­plex mehr als nur ein Schärf­lein bei­trägt, muß wohl nicht wei­ter aus­ge­führt wer­den. Ein Autor des Jewish Jour­nal ver­mu­tet – nicht anders als Stone -, daß es ohne den ( “Gott sei Dank”) enor­men jüdi­schen Ein­fluß in Hol­ly­wood “neun­zig Pro­zent weni­ger Holo­caust-Dra­men” gäbe. Die­se sind inzwi­schen zum eige­nen Gen­re wie einst der Wes­tern oder das Musi­cal mutiert, und Fil­me mit die­ser The­ma­tik wer­den mehr als je zuvor pro­du­ziert, in allen mög­li­chen Sub-Varia­tio­nen vom Psy­cho­dra­ma (“Der Vor­le­ser”, “Adam Hun­de­sohn” ) über den Kin­der­film (“Der Jun­ge im gestreif­ten Pyja­ma”) und den heroi­schen Kriegs­film (“Defi­ance”) bis zum post­mo­der­nen Gewalt-Kla­mauk (“Ing­lou­rious Bas­ter­ds”).  Das hängt inzwi­schen auch vie­len Juden zum Hal­se raus, wie etwa Stuart Kla­wans 2008 in dem Maga­zin Tablet: “Say­ing ‘Never again’ to Holo­caust movies”: “Indem sie stän­dig die Geschich­te nach­spie­len, neu inter­pre­tie­ren und neu erfin­den, ver­ne­beln die­se Fil­me das, wor­an sie zu erin­nern behaupten.”

Was immer man von Oli­ver Stones Fil­men hal­ten mag, als poli­tisch bewuß­ter, streit­ba­rer und vor allem inkor­rek­ter Fil­me­ma­cher mit einem Hang zu star­ken The­sen, muß­te er wohl frü­her oder spä­ter über die­sen Kom­plex stol­pern, und es ent­spricht sei­ner “Crash & Burn”-Natur, daß er das Maul nicht hal­ten konn­te. Daß er es so schnell wie­der schlie­ßen muß­te, wird wohl nur die Aller­na­ivs­ten nicht zum Nach­den­ken bringen.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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