sich über jeden, der kulturell etwas auf die Beine stellt. Nach dem zehnten Anruf aus Magdeburg und der fünften Werbe-Mail überwand ich mich und sagte dem netten Projekt-Team die Teilnahme meines Verlags Antaios zum Bücherfest “UmGeblättert” zu:
Ein Wochenende Bücherstand in einem schön renovierten Vierseithof unfern dem Zentrum Magdeburgs, familiäre Atmosphäre, vielleicht sogar ein Familienausflug, Standkosten 50 €, dazu natürlich Material- und Personaleinsatz, aber bitte: In ganz Sachsen-Anhalt gibts etwa so viele Verlage wie in Tübingen, und die Teilnehmerliste las sich so kläglich, daß meine Zusage aus Mitleid, Landessolidarität und Freude über die Normalität des Vorgangs bestand.
Interessant war darüberhinaus, daß ich zwei Veranstaltungen anmelden konnte: Felix Menzel und ich selbst würden am Samstagnachmittag “Warum Sarrazin notwendig war” zur Diskussion stellen, und am Abend würde Andreas Krause Landt aus “Mein jüdisches Viertel, meine deutsche Angst” vorlesen – jenem Essay über die Schuldfrage und die eigene Familiengeschichte, der ebenso entwaffnend ehrlich wie eindrücklich geschrieben ist (hier mehr Informationen).
Am vergangenen Donnerstag rief ich nochmals bei der Organisatorin an: Der Wein für die abendliche Lesung war besorgt, und sie freute sich auf schönes Wetter, ein Kennenlernen und ein feines Bücherfest. Sie hatte – ich wiederhole das – zu diesem Zeitpunkt drei Monate lang auf unseren Internetseiten nachgelesen, hatte auf meinen Sarrazin-Vorschlag hin interessiert nachgefragt und sich natürlich auch über Landts Essay und unsere Beteiligung an dieser “WeinLese” gefreut.
Ich fuhr mit Felix Menzel am Samstag von Schnellroda aus los und traf gegen 12.00 Uhr am Moritzhof in Magdeburg zum Aufbau ein. Am Mittwoch noch hatte meine Sekretärin rund 100 Sezession-Leser und Buchkunden aus Magdeburg und Umgebung angeschrieben und auf das Bücherfest hingewiesen. Wir freuten uns auf Gespräche mit Lesern, die man sonst nicht persönlich kennenlernen kann.
Im Moritzhof fragten wir nach den Veranstaltern und unserem Büchertisch. Eine Stimme von halblinks: “Herr Kubitschek?” Dann lapidar die Ansage: Man habe in der Nacht auf heute dank eines Hinweises unsere politische Einstellung und unser Verlagsprogramm “im Vorstand” nochmals prüfen können und untersage uns hiermit die Teilnahme am Bücherfest.
Man habe uns heute morgen im Büro telefonisch zu erreichen versucht. – Während uns dies mitgeteilt wurde, stand die Organisatorin wie ein begossener Pudel dabei, sie wird ihre antifaschistische Lektion in der Nacht in Form eines Einlaufs bekommen haben. Auf meine Nachfrage, ob sie sich denn nicht durchsetzen könne (schließlich kenne sie seit einem Vierteljahr unsere Inhalte) kam nicht viel: Man sehe es unseren Büchern und Internetseiten nicht gleich an. – Was sieht man diesem Netz-Tagebuch nicht gleich an? Was muß man vermuten hinter einer Oberfläche, der man nichts ansieht, was eine Teilnahme am Bücherfest unmöglich machte? Wie ist das mit der Herrschaft des Verdachts doch gleich? Wie mit dem permanenten Mimikry-Vorwurf?
Die Geschichte ist nun rasch zu Ende erzählt: Man bekommt keine Antwort, irgendwo telefoniert einer und sagt “die Rechten” seien jetzt da, “könnt ihr zur Verstärkung mal rüberkommen?”. Der Typ, der einem grinsend und mit seinem Schlüsselhalsband spielend gegenübersteht, faselt etwas von Nazi oder so. Man hat sich im Griff und haut ihm nicht in die Fresse, sondern macht kehrt, steigt ins Auto, fährt die zwei Stunden zurück nach Schnellroda und erklärt zuhause den älteren Kindern (denen – wenn sie solches erfahren – zurecht mulmig ist), was ein linkes Kulturzentrum ist, wovor diese Leute Angst haben, daß der ideologisch festgefahrene Mensch schon immer so war, genau so, auch im Dritten Reich oder in der DDR gehandelt hätte: Daß es also nicht die Weltanschauung ist, die jemanden zum Blockwart mache, sondern der Charakter, und daß das in Magdeburg in dieser Hinsicht wieder eine Lehrstunde war.
Zuletzt sagt man dann sich selbst und den Kindern, DASS ES JA AUCH ETWAS GUTES HAT, JETZT DEN SCHÖNEN NACHMITTAG ZU HAUSE VERBRINGEN ZU KÖNNEN, wo doch in Magdeburg eh nicht viel los war.
Zuvor haben Menzel und ich natürlich im Innenhof des Bücherfestes noch Bier getrunken und bis 14.00 Uhr auf die Antaios-Leser gewartet, die dann enttäuscht wieder abziehen mußten. Und selbst das: Daß wir da saßen, ein bißchen Umsatz brachten und einen der leeren Tische weniger leer aussehen ließen, fand der Typ mit dem Schlüssel-Halsband so richtig Scheiße. Endstation Bierbank: Was für ein schwacher, was für ein abgehalfterter Trost!
Nusquam
Sicher ist die Bierbank ein gar trauriger Trost. Aber es ist einer. Nicht unterkrigen lassen! Sie machen das gut.