Das kinderfreie Frl. Huber

Ganz nett, fast schüchtern lächelt Nicole Huber von der Umschlagsinnenseite ihres hoffnungsgrünen Buches. Der Eindruck aber,...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

daß die 38jährige Anwäl­tin für Aus­län­der- und Sozi­al­recht kein Wäs­ser­chen trü­ben könn­te, trügt. Frl. Huber hat es faust­dick hin­ter den Ohren – oder zent­ner­schwer auf der Seele.

Jeden­falls hat sie ein recht gars­ti­ges und haar­sträu­ben­des Buch geschrie­ben, das vom (nicht eben für femi­nis­ti­sche Schrill­tö­ne bekann­ten) Ver­lag Herbig als scharf­sin­ni­ges, „feu­rig-sar­kas­ti­sches Plä­doy­er für Kin­der­frei­heit“ bewor­ben wird: Kin­der­frei oder war­um Men­schen ohne Nach­wuchs kei­ne Sozi­al­schma­rot­zer sind, Mün­chen 2011.

Kin­der­frei­heit ist die dezi­diert posi­ti­ve Ummünz­ung des­sen, was gemein­hin als „frei­wil­li­ge Kin­der­lo­sig­keit“ benannt wird. Hubers Kern­the­se ist: Jedes Kind, das nicht gezeugt wird, ermög­licht einem bereits gebo­re­nen ein bes­se­res Leben. Zusam­men­ge­faßt liest sich ihre Kla­ge über den „hirn­ris­si­gen“ Gebär­wahn, der in unse­rem Land herr­sche, so: Eltern wer­den hier­zu­lan­de weit und breit glo­ri­fi­ziert, kin­der­lo­se Men­schen hin­ge­gen „ver­teu­felt“ (Ange­la Mer­kel? Anne Will? Gui­do Wes­ter­wel­le? Her­ta Mül­ler? Wer noch?). Leu­te wie der Dalai Lama, der Papst oder Erich Käst­ner müß­ten kon­se­quen­ter­wei­se als „kalt­her­zi­ge Schma­rot­zer“ gel­ten, gibt Huber spitz­fin­dig zu beden­ken, denn die haben ja kei­ne Kin­der in die Welt gesetzt! „Gad­da­fi ist ein wert­vol­le­rer Mensch als sie.“ Der hat näm­lich zahl­rei­che Kin­der, und Frl. Huber ist von die­sem angeb­li­chen „Wider­spruch herr­lichs­ter Natur“ so begeis­tert, daß sie höh­nisch vor­schlägt, die Bun­des­re­pu­blik sol­le doch gleich Josef Fritzl die Ehren­bür­ger­schaft antra­gen, immer­hin habe der doch 14 Kin­der gezeugt – wenn auch sie­ben davon mit sei­ner eige­nen Tochter.

Wei­ter in Frau Hubers kind­li­cher Logik: All die kin­der­be­ses­se­nen Leu­te hier reg­ten sich über Erwach­se­nen­zo­nen in Cafés und Hotels auf, aber die vie­len kind­li­chen Ver­kehrs­op­fer wür­den „ach­sel­zu­ckend hin­ge­nom­men“! In Frl. Hubers Welt sind in den Medi­en, vor allem in TV-Seri­en, posi­ti­ve „kin­der­freie“ Cha­rak­te­re schlicht „abwe­send“. (Dabei hat das Grim­me-Insti­tut ermit­telt, daß die deut­sche Fern­seh­frau im Schnitt nur 0,48 Kin­der hat, drei­vier­tel der Prot­ago­nis­ten sind kin­der­los.) Sie beklagt eine „Über­flu­tung“ durch Bil­der glück­li­cher Fami­li­en, wäh­rend die angeb­li­che rea­lis­ti­sche Ein­schät­zung vie­ler frus­trier­ter Eltern, daß „es das alles eben nicht wert ist“, gezielt tabui­siert werde.

Schlimm sei auch, zu welch frü­hem Zeit­punkt die Ver­herr­li­chung von Eltern­schaft (vul­go „Ver­meh­rungs­wahn“) begin­ne: Im pri­va­ten Bereich wür­den zur Ver­kün­di­gung einer Schwan­ger­schaft oder Geburt allein „Herz­li­che Glück­wün­sche“ akzep­tiert, „wobei man jeden Sar­kas­mus sorg­fäl­tig zu ver­mei­den hat.“ (Wel­chen Gruß wür­de sie selbst wohl gern über­mit­teln? „Mein Bei­leid, du Voll­pfos­ten“?) Das rüh­re daher, daß in unse­rer reak­tio­nä­ren, von strikt „pro­na­ta­li­sis­ti­scher Pro­pa­gan­da“ beein­fluß­ten Gesell­schaft mit ihrem „restrik­ti­ven Abtrei­bungs­re­ge­lun­gen“ von den ton­an­ge­ben­den „Fort­pflan­zungs­fa­na­ti­kern“ „Eltern­schaft von Kin­des­bei­nen an als unaus­weich­li­che Norm ver­mit­telt“ werde.

Nicht nur um die aus ihrer Sicht vor­herr­schen­de offen­kun­di­ge wie sub­ti­le Dis­kri­mi­nie­rung „Kin­der­frei­er“ geht es Frl. Huber – sie möch­te das grund­sätz­li­che Prin­zip einer staat­lich-soli­da­ri­schen Fami­li­en­för­de­rung in Fra­ge gestellt sehen. Sie lis­tet auf, um wie­viel höher die Steu­ern und Sozi­al­bei­trä­ge Kin­der­lo­ser sind (in der Tat zahlt eine ledi­ge Erwerbs­tä­ti­ge bei­spiels­wei­se einen höhe­ren Kran­ken­kas­sen­bei­trag als eine Haus­frau, die unter Umstän­den ohne wei­te­re Kos­ten noch eine Hand­voll Kin­der mit­ver­si­chert) und wid­met sich beson­ders aus­führ­lich dem soge­nann­ten Öko­lo­gi­schen Fuß­ab­druck. Kin­der sind dem­nach vor allem Scha­dens­ver­ur­sa­cher: Sie pro­du­zie­ren Treib­haus­ga­se, Müll, Lärm, Hun­gers­nö­te, Was­ser­knapp­heit. Daß der­glei­chen für Deutsch­land weni­ger Rele­vanz hat, tan­giert die Autorin nicht: „In Wahr­heit gibt es näm­lich nur eine Welt und eine Weltbevölkerung.“

Neun kin­der­freie Mit­strei­ter ergän­zen Frl. Hubers Kampf­schrift um per­sön­li­che Stel­lung­nah­men via O‑Ton. Da wäre etwa Sara, 39, deren Ver­lob­ter eigent­lich Kin­der woll­te, dann aber zuge­ben muß­te, daß er nie Win­deln wech­seln kön­ne, er käme ja „kaum mit Kat­zen­kot­ze und Kat­zen­klo zurecht“. Oder Inga, 38, die zwei­mal abge­trie­ben hat, weil sie schon „den Gedan­ken an Schwan­ger­schaft und Geburt absto­ßend“ fin­de. Jean­ne, 50, fürch­tet Beein­träch­ti­gun­gen ihres „aus­gie­bi­gen Sexu­al­le­bens“ und Thors­ten, 40, fühlt sich durch die his­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung Deutsch­lands gemahnt: Es sei dar­um „huma­ner, dass die Deut­schen auf Kin­der ver­zich­ten“ anstatt die zahl­rei­chen Flücht­lin­ge aus ande­rer Her­ren Län­der abzuweisen.

Nun könn­te man sich an der­glei­chen Mah­nun­gen und Extrem­the­sen (es wird auch ange­dacht, behin­der­te und ver­mut­lich nie bei­trags­zah­len­de Kin­der aus jeder För­de­rung her­aus­zu­neh­men) treff­lich rei­ben und sie vom Kern her aus­ein­an­der­neh­men. Allein, es ist nicht nötig. Es herrscht kein Geb­är­zwang für Frl. Huber und Kon­sor­ten. Und das ist defin­tiv gut so.

 

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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