daß die 38jährige Anwältin für Ausländer- und Sozialrecht kein Wässerchen trüben könnte, trügt. Frl. Huber hat es faustdick hinter den Ohren – oder zentnerschwer auf der Seele.
Jedenfalls hat sie ein recht garstiges und haarsträubendes Buch geschrieben, das vom (nicht eben für feministische Schrilltöne bekannten) Verlag Herbig als scharfsinniges, „feurig-sarkastisches Plädoyer für Kinderfreiheit“ beworben wird: Kinderfrei oder warum Menschen ohne Nachwuchs keine Sozialschmarotzer sind, München 2011.
Kinderfreiheit ist die dezidiert positive Ummünzung dessen, was gemeinhin als „freiwillige Kinderlosigkeit“ benannt wird. Hubers Kernthese ist: Jedes Kind, das nicht gezeugt wird, ermöglicht einem bereits geborenen ein besseres Leben. Zusammengefaßt liest sich ihre Klage über den „hirnrissigen“ Gebärwahn, der in unserem Land herrsche, so: Eltern werden hierzulande weit und breit glorifiziert, kinderlose Menschen hingegen „verteufelt“ (Angela Merkel? Anne Will? Guido Westerwelle? Herta Müller? Wer noch?). Leute wie der Dalai Lama, der Papst oder Erich Kästner müßten konsequenterweise als „kaltherzige Schmarotzer“ gelten, gibt Huber spitzfindig zu bedenken, denn die haben ja keine Kinder in die Welt gesetzt! „Gaddafi ist ein wertvollerer Mensch als sie.“ Der hat nämlich zahlreiche Kinder, und Frl. Huber ist von diesem angeblichen „Widerspruch herrlichster Natur“ so begeistert, daß sie höhnisch vorschlägt, die Bundesrepublik solle doch gleich Josef Fritzl die Ehrenbürgerschaft antragen, immerhin habe der doch 14 Kinder gezeugt – wenn auch sieben davon mit seiner eigenen Tochter.
Weiter in Frau Hubers kindlicher Logik: All die kinderbesessenen Leute hier regten sich über Erwachsenenzonen in Cafés und Hotels auf, aber die vielen kindlichen Verkehrsopfer würden „achselzuckend hingenommen“! In Frl. Hubers Welt sind in den Medien, vor allem in TV-Serien, positive „kinderfreie“ Charaktere schlicht „abwesend“. (Dabei hat das Grimme-Institut ermittelt, daß die deutsche Fernsehfrau im Schnitt nur 0,48 Kinder hat, dreiviertel der Protagonisten sind kinderlos.) Sie beklagt eine „Überflutung“ durch Bilder glücklicher Familien, während die angebliche realistische Einschätzung vieler frustrierter Eltern, daß „es das alles eben nicht wert ist“, gezielt tabuisiert werde.
Schlimm sei auch, zu welch frühem Zeitpunkt die Verherrlichung von Elternschaft (vulgo „Vermehrungswahn“) beginne: Im privaten Bereich würden zur Verkündigung einer Schwangerschaft oder Geburt allein „Herzliche Glückwünsche“ akzeptiert, „wobei man jeden Sarkasmus sorgfältig zu vermeiden hat.“ (Welchen Gruß würde sie selbst wohl gern übermitteln? „Mein Beileid, du Vollpfosten“?) Das rühre daher, daß in unserer reaktionären, von strikt „pronatalisistischer Propaganda“ beeinflußten Gesellschaft mit ihrem „restriktiven Abtreibungsregelungen“ von den tonangebenden „Fortpflanzungsfanatikern“ „Elternschaft von Kindesbeinen an als unausweichliche Norm vermittelt“ werde.
Nicht nur um die aus ihrer Sicht vorherrschende offenkundige wie subtile Diskriminierung „Kinderfreier“ geht es Frl. Huber – sie möchte das grundsätzliche Prinzip einer staatlich-solidarischen Familienförderung in Frage gestellt sehen. Sie listet auf, um wieviel höher die Steuern und Sozialbeiträge Kinderloser sind (in der Tat zahlt eine ledige Erwerbstätige beispielsweise einen höheren Krankenkassenbeitrag als eine Hausfrau, die unter Umständen ohne weitere Kosten noch eine Handvoll Kinder mitversichert) und widmet sich besonders ausführlich dem sogenannten Ökologischen Fußabdruck. Kinder sind demnach vor allem Schadensverursacher: Sie produzieren Treibhausgase, Müll, Lärm, Hungersnöte, Wasserknappheit. Daß dergleichen für Deutschland weniger Relevanz hat, tangiert die Autorin nicht: „In Wahrheit gibt es nämlich nur eine Welt und eine Weltbevölkerung.“
Neun kinderfreie Mitstreiter ergänzen Frl. Hubers Kampfschrift um persönliche Stellungnahmen via O‑Ton. Da wäre etwa Sara, 39, deren Verlobter eigentlich Kinder wollte, dann aber zugeben mußte, daß er nie Windeln wechseln könne, er käme ja „kaum mit Katzenkotze und Katzenklo zurecht“. Oder Inga, 38, die zweimal abgetrieben hat, weil sie schon „den Gedanken an Schwangerschaft und Geburt abstoßend“ finde. Jeanne, 50, fürchtet Beeinträchtigungen ihres „ausgiebigen Sexuallebens“ und Thorsten, 40, fühlt sich durch die historische Verantwortung Deutschlands gemahnt: Es sei darum „humaner, dass die Deutschen auf Kinder verzichten“ anstatt die zahlreichen Flüchtlinge aus anderer Herren Länder abzuweisen.
Nun könnte man sich an dergleichen Mahnungen und Extremthesen (es wird auch angedacht, behinderte und vermutlich nie beitragszahlende Kinder aus jeder Förderung herauszunehmen) trefflich reiben und sie vom Kern her auseinandernehmen. Allein, es ist nicht nötig. Es herrscht kein Gebärzwang für Frl. Huber und Konsorten. Und das ist defintiv gut so.