Seltsam das – ich wohne doch schon so lange nicht mehr da! Beim Weiterlesen wird klar: die (VVN-BdA, DGB etc.) meinen gar nicht „rechts“, auch nicht „rechtsextrem“, sondern die olle Hitlerei. Gut, daß gerade Offenbach dagegen Widerstand leistet!
Der schlaue Fronarbeiter Gunter Demnig wird an zwölf Orten der Stadt weitere Stolpersteine verlegen, und an der Rudolf-Koch-Schule ist eine Ausstellung zum Thema Widerstand zu besichtigen. ( Rudolf Koch war übrigens jener Schriftkünstler, der 1933 jene prächtige Deutschlandkarte entwarf, die Teilnehmer der IfS-Akademien gut kennen, weil sie im Treppenhaus des Ritterguts hängt; Koch entwarf mit seinen Frakturschriften laut Selbstaussage „eines der schönsten und ehrwürdigsten Denkmäler des deutschen Volksgemütes“.)
Zum Beginn der „Tage gegen rechts“ haben „Schülerinnen und Schüler“ des Gymnasiums, so lese ich in der Offfenbach-Post, einige Widerstands-Biographien eindrucksvoll im “Darstellenden Spiel” umgesetzt, „indem sie sich in diese Personen hineinversetzten.“
Integrationstechnisch ist das bemerkenswert. Auf den mitabgedruckten Photos (leider nicht online) sehen wir sowohl Sophie Scholl als auch NS-Schergen dargestellt von Schülerinnen mit (mutmaßlichem) Migrationshintergrund. Auf der Netzseite der Schule lese ich, zwei Drittel der Schule seien Deutsche, die übrigen „Migrantenkinder“. Als ich auf dieser Schule mein Praktikum als Lehramtsstudentin absolvierte, habe ich deutlich weniger Deutsche wahrgenommen – Pässe habe ich allerdings dabei nicht eingesehen.
Gut, nun üben sich also Ausländer und Deutsche aus aller Herren Länder in identifikatorischer Einfühlung in den NS-Widerstand. Schon klar, rückblickend hätten wir ja alle wie die Scholls agiert, warum nicht auch jene!
Immer wieder wird geunkt, daß Integrationsbemühungen doch bei der Schuldfrage ins Stolpern geraten müßten. Wenn der Gründungsmythos der BRD in Auschwitz wurzele (Joschka Fischer dixit), wie sollen unsere Neubürger und deren Kinder je daran teilhaben?
Oh doch, sie haben! Heute berichtete der Deutschlandfunk (leider ist auch dieser Beitrag online nicht greifbar) über eine Fahrt (in Wahrheit war´s ein Flug) junger Muslime nach Auschwitz. Ob sie an den Schuldgefühlen der Deutschen partizipieren, wurden die gerade zurückgekehrten Moslems gefragt. Ja, hieß es sinngemäß, sie seien ja auch Deutsche! Ein weiterer Reisegast spezifizierte oder besser, verallgemeinerte: Ja, er schäme sich und fühle sich schuldig, als Mitglied der Menschheit, so ging der O‑Ton sinngemäß.
Und weiter: Scham und Schuldbewußtsein: ja, aber doch ebenso eine gefühlte Parallelität mit den Opfern. Nicht, daß man relativieren wolle, aber so sei es doch: damals die Synagogen, heute die Moscheen, Diskriminierung heute wie früher.
Im Netz habe ich auf der Seite der Muslimischen Jugend in Deutschland die Einladung zur siebentägigen Flug- und Besichtigungsreise (120 € inklusive Übernachtung und Frühstück) gefunden. Hier wird dann doch deutlich, daß der Zugang zu den Untaten des Dritten Reichs ein etwas heiterer ist: Abgebildet sind jene Bahngleise, die vor dem Torbogen des Konzentrationslagers enden. Genau daneben lesen wir:
„Wer Lust hat sich zu engagieren, nette Leute kennen zu lernen und viel Spaß zu haben, kann sich gerne bei uns melden.“
Viel Spaß in Auschwitz? Es kommt anscheinend auf den Hintergrund an. Und hier ist dann das Flugblatt.