War der Nationalsozialismus links?

von Manfred Kleine-Hartlage

Stefan Scheil hat jüngst an dieser Stelle auf den Sturm im Wasserglas hingewiesen, den Erika Steinbach mit ihrer getwitterten Bemerkung...

aus­ge­löst hat, die NSDAP sei eine sozia­lis­ti­sche Par­tei gewe­sen. Offen­bar ohne das gerings­te Gespür für die unfrei­wil­li­ge Komik einer sol­chen Über­re­ak­ti­on mar­schier­te eine Armee von Intel­lek­tu­el­len bzw. Men­schen, die das ger­ne sein möch­ten auf, um eine maxi­mal 140 Zei­chen lan­ge Twit­ter­mel­dung zurückzuweisen:

Es berich­te­te der SPIEGEL, es mel­de­ten sich Poli­ti­ker wie Vol­ker Beck und His­to­ri­ker wie Hein­rich August Wink­ler oder Her­fried Mün­k­ler zu Wort. Alle beschei­nig­ten Stein­bach uni­so­no, im Unrecht zu sein. NSDAP? Nicht Links, son­dern Rechts!

Es ist schon belus­ti­gend, daß der ange­staub­te rhe­to­ri­sche Gag, die Lin­ke mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus in Ver­bin­dung zu brin­gen, immer noch funk­tio­niert und vor­her­sag­ba­re Paw­low­sche Reak­tio­nen her­vor­bringt, deren Logik Ste­fan Scheil zutref­fend zusammenfasst:

Im Rah­men der bun­des­deut­schen All­tags­po­li­tik beant­wor­tet die­se Fra­ge ein ganz ein­fa­cher Syl­lo­gis­mus: Natio­nal­so­zia­lis­mus = sub­stan­ti­ell Ver­bre­che­risch; Links = sub­stan­ti­ell Gut; Also: Natio­nal­so­zia­lis­mus sub­stan­ti­ell nicht Links.

Dies ent­spricht exakt der Pri­mi­ti­vi­tät des herr­schen­den lin­ken Dis­kur­ses. Man soll­te sich aber als Rech­ter oder Kon­ser­va­ti­ver oder über­haupt als Mensch von Geschmack und gesun­der intel­lek­tu­el­ler Eitel­keit nicht auf das Niveau die­ses BRD-typi­schen Spiels “Schwar­zer Adolf” bege­ben, in dem Hit­ler als Schwar­zer Peter fun­giert, den jedes poli­ti­sche Lager dem jewei­li­gen Geg­ner zuspielt. Nicht nur, weil man dem armen Hit­ler Unrecht tut, wenn man ihn und sei­nen Natio­nal­so­zia­lis­mus mit dem Mar­xis­mus in einen Topf wirft, des­sen Anhän­ger selbst bei vor­sich­tigs­ter Schät­zung min­des­tens zehn­mal mehr Men­schen ermor­det haben als er selbst und es mit­hin eine Ver­un­glimp­fung nicht etwa der Lin­ken, son­dern des Natio­nal­so­zia­lis­mus bedeu­tet, ihn mit der poli­ti­schen Lin­ken in Ver­bin­dung zu brin­gen; son­dern ein­fach, weil es nicht stimmt.

Dabei ist es gar nicht schwer und nicht ein­mal ori­gi­nell, die “lin­ken” Züge der NS-Herr­schaft zu benen­nen: Hit­ler war, in den Wor­ten Sebas­ti­an Haff­ners, zwar kein Demo­krat, aber ein Popu­list: ein Mann, der sei­ne Macht auf Mas­sen, nicht auf Eli­ten stütz­te; der sich der tra­di­tio­nel­len Eli­ten zwar bedien­te, sie aber zugleich mit Kon­kur­renz in ihren urei­gens­ten Domä­nen, etwa dem Mili­tär kon­fron­tier­te; der gezielt das Nie­der­rei­ßen von Klas­sen­schran­ken pro­pa­gier­te; der den Sozi­al­staat aus­bau­te und des­sen Wirt­schafts­po­li­tik, die Kri­se mit defi­cit spen­ding, Beschäf­ti­gungs­pro­gram­men und Staats­kon­sum zu bekämp­fen, eher lin­ken als rech­ten Öko­no­men zusa­gen dürfte.

Die Natio­nal­so­zia­lis­ten ver­stan­den sich als Revo­lu­tio­nä­re, die einen aus­ge­prägt anti­bour­geoi­sen und antia­ris­to­kra­ti­schen Affekt pfleg­ten, beka­men star­ken Zulauf aus den Rei­hen des kom­mu­nis­ti­schen Roten Front­kämp­fer­bun­des, stan­den der tra­di­tio­nel­len Reli­gi­on, dem Chris­ten­tum, reser­viert bis feind­lich gegen­über, “sozia­li­sier­ten die Men­schen” (die­se For­mu­lie­rung stammt von Rausch­ning, der sie Hit­ler bloß in den Mund leg­te, ist aber trotz­dem tref­fend), unter­hiel­ten, nicht anders als die sowje­ti­schen Kom­mu­nis­ten, Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger und unter­mi­nier­ten den über­kom­me­nen Ver­wal­tungs­staat durch den Maßnahmenstaat.

Hin­ter der mono­li­thi­schen Fas­sa­de ihres Regimes tob­te der Bel­lum omnia con­tra omnes, eine Riva­li­tät von Teil­fürs­ten und Vize­kö­ni­gen, die um Mit­tel und Kom­pe­ten­zen für ihre immer neu­en Pro­jek­te ran­gen, mit denen sie die eher all­ge­mein for­mu­lier­ten Zie­le Hit­lers zu ver­wirk­li­chen glaub­ten. Es wür­de wahr­schein­lich zu weit gehen, den NS-Staat als einen Staat der “per­ma­nen­ten Revo­lu­ti­on” zu bezeich­nen, aber einen Staat der “per­ma­nen­ten Impro­vi­sa­ti­on” wird man ihn nen­nen dür­fen; einen Staat, der bei sei­nen Impro­vi­sa­tio­nen oben­drein dazu ten­dier­te, dem Neu­en und Uner­prob­ten Vor­rang vor dem Bewähr­ten und Erprob­ten ein­zu­räu­men. “Rechts” im Sin­ne von kon­ser­va­tiv, tra­di­tio­na­lis­tisch oder gar reak­tio­när war die­se Art von Herr­schaft nicht; sie war alles ande­re als dies.

Und doch lie­gen die Lin­ken aus­nahms­wei­se völ­lig rich­tig, wenn sie die Behaup­tung als absurd zurück­wei­sen, zwi­schen ihnen und den Natio­nal­so­zia­lis­ten gebe es eine poli­ti­sche Ver­wandt­schaft. Betrach­tet man den Natio­nal­so­zia­lis­mus sinn­vol­ler­wei­se im Kon­text des spä­tes­tens seit 1789 toben­den euro­päi­schen Bür­ger­krie­ges zwi­schen den Kräf­ten der Revo­lu­ti­on und denen der Gegen­re­vo­lu­ti­on, so gehört Hit­ler ein­deu­tig auf die letz­te­re Sei­te. Einem Rech­ten mag das so pein­lich sein, wie den Lin­ken ihre Ver­wandt­schaft mit Sta­lin und Mao pein­lich wäre, wenn sie so etwas wie Scham­ge­fühl besä­ßen, es ändert aber nichts am Befund.

Es ist abwe­gig, den Anti­li­be­ra­lis­mus, Anti­kom­mu­nis­mus und Anti­se­mi­tis­mus der Natio­nal­so­zia­lis­ten nicht als Fort­set­zung der tra­dier­ten rech­ten Geg­ner­schaft gegen die poli­ti­schen Haupt­dok­tri­nen der Auf­klä­rung und die mit die­sen Dok­tri­nen angeb­lich beson­ders ver­bun­de­ne und von ihnen beson­ders pro­fi­tie­ren­de eth­nisch-reli­giö­se Grup­pe anzu­se­hen. Der Natio­nal­so­zia­lis­mus war zwar nicht rechts im Sin­ne von kon­ser­va­tiv, sehr wohl aber rechts im Sin­ne von anti-uni­ver­sa­lis­tisch und mili­tant anti-links. Es han­del­te sich nicht um die Kon­kur­renz zwei­er Fir­men, die ähn­li­che Pro­duk­te anbie­ten, son­dern um den Ant­ago­nis­mus zwei­er Todfeinde.

Der Natio­nal­so­zia­lis­mus wäre ohne die ihm seit 1914 vor­aus­ge­hen­de fast zwan­zig­jäh­ri­ge exis­ten­zi­el­le Gesell­schafts­kri­se nicht mög­lich gewe­sen. Die Deut­schen, die vor dem Ers­ten Welt­krieg in einem “Zeit­al­ter der Sicher­heit” (Ste­fan Zweig) gelebt hat­ten, wur­den nach­ein­an­der von den Kata­stro­phen des Ers­ten Welt­kriegs, der Nie­der­la­ge, der Revo­lu­ti­on, der Hun­gers­not, des Bür­ger­krie­ges, fran­zö­si­scher Inva­sio­nen, der Infla­ti­on und der Welt­wirt­schafts­kri­se heim­ge­sucht, und selbst in den rela­tiv ruhi­gen Jah­ren der Ära Stre­se­mann war der Bür­ger­krieg, für jeder­mann fühl­bar, bloß sus­pen­diert. Die Exis­tenz einer star­ken kom­mu­nis­ti­schen Par­tei, die sich ganz offen als deut­sche Statt­hal­te­rin eines Regimes gerier­te, das in Ruß­land für Bar­ba­rei­en bei­spiel­lo­sen Aus­ma­ßes ver­ant­wort­lich war und sich ihrer noch rühm­te, dabei selbst in den zwan­zi­ger Jah­ren über die stärks­te Mili­tär­macht der Welt gebot, mach­te den Alp­traum einer Bol­sche­wi­sie­rung Deutsch­lands und Euro­pas zu einer jeder­zeit dro­hen­den Gefahr. Ohne die­se exis­ten­zi­el­le Gefahr, ohne einen sie ver­kör­pern­den inne­ren Feind, und ohne das ver­brei­te­te Gefühl, dass die Wei­ma­rer Repu­blik, oder über­haupt ein libe­ra­ler Rechts­staat, die­ses Fein­des nicht wür­de Herr wer­den kön­nen, wäre der Ver­trau­ens­ver­lust des Bür­ger­tums, ables­bar am Nie­der­gang der libe­ra­len Par­tei­en und an der Popu­la­ri­tät auto­ri­tä­rer Strö­mun­gen, nicht erklärbar.

Abs­trakt gespro­chen, schei­ter­te die Wei­ma­rer Demo­kra­tie dar­an, dass die gesell­schaft­li­chen Erschüt­te­run­gen der Jah­re seit 1914 den Grund­kon­sens erschüt­tert hat­ten, ohne den eine Gesell­schaft, auch und gera­de eine moder­ne Gesell­schaft und ins­be­son­de­re eine libe­ra­le Demo­kra­tie nicht aus­kommt. Das betrifft die Fra­ge, wer das “Wir” ist, dem poli­ti­sche Soli­da­ri­tät zu gel­ten hat: das deut­sche Volk, Euro­pa, die Arbei­ter­klas­se, die Mensch­heit? Oder die Fra­ge, wodurch poli­ti­sche Legi­ti­mi­tät sich aus­weist: durch Tra­di­ti­on, den demo­kra­ti­schen Volks­wil­len, his­to­ri­sche Sen­dung, cha­ris­ma­ti­sche Füh­rungs­fä­hig­keit? Konn­ten bür­ger­li­che Tugen­den nach Krieg und Infla­ti­on noch etwas wert sein, oder war nicht der Ehr­li­che, der “Spie­ßer”, der Dum­me? Den Deut­schen der Wei­ma­rer Zeit war der Boden unter den Füßen zer­brö­selt, und die Jun­gen waren zwar wild ent­schlos­sen, einen neu­en zu zim­mern; unglück­li­cher­wei­se waren sie sich nicht einig, wel­cher es sein sollte.

Wenn der Kon­sens, auf dem Gesell­schaft beruht, erst ein­mal an so vie­len ent­schei­den­den Punk­ten zer­bro­chen ist, kann er mit dis­kur­si­ven, demo­kra­ti­schen Mit­teln nicht wie­der­her­ge­stellt wer­den, ein­fach des­halb, weil Wert- und Soli­da­ri­täts­ent­schei­dun­gen nur begrenzt auf ratio­na­lem Wege ermit­telt wer­den kön­nen. Die Zer­split­te­rung der Gesell­schaft und die Auf­lö­sung des sie tra­gen­den Kon­sen­ses, ver­wan­delt sie in ein Hai­fisch­be­cken aus ein­an­der bekämp­fen­den Teil­ge­mein­schaf­ten. Daß Demo­kra­tie auf die­ser Basis nicht mög­lich ist, ver­steht sich von selbst; inso­fern ver­wun­dert die Kon­junk­tur auto­ri­tä­rer Ideen am Ende der Wei­ma­rer Repu­blik nicht. Was aber war die Alternative?

Wenn gera­de das Feh­len des Kon­sen­ses Ursa­che und Aus­druck der Gesell­schafts­kri­se war, wie ich behaup­te, dann konn­te ein bloß auto­ri­tä­rer Staat, etwa eine restau­rier­te Mon­ar­chie, ihrer nicht Herr wer­den. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Kon­sens in den Köp­fen exis­tie­ren muss. Ein auto­ri­tä­rer Staat kann Geset­zes­loya­li­tät erzwin­gen, aber kei­ne Zustim­mung zu den ihn tra­gen­den Prin­zi­pi­en. Er kann die Kri­tik an die­sen Prin­zi­pi­en, aus der die gesell­schaft­li­che Frag­men­tie­rung resul­tiert, nicht aus der Welt schaf­fen. Er kann sei­ne Bür­ger zwin­gen, zu tun, was sie sol­len, aber nicht dazu, zu wol­len, was sie sol­len. Das Zer­bre­chen des Kon­sen­ses ist ein Pro­blem, das gege­be­nen­falls ver­mut­lich nur von einem Staat lös­bar ist, der all dies kann: der die Bür­ger erzieht, zu wol­len, was sie sol­len, und die Kri­tik an sei­nen Prin­zi­pi­en aus der Welt schafft, womög­lich mit­samt den Kri­ti­kern. Wenn eine libe­ra­le Demo­kra­tie an einer Gesell­schaft schei­tert, die von ihren Zen­tri­fu­gal­kräf­ten zer­ris­sen wird, dann erheischt die Rekon­sti­tu­ie­rung der Gesell­schaft den tota­li­tä­ren, nicht nur auto­ri­tä­ren Staat.

Die eigen­tüm­lich “lin­ken” Züge des NS-Regimes resul­tier­ten dar­aus, dass es einen neu­en Kon­sens stif­ten muss­te. Sein Basis­kon­zept der “Volks­ge­mein­schaft” erfor­der­te, wenn sie nicht bloß theo­re­ti­sches Pos­tu­lat blei­ben, son­dern real erfahr­bar sein und damit Umer­zie­hungs­po­ten­zi­al haben soll­te, das Nie­der­rei­ßen von Klas­sen­schran­ken, den Aus­bau des Sozi­al­staa­tes, die Staats­ein­grif­fe in die Wirt­schaft und vie­les mehr, und da es sich um ein Pro­jekt han­del­te, für das es kei­ne bewähr­ten Kon­zep­te gab, gehör­te auch das stän­di­ge Expe­ri­men­tie­ren mit immer neu­en Struk­tu­ren, die per­ma­nen­te Impro­vi­sa­ti­on not­wen­dig dazu. Rechts war das Ziel, das deut­sche Volk als Soli­dar­ge­mein­schaft wie­der­her­zu­stel­len (aller­dings unter Aus­schluß der zum Feind­volk erklär­ten Juden), rechts, der Logik des Kamp­fes für das Par­ti­ku­la­re fol­gend, war die Front­stel­lung gegen die uni­ver­sa­lis­ti­schen Ideo­lo­gien des Mar­xis­mus und Libe­ra­lis­mus. Rechts waren also die Zie­le; die Mit­tel waren links.

Von einem gewis­sen Gra­de der Gesell­schafts­zer­set­zung an scheint eine bloß kon­ser­va­ti­ve Poli­tik, also eine, die nur rechts und nicht auch ein biß­chen links ist, nicht mehr mög­lich zu sein; eine para­do­xe Wort­schöp­fung wie die “kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on” weist dar­auf hin. Kon­ser­va­tis­mus ist der Ver­such, den Tiger der gesell­schaft­li­chen Zer­set­zung und Umwäl­zung am Schwanz fest­zu­hal­ten. Der Natio­nal­so­zia­lis­mus war der Ver­such, ihn zu reiten.

Eine sol­che Erklä­rung des Natio­nal­so­zia­lis­mus muss in einem Land wie der real exis­tie­ren­den BRD frei­lich schon des­halb Ket­ze­rei sein, weil das Schick­sal der Wei­ma­rer Repu­blik erst­klas­si­ges Anschau­ungs­ma­te­ri­al ent­hält, wohin es füh­ren muß, wenn bestehen­de Kon­sen­se zer­stört, Regeln und Nor­men abge­schafft, exis­tie­ren­de Homo­ge­ni­tät ver­teu­felt und besei­tigt und die Gesell­schaft sys­te­ma­tisch in (heu­te eth­ni­sche) Grup­pen zer­split­tert wird. Die Füh­rungs­schich­ten der BRD haben ohne Not einen vor­mals unhin­ter­frag­ten Kon­sens, der heu­te nur noch von der poli­ti­schen Rech­ten auf­recht­erhal­ten wird, auf­ge­kün­digt, und ste­hen nun vor dem Pro­blem, einen neu­en zu stif­ten, dem gegen­über die Rech­ten frei­lich Dis­si­den­ten sind.

Der Kampf gegen Rechts, mit­samt sei­nen beglei­ten­den Sprach­re­ge­lun­gen, Hexen­jag­den, Geß­ler­hü­ten und Block­war­ten, sei­ner Gesin­nungs­jus­tiz, sei­nen Mei­nungs­pa­ra­gra­phen und den SA-Metho­den sei­ner Prot­ago­nis­ten, erweckt nicht zufäl­lig Asso­zia­tio­nen zum Drit­ten Reich, und es zei­gen sich nicht zufäl­lig in ihm die bereits deut­li­chen Umris­se eines Umer­zie­hungs­staa­tes, der sei­ne Kri­ti­ker mund­tot macht (wenn sie Glück haben), son­dern weil bei­de Regime mit dem­sel­ben objek­ti­ven Pro­blem kon­fron­tiert sind, das dann mit tota­li­tä­ren Mit­teln gelöst wer­den soll, näm­lich dem Zer­bre­chen des Gesell­schafts­kon­sen­ses; der Unter­schied ist nur, dass das Drit­te Reich das Pro­blem vor­fand, wäh­rend die BRD es selbst herbeiführt.

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Kommentare (24)

Rainer

10. Februar 2012 20:45

Danke vielmals - unübertroffen gut beschrieben. Herausragende Arbeit!

Arminius Arndt

10. Februar 2012 21:01

Natürlich ist das ganze Thema NS mehr als vielschichtig. Wir "heutigen" sehen beim Blick auf die damaligen Zeit irgendwie alles auf einmal und das auch noch durch unterschiedlichste Blickmöglichkeiten, bei denen auch noch die Gefahr besteht, dass man bei der einen oder anderen "Blickrichtung" objektiv aufs Kreuz gelegt wird, da man einer instrumentalisierten Auffassung aufgesessen ist (diese gibt es von allen möglichen Seiten).

Da greift natürlich jede Schlagwortformel wie NS = Links zu kurz. Diese Formel ist aber nur allzu verständlich, angesichts der absolut nicht vorhandenen Differenzierung im momentanen "Kampf gegen rechts", wo auch alles immer gleich und sofort "Nazi" ist. Das "schwarze Peter Spiel" so lange zu spielen, bis es alle über haben, könnte daher evtl. auch eine Möglichkeit sein. Ich bin Frau Steinbach jedenfalls nicht böse über ihr "Gezwitschere".

Zum Thema NS links oder doch nicht, möchte ich unter Bezug auf meine Einleitung schreiben, dass es wohl unterschiedliche Phasen der NS Bewegung gab. So wie Mussolini eindeutig seine Wurzeln am Anfang im Marxismus hatte und am Ende dann etwas ganz anderes dabei heraus gekommen ist, so wage ich die These (die sicher schon von vielen aufgestellt wurde), dass man den NS in unterschiedliche Phasen aufteilen muss und nicht alles zusammen betrachten darf. Man kann aufteilen in die Phase der Bewegung bis zur Machtergreifung, der Phase danach im Frieden und der Phase des NS im Krieg.

In der Phase der Bewegung bis zur Machtergreifung waren aus meiner Sicht eindeutig linke, antikapitalistische und sozialistische Motive in starker Zahl vorhanden (SA, Otto Strasser, ja auch Goebbels war durchaus links! etc.). In dieser Phase suchen bspw. viele in der heutigen NPD ihre antikapitalistischen Anknüpfungspunkte und ihre Inspiration für ihre Form des Nationalbolschewismus 2.0.

Nach der Machtergreifung verbürgerlichte, versozialdemokratisierte die Bewegung (nicht umsonst beseitigte man Röhm, Otto Strasser & Co.). Der Reformstau der Weimarer Zeit wurde aufgebrochen, viele bereits in den Schubladen von Weimarer Ministerialreferenten etc. vorliegende Vorhaben oder andere bereits bestehende Pläne wurden jetzt, wo es kein parlamentarisches Palaver mehr gab, umgesetzt. Die Flut von Gesetzesinitiativen und Gesetzen, die zum Teil heute noch gelten bzw. ihre Wurzeln in dieser Zeit haben, sprechen dafür. Wer in dieser Zeit kein Jude oder Kommunist war, konnte sehr gut leben. Es war auch eine Phase der "Demokratie", wie sie von Carl Schmitt immer wieder dargestellt wurde, der eine Demokratie nie mit Parlamentarismus gleich setzte. Eine hohe Zahl an Volksbefragungen etc. fanden statt, die Hitler bestätigten. In dieser Zeit wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass in der BRD- Nachkriegszeit viele ältere Bürger sagten, "damals war nicht alles schlecht".

Im Kriege dann radikalisierte sich alles und das System wurde zunehmend autoritär und repressiv - auch gegen das eigene Volk. Dies gipfelte in den Erschießungsorgien wg. Feigheit vor dem Feind etc. in 45.

Von daher ziehe ich persönlich das Fazit, dass man in der heutigen Zeit durchaus in der aktuellen Diskussion darauf hinweisen darf, dass der NS gar nicht so "rechts" ist, wie immer gemeint wird und ein "Kampf gegen rechts" keine Kampf gegen den NS ist, sondern ein reines Machtmittel, um alles jenseits von linksgrünsozicdu Mundtod zu machen. Insbesondere wenn man ganz aktuell die NPD und deren Kameradschaftsumfeld betrachtet, dann sind erstaunlich viele linke Überschneidungspunkte festzustellen. Wer gegen die NPD ist, muss zwangsläufig auch gegen die LINKE sein, wenn er konsequent ist. Darauf darf von rechter Seite durchaus auch sehr verkürzt hingewiesen werden. Eine Gleichsetzung NS = rechts ist aber nicht (ohne deutliche Einschränkungen) zulässig. Der NS war in seiner Zeit vieles - sogar auch DEMOKRATIE.

Albert

10. Februar 2012 21:27

Exzellenter Beitrag!

derherold

10. Februar 2012 21:42

Manfred Lauermann Das Soziale im Nationalsozialismus

Spiel, Satz und Sieg.

Wem das nicht ausreicht:
"Im Nationalsozialismus wurde in Deutschland Politik fuer die Arbeiter gemacht, bisher zum einzigen Mal. Das, was die Arbeiterbewegung, Kommunisten wie Sozialdemokratie, versprochen hatten und nicht halten konnten, das vermochte der Nationalsozialismus. (...) Bis heute ist die Ablehnung des Nationalsozialismus im Buergertum (...) dadurch determiniert."

Borni

10. Februar 2012 21:49

Was soll denn an Steinbachs Behauptung falsch sein?

Sozialisten vergesellschaften die Produktionsmittel. Da die Menschen von Natur aus egoistisch denken und handeln, würden sie das in Frage stellen. Und deshalb vergesellschaftet man auch sie, schaltet sie sozusagen geistig gleich.

Und letzteres haben doch auch die Nazis gemacht.

Anders als die roten Sozialisten wollten die Nazis aber keine klassen- sondern eine rassenlose Gesellschaft, d.h. nur noch eine Rasse, nämlich die eigene.

Martin Lichtmesz

10. Februar 2012 21:51

Punktgenau festgenagelt von MKL, und dabei einige überraschende Perspektiven aufgezeigt, die niemand auch nur denken kann, der sich immer noch im allgegenwärtigen "Schwarzer Adolf"-Koordinatensystem bewegt. Vor allem die These vom "Zerbrechen des Gesellschaftskonsenses" und seiner totalitären Folgen sollte man im Auge behalten. Inzwischen wird dieser Konsens über den ganzen konditionierungspsychologisch verankerten NS-Bewältigungs-Komplex erzeugt, der als große Klammer und als großer Sinnstifter gelten soll. Daher auch die Hitler- und Naziobsession des Mainstreams, er ist eben ihr großes Zentralgestirn, ihr Gott und Leithammel. Es genügt schon das Ansinnen, ihn lieber an seinem historischen als an seinem heutigen krypto-theologischen Ort sehen zu wollen, um sich verdächtig zu machen. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!

Viele Rechte machen es sich zu einfach, den NS nach "links" zu schieben, weil darin auch etwas "Sozialismus" und äußere Imitation des Bolschewismus vorkommt, meistens geschieht das in Bezug auf das Rechts-Links-Modell des ehrwürdigen Erik von Kuehnelt-Leddihn, das allerdings nur aus einer bestimmten alt-liberalen, monarchistischen Perspektive verständlich und einigermaßen sinnvoll ist. Wer das aber außerhalb dieses Rahmens tut, hat zumeist eben doch auf subtile Weise die linken Diskussionsprämissen akzeptiert.

Darauf habe ich auch in meiner Besprechung des Films "Soviet Story" hingewiesen:
https://www.sezession.de/23801/the-soviet-story-und-das-baltische-argernis.html

Weil der Regisseur eine nahezu totale ideologische Identität und harmonische Kumpanei der beiden Totalitarismen behaupten will, muß er vieles unterschlagen, glätten und zurechtbiegen, womit er Gräben zuschüttet, die immerhin mit dem Blut von Millionen Menschen gezogen wurden. Man muß die Todfeindschaft und die Gegensätze von Kommunismus und Nationalsozialismus ebenso ernst nehmen wie ihre Überschneidungen.

Arminius Arndt

10. Februar 2012 22:22

Man kann M.L. nur darin zustimmen, dass es ohne den russischen Bolschewismus niemals die streng antikommunistisch auftretenden Bewegungen der Falange in Spanien, des Faschismus in Italien und des NS in Deutschland gegeben hätte - trotz aller - und besonders und vor allem im NS! - zu findender "linker" Attribute.

neocromagnon

11. Februar 2012 03:39

Sehr guter Text.
Ich möchte aber mal anmerken, daß diese "ismen" in solchen Analysen immer so etwas monolitisches erhalten, so, als wären sie eigene Wesenheiten. Manche Menschen versuchen sich diesen anzuschmiegen, als Gralshüter der Wahrheit. Das sind die Dummköpfe. Die Klugen benutzen Ideen um ihre Ziele umzusetzen, je nach Passform, aber selten in Reinform. Denn tatsächlich dreht sich die Geschichte um Menschen mit ihren ihre Sehnsüchten und Zielen und ihren Schöpfer.
Gibt es wirklich eine gute, richtige Staatsform oder Gesellschaftsordnung? Oder gibt es nicht viel mehr nur gute Menschen die richtig handeln?

Zentralwerkstatt

11. Februar 2012 05:07

Nichts für ungut, der Artikel zerbröselt sich schon deswegen selbst, weil er gefühlte 20mal vom sogenannten "Konsens" phantasiert, dem Begriff jedoch eine ganz eigenwillige Semantik zuweist.

Es existiert kein gesellschaftlicher oder kollektiver "Konsens". Es existieren allenfalls lose "Vereinbarungen" in Zwangskollektiven, und davon umso weniger, je weniger autoritär auf den Zwangsgeeinigten eingewirkt wird.

In der Tat ist es sinniger, die Staatsdenkenden den Freiheitlichen gegenüberzustellen als zwischen Linken und Rechten zu unterscheiden. Letztere ist ja in der Tat eher eine Unterscheidung von wieviel oder wer oben oder unten, beide sind im Herrschaftsstaat zu Hause.

Freiheitlichen liegt das Axiom - ja, wenn man so will, der genuine Konsens - der Massen fern, daß ein Machtvakuum mit Herrschaft gefüllt werden muß, um im Idealfall selbst möglichst viel Herrscher und möglichst wenig Beherrschter zu sein. Im letztgenannten liegt der Generator des Perfiden. Es prüfe sich jeder selbst auf seinen Affekt. Die Wenigsten sind von diesem Reflex / Instinkt gelöst, es definiert schlicht den Massenmenschen. Hier ist die Trennlinie zu setzen.

Der libertäre Mutant steht den "Linken", "Rechten", "Liberalen", "Sexualisierten", "Migrierten", "Politisierten", "Neurotisierten", "Idiotie- und Infantilisierten", "Roten, Braunen, Grünen, Schwarzen, Gestreiften, Gesprenkelten, den "Ideologie- und Unlogisierten" .... gegenüber.

Der libertäre Mutant ist friedlicher Natur, die erzieherisch-autoritäre Einwirkung durch andere Geister ist ihm ein Gräuel, in jeder Richtung, er ist schlicht ein reifer Mensch.

Um abschließend ganz nah am Thema zu sein, intuitiv verorte ich die Nazis auch eher "links", ihre Taten und Strukturen einen sie. Derselbe Ungeist treibt beide, nämlich, "ideologisch störende" Menschen zu vernichten, und zwar immer nach derselben Blaupause: isolieren, diffamieren, ächten, töten (in der BRD sind wir schon beim Ächten).

Herr Lichtmesz' Artikel zu Edvin Snores Sowjet-Story ist sehr informativ, insbesondere basierend auf den historischen Tatsachen, die er anführt, aber er entkräftet keineswegs die Parallelen der sozialistischen "Blutsbrüderschaft". Sie mögen keine eineiigen Zwillinge sein, aber kein gerechtes Gericht der Welt würde einem der beiden sozialistischen / linken Systeme seine Genese zum Schuldabschlag gereichen lassen, im nationalsozialistisch-kommunistischen Krieg erschlug Kain den Kain. Es ging beiden Anführern um die Frage, wer das bessere sozialistische System etabliert hat, sie konkurrierten nur darin, der eine neidete die kulturelle, zivilisatorische und industrielle Basis (die ein Erbe Preußens war und noch ist), der andere die Masse an Rohstoffen, Kriegspersonal und -gerät.

Toni München

11. Februar 2012 17:42

Was ist links? - Georg Büchner, gest. 1837, lässt in „Dantons Tod“ einen Jakobinerfreund sagen: „Die paar Tropfen Bluts vom August und September haben dem Volk die Backen nicht rot gemacht. Die Guillotine ist zu langsam. Wir brauchen einen Platzregen.“

Man muss, glaube ich, bei der Frage nach „rechts? oder links?“ nicht nur die sachlichen Puzzleteile (das ist links! das ist rechts!) darlegen und interpretieren, sondern auch die psychologische Komponente erfassen, nämlich die unschönen, psychischen Triebkräfte menschlicher Natur, die sich jeweils in erlaubter, organisierter oder befohlener Weise ausleben dürfen und sollen.

Von daher kann man mit Recht behaupten, dass Teile der heutigen Linken tatsächlich fest in der Tradition von Teilen der historischen Nationalsozialisten stehen?

So betrachte man den offiziell ausgerufenen „Aufstand der Anständigen“, das gnadenlose Mobbing und die panischen Hexenjagden der heutigen Linken gegen unterlegene und bereits am Boden liegende rechte Systemabweichler und denke rund 75 Jahre zurück! Die Parallelität springt ins Auge.

Gerade heute in der Tageszeitung „Münchner Merkur“ prangt dem Leser die fette, große, alarmistische Schlagzeile entgegen: „Neonazis okkupieren Dorfwirtschaft“. Im halbseitigen Hetzartikel darunter: „Entsetzen in dem kleinen Dorf Halsbach im Landkreis Altötting. Neonazis treffen sich immer wieder in dem ehemaligen Gasthaus.“

Entsetzen, ja! Aber woher rührt die Angst der Dorfbewohner? Nicht von den Gästen aus „der rechten Szene“! Die haben sich bisher in dem Dorf nichts zu Schulden kommen lassen. Es ist das Entsetzen des Bürgermeisters und aller braven Bürger vor dem linken Lynchmob, der nun mit seiner Medienvorhut über das Dorf schon hergefallen ist und nicht eher ruhen wird, bis Halsbach, mit welchen Mitteln auch immer, „neonazi-frei“ ist!

Glaubt denn ein distanzierter Betrachter wirklich ernsthaft, dass der primitive heutige, sich ideologisch gutmenschlich maskierende Lynchmob, inklusive der opportunistischen Mitläufer, zuzeiten des auftrumpfenden Nationalsozialismus nicht in den Reihen der SA zu finden gewesen wäre?

Ich sage frei nach Franz-Josef-Strauß: „Sie wären die besten Nazis gewesen!“ Oder mit Georg Büchner, in „Dantons Tod“: „Er hat ein Schnupftuch! ein Aristokrat! an die Laterne! an die Laterne!“

Toni Roidl

11. Februar 2012 19:08

»Es handelte sich nicht um die Konkurrenz zweier Firmen, die ähnliche Produkte anbieten...«

Ich muss wohl sehr dumm sein, aber das sehe ich völlig anders.
Aus der Perspektive des 20. Juli aus gesehen, stand Hitler links.

Von der Redundanz dieser Frage mal abgesehen, macht es aber Spaß, solche Knöpfchen zu drücken. Denn wer beim anderen vorhersehbare Reaktionen auslösen kann, hat Macht über ihn.

Kiki

11. Februar 2012 20:28

Ein brillianter Artikel, ein Juwel unter dem ganzem publizistischen Gesinnungskehrricht zum Thema aller Themen der dem halbwegs Alphabetisierten heuer allenthalben entgegenquillt.

Mein Kompliment!

Zadok Allen

11. Februar 2012 21:17

Spätestens das politische Auftreten der NSDAP, wahrscheinlich aber schon die Machtergreifung Lenins 1917, hat aus meiner Sicht die überkommene Links-Rechts-Gesäßgeographie endgültig in sich zusammenstürzen lassen. Das hängt zweifelsohne mit dem Untergang des Konservatismus Ende des 19. Jahrhunderts zusammen. Es ist nicht sinnvoll, den Begriff in einem anderen Sinn zu verwenden als es Kondylis in seinem magistralen Werk dieses Titels tut:

Der Konservatismus war die Herrschaftsideologie des europäischen Kriegeradels (nicht der absoluten Monarchen!) vom Hochmittelalter an. Sein Leitbild war die von der Scholastik theoretisierte societas civilis Europaea. Mit deren endgültigem Untergang im Verlauf des 18. und frühen 19. Jahrhunderts verlor der Konservatismus seinen Kern und der Begriff wurde zum vagabundierenden Irrlicht, das seither eigentlich nur noch das Phrasenschwein klingeln läßt.

Ebenso erging es nun mit Lenin und Hitler der genannten Gesäßgeographie. Lenins Sowjetunion - Hitlers "Volkskanzlerschaft" - dem einen wie dem anderen Fall wird man eine Unmenge von Prädikaten zuschreiben können, die man im 19. Jahrhundert noch sinnvoll als "links", als auch eine Unmenge von solchen, die man damals sinnvoll als "rechts" bezeichnen konnte.

Ich befürchte, daß der totale Sinnverlust der politischen Begrifflichkeit im 20. Jahrhundert ein Menetekel für die Lage der Völker Europas ist. Es wurden und werden ja angesichts einer völlig veränderten Lage keine neuen, passenden und griffigen Begrifflichkeiten mehr geprägt! Wer aber keine Begriffe findet, der begreift eben auch nicht mehr. Wer nicht begreift, hat die Wirklichkeit nicht in der Hand, kann nicht mehr zielgerichtet auf sie einwirken.

Die Verphrasung des (soweit ich es beurteilen kann) gesamteuropäischen politischen Diskurses spiegelt die völlige Entmächtigung der Gesprächsteilnehmer wider. Es wäre von großem Interesse, etwa von Sinologen oder Indologen zu erfahren, wie sich die politische Begrifflichkeit in den dortigen Staaten in den letzten Jahren entwickelt hat.

Richard Vonderwahl

12. Februar 2012 10:12

Man sollte einmal das Märchen aus der Welt schaffen, die Linken seien sozialer als die Rechten. Die Rechte kennt eine Hierarchi, in der Jener höher steht, der imstande ist, etwas zu geben. Am Ende ist deshalb die Rechte sozialer. Die Linke tut nichts anderes als Schatzkammern zu plündern und zu Prpagandazwecken zu verteilen. Der Spass hat aber ein Ende, sobald die Schatzkammern leergeräumt sind.

Der Nationalsozialismus ist tatsächlich insofern links, als er gegen Klassen ist. In ihm gibt es nur den Führer und das «Volk». Auch sonst ist der NS zutiefst gleichmacherisch. Er ist gegen Gliederungen, gegen regionale Kulturen, gegen vielfältig gestaltete Ordnnung und will nur den Einheitsblock. Das alles ist nicht rechts und nicht traditional. Volk ist im NS nicht das wirkliche Volk, sondern die Masse, welche einige Versatzstücke der Tradition als leere Form weiterträgt.

KW

12. Februar 2012 10:21

Zentralwerkstatt, ich gebe Ihnen Recht, das Rechts-Links Muster springt zu kurz.
Es geht um die Widersprüche in der Gesellschaft, wer will Masse sein und Befehle und geschenkte Wohltaten entgegennehmen und wer will Freiheit und Verantwortung, aber eben mit etwas Anstrengung, in all seinem Handeln? Unsere Gesetzgebung fördert ersteres, fördert auch das Auseinanderbrechen der Masse in einzelne Gruppen, die einen werden besteuert, die anderen beschenkt, Restrisiken im Leben werden auf den Staat geschoben, der Gesetze bis Verbote zum Schutz des Menschen vor sich selbst erlässt. Die im Laufe der letzten 40 Jahre anerzogene Bequemlichkeit der dumm gehaltenen Masse kann nur ein Zerfall der Strukturen von außen sprengen, vielleicht die Auflösung der EU, der Zerfall des Euro, das Ende des Erdöls. Erst nach einem Zusammenbruch kann sich der Einzelne wieder auf sich selbst besinnen, auf seine Kraft und seine gewollte Spendenbereitschaft und nicht seine gemußte an andere seiner Wahl. 20 Jahre nach dem Krieg waren schöpferich und frei, danach rissen die Kommunisten und "Volksbeglücker" in der BRD die Macht an sich, die Chance war vertan für einen wirkungsvollen Neuanfang. Es war kein Putsch, sie hatten Zeit und Geduld, Gegner wurden niedergeschrien, Förderer belobigt, ausgezeichnet und medial in den Mittelpunkt gestellt, auch in der Künstlerszene, nach dem Marsch durch die institutionen hatten sie auch Steuergelder zum Verteilen an Gleichgesinnte.
Die BRD-Bürger sind eigentlich unfrei, verantwortungslos, faul, träge und gelenkte Masse. Und die meisten richten sich in diesem Rahmen gern ein, sie kennen es nicht mehr anders.
Als ich diese BRD nach dem Zusammenbruch der DDR erlebte, stellte ich verwundert fest, dass auch hier alles gelenkt wurde, von den Preisen bis zum Verhalten, was ist denn heute anders als in der DDR?
Die BRD denkt international, die DDR war national, alles andere ist genauso ein Sozialismus.

cundar

12. Februar 2012 10:26

Der wunderbare Moment, wenn man feststellt, daß jemand sich schon die Arbeit gemacht und alles aufgeschrieben hat (sogar mehr manchmal auch anders), bevor man es selber tun konnte.
Danke dafür und weiter so!
Ich möchte das Thema zwar nicht unnötig breittreten aber anhand dieser Debatte kann man doch schön sehen das die Frontziehung in "Links-Mitte-Rechts" mehr schadet als das sie nutzt. Eigentliche Inhalte und Probleme werden zerrissen und ausgeblendet. Der Rechte sieht nur Problem "B", der Linke nur Problem "A" und die Mitte sieht überhaupt keine Probleme. Alle Drei sind aber von den Problemen ähnlich betroffen oder werden noch betroffen sein. Je nach dem welche Gruppe gerade an der Macht ist, verschiebt sich die Problemwahrnehmung des größeren Teils der Öffentlichkeit. Die anderen Richtungen werden unterdrückt. Deren Probleme nicht gelöst… bis sich der Wind dreht. Dann aber geht das Spiel wieder von vorne los.
Deswegen sind solche Analysen wie oben von Kleine-Hartlage (und auch manche Kommentare, z.B. Zadok), die wenigstens festgefahrene Muster aufsprengen, gut: sie bringen die eigentlichen Inhalte ans Licht und nicht nur Phrasen und Schlagworte.

drauf und drann

12. Februar 2012 10:36

Auch der frühe ideologische Zugriff auf die Jugend/Kinder ist ein Zeichen von totalitäen Systemen, die sich ob links oder rechts, im Endefekt immer ähneln.
Man färbe das Blau der FDJ-Hemden in ein Baun, mehr brauts eigentlich nicht, und die HJ steht vor einem.

Auch heute wird die Jugend/Kinder wieder mehr vereinnahmt, ob durch umschreiben von Pipi Langstrumpf, Kitas, "KZ-Klassenfahrten", etc.

Und die "Mitte" wird immer von den aktuell herrschenden für sich in Anspuch genommen, sagte das Merkel nicht mal "Wir sind die Mitte".
Ein cleverer Schachzug, ohne zu bestimmen was "die Mitte" eigentlich ist, hat man darüber doch die Deutungshoheit zu bestimmen wer links/rechts ist, und vor allem wer so weit von der "Mitte" (eben die unbestimmte) entfernt ist, und als radikal bezeichnet weden darf.

Sascha

12. Februar 2012 10:38

In der Diskussion über den Faschismus als Phänomen der Linken sollte ein Verweis auf Jonah Goldbergs Buch "Liberal Fascism: The Secret History of the American Left, from Mussolini to the Politics of Change" nicht fehlen. Unbedingte Leseempfehlung.

Zentralwerkstatt

12. Februar 2012 11:47

Glaubt denn ein distanzierter Betrachter wirklich ernsthaft, dass der primitive heutige, sich ideologisch gutmenschlich maskierende Lynchmob, inklusive der opportunistischen Mitläufer, zuzeiten des auftrumpfenden Nationalsozialismus nicht in den Reihen der SA zu finden gewesen wäre?

So sehe ich das auch.

War denn der nationalsozialistische Bluthund Freisler nicht ehedem internationalsozialistisch, bevor er die Farbschattierung mit einem guten opportunistischen Gespür von rot auf braun gewechselt hatte?

Übrigens das Eifern des braunen Chefsozialisten ist gut in seinen Reden, die man frei in den diversen Videoportalen anhören kann, dokumentiert. Er wendet sich darin wiederholt zumindest indirekt und mit höhnischem Unterton ("Arbeiter und Bauern-Paradies") an Stalin in dem Sinne, daß der nationale Sozialismus, nicht aber der internationale, den Menschen "Lebensglück" bringe.

Letztlich bleibt das hier ein Schaukampf und lenkt davon ab, daß es immer die politische Macht war, die für humanistische Katastrophen verantwortlich zeichnet.

Die Aneignung von Macht (ich will nicht Legitimation schreiben) über Menschen wurde noch immer mißbraucht. 90% der Humanprimaten sind eher aus den Bäumen gefallen als herabgestiegen. Verpackt wird das archaische Streben nach Rang im Kollektiv in alle möglichen Formen von ideologischem - ob sinn- oder widerspruchsfrei, egal - Überbau, zu dem auf diesem Planeten wohl nur der menschliche Geist befähigt. In der Psychopathologie spricht man hierbei wohl von der Sublimation. Bei den meisten Menschen reitet der Affekt den Intellekt, und das ein vergeudetes Menschenleben lang. Wünschenswert ist, daß der Intellekt den Affekt beherrscht.

Ich akzeptiere keine Regierung, keinen Kanzler_in, keinen Buntespräsidenten, kein erstes Flittchen im Staate, ich empfinde diese Leute als Anmaßung, aber ich muß sie in Abwägung der Umstände gewähren lassen. Das nun als Konsens auszulegen, geht wohl an der Sache vorbei.

Tom Jericho

13. Februar 2012 13:04

Das ist einer der besten Kommentare, den ich je in meinem Leben gelesen habe! Chapeau!

Freedy

13. Februar 2012 18:44

"Gott schenke uns ein fünftes Reich, das vierte ist dem Dritten gleich!"
Solche und ähnliche Parolen fand man im Land derer, die die KZ's der NS einfach weiterbetrieben, zum Großteil mit anderen Insassen, aber mit derselben Menschenverachtung. Ausführlich beschrieben bei Klonovsky/von Flocken 1994. War die SBZ, war die "DDR", die zudem eine "Nationale Front" unterhielt, etwa auch nicht links?

Auch ich stimme @Zentralwerkstatt und nach wie vor i. w. dem links-rechts-Schema des oben erwähnten Erik von Kuehnelt-Leddihn zu: der NS war nicht völlig links, aber doch sehr überwiegend. Auch eine tiefe Feindschaft zwischen kriminellen politischen Strukturen macht diese noch nicht zu Antipoden.
In einem Spektrum zwischen GULAG und KZ findet man nichts Rechtes.
Enteignung und Aushöhlung des Eigentums mittels Gesetzgebung sind keine prinzipiell entgegengesetzten Methoden der Herrschaft gegen Eigentümer.
Nationalismus und Sozialismus sind keine Gegensätze, sondern beide sind linksradikale Ideologien des 19. Jahrhunderts, die tatsächlich in keiner staatlichen Ausprägung voneinander getrennt auftraten.
Es gab und gibt keinen Nationalstaat, der auf innere sozialistische Umverteilung verzichtete und keinen Realsozialismus, der sich nationalistischer Propaganda und einer Kraftmeierei gegen andere "Völker" enthielt.

Die Gesellschaft der Staatsbürger bleibt ein geistiges Konstrukt, nie wird dieses Konstrukt einen besonderen Konsens abbilden können, den es unter einander Fremden nicht geben kann. Ein Konsens wird sich immer erst im Kontakt von realen Menschen herausstellen, seine Grenzen ebenso, ganz abgesehen von den Einflüssen auch nur graduell unterschiedlicher Herkunft und Lebensweise dieser Menschen.

Die Widersprüchlichkeit von Freiheit und Gleichheit ist nicht durch Demokratie aufzulösen, die Nation ist kein Ersatz für den Markt. Die heutigen technischen Möglichkeiten und die Kooperation der Staaten lösen gegenwärtig das über einige Zeit gewohnte territoriale Herrschaftsprinzip auf. Der Bürger ist zuhause nicht mehr sicher vor der Verfolgung durch andere Staaten, er kann sich aber zugleich der spezifischen Gesetzgebung anderer Staaten bedienen, um für sich Vorteile zu ziehen.

Wenn wir auf die Romantik von einer unter einem Konsens geeinten Gesellschaft in einem Nationalstaat verzichten, bleiben nur ein Machtapparat und die mit ihm Rechnenden, die im besten Fall die Reife besitzen, ihre Mitmenschen nicht bei erster Gelegenheit an ersteren auszuliefern. Wo die Verantwortung des Menschen und also sein Streben nach Freiheit im Namen der Gleichheit beschränkt werden, da beginnt man die Menschen zu linken.

Larsen Kempf

14. Februar 2012 11:55

Es irritiert in der geistreichen Darlegung Herrn Kleine-Hartlages vor allem die Verengung der Fragestellung auf eine links/rechts-Dichotomie. Gewiss: Diese Frage wurde durch die Pointie-rung Frau Steinbachs herausgefordert und harrt einer Durchdringung auch von rechts. Trotz allem sollte jedoch die Stoßrichtung der Aussage Steinbachs nicht vergessen werden, die wohl kaum auf eine Einordnung des NS in der Dichotomie von links und rechts lag.

Frau Steinbach weist eher auf die geistige Verwandtschaft zweier totalitärer Ideologien hin, die Herr Hartlage konzise phänomenologisch umreißt – aber eben auch zum Teil mit analy-tisch richtigen Argumenten negiert. Er vergisst jedoch die (hinter den politik- und sozialwis-senschaftlich verstehbaren Phänomenen liegende) kulturhistorische Tiefe von nationalem und sowjetischem Sozialismus.

Eine Untersuchung aus diesem geisteswissenschaftlichem Horizont würde schnell erweisen, dass beiden Weltbildern – aufgrund ihrer Gottesferne?! – das Hauptkonzept der „säkularen Religionsgeschichte“, die Utopie des Neuen Menschen zugrunde liegt. Bei allen konkreten Unterschieden handelt sich um analoge geschichtliche Phänomene, die den Neuen Menschen „produzieren“ mochten – über unterschiedliche Wege (einmal über die sozialistische Gesell-schaft, ein anderes Mal durchaus mit Hilfe von Eugenik und Rassen“züchtung“).

Der Kommunismus zielte auf die Abschaffung des geschichtlichen Antagonismus von Bour-geoisie und Proletariat über die Zwischenstufe des Sozialismus, um so in die befriedigte Anarchie zu münden. Kaum etwas anderes erstrebte der NS, freilich in anderer Form und an-derer Weise: Der NS wollte die Unterscheidung der Klassen in der Einheitlichkeit und rassi-schen Reinheit der deutschen Volksgemeinschaft mit seinem Rassenideal des arischen Her-renmenschen aufheben. Der Arier in seinem Tausendjährigen Reich ist derart letztlich die nationalsozialistische Konkretion der kommunistischen Idee des Neuen Menschen. Anders gewendet: Die wohl grundlegendste Idee des Kommunismus, jene Aufhebung der „histori-schen“ Störung, jener Unterteilung der Menschen in zwei Gruppen, die der NS eben nicht ökonomisch, sondern rassisch definiert, ist der national- wie sowjetsozialistischen Ideologie gemeinsam.

Richtig gestellt, lautet die Frage daher nicht, ob der NS links oder rechts ist, sondern ob es sich um ein „pessimistisches“, „optimistisches“ oder „utopisches“ Menschenbild handelt (die Charakterisierungen sind austauschbar). Hier scheint vor allem die Einordnung in letzteres durchaus die am ehest zutreffende – von beiden totalitären Denkrichtungen.

Dema Goge

14. Februar 2012 19:57

heute schöner Artikel bei ef:

https://ef-magazin.de/2012/02/13/3409-kommunismus-die-geister-die-sie-rufen

daraus Zitat von Françoise Thom:
„Die Ideologie der Nationalsozialisten basierte auf falscher Biologie, der Kommunismus auf falscher Soziologie“.

Das ist genau der wesentliche Punkt ! Noch klarer wäre vielleicht: nicht 'falsche' Wissenschaft, sondern falsch verstandene Wissenschaft, nämlich als Offenbarung der 'wirklichen Welt' - als geistiges Photo von dem 'was ist' und nicht - wie es richtig wäre - als Ordnungs-System menschlicher Welt-Erfahrungen.

Oder etwas derber: wenn links ‚dumm’ bedeutet, dann sind NS und InS links.
Auch wenn links heißt was für den ‚kleinen Mann’ zu tun dann sind sie's.
Und wenn links ‚alterativ’ und ‚rechts’ konservativ sein mögen sind sie's wieder.

Nur wenn man links mit universalistisch und rechts mit partikularistisch gleichsetzt wären sie's nicht – und warum sollte man das tun ?

Karl Eduard

25. Mai 2013 07:02

"Deutschland schafft sich ab", hat Sarrazin geschrieben und hat genau dargelegt, was mit einem Land passiert, in dem die, die sonst die Ingenieure, Künstler oder Fachleute hervorbrachten, darauf verzichten, Kinder zu bekommen, sich die eingewanderten Analphabeten aber fleißig vermehren. Das war der Grund der deutschen "Rasseideologie", das Wissen und Können der Vorväter zu bewahren. Heute können wir darüber nur den Kopf schütteln. Geld kommt bekanntlich aus dem Automaten, Lebensmittel wachsen im Supermarkt und wenn deutsche Schulen ein Niveau erreicht haben, in dem nicht mehr gerechnet , sondern nur noch Ideologie verbreitet wird, dann sorgen wir uns auch nicht, schließlich kann Qualifikation behördlich befohlen werden.

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