Neonaziaufmärsche, Castortransporte, Banken, Bahnhöfe, Baumfäller. Wir sehen sie in den Nachrichten, auf Videos im Netz, auf illustrierenden Pressephotos: trommelnde Frauen.
Auch am 13. Februar in Dresden wummerten sie wieder mit konvulsivisch zuckenden Leibern und entrückten Blicks ihre heroischen Antinazirhythmen. Spiegel-online zeigt ein hübsches Video, auf dem man sehen konnte, welch ehrgeizige Gruppentänze die Trommelfrauen hervorriefen; darunter mitnichten nur Geschlechtsgenossinnen, sondern auch ein hoch engagierter Jungtänzer mit umgebundenen Säuglingstragetuch, gottlob ohne Inhalt.
Jede Generation produziert solche Typen, die geradezu zwangsläufig zum Klischee gerinnen. Der Typus der trommelnden westeuropäischen Frau ist insofern intergenerationell, da er sich aufspalten läßt in zwei Subtypen. Die Scheidelinie darf man grob definieren: hier die ältere, da die junge.
Die Ältere ist meist, wenn auch nicht zwangsläufig, der wuchtigere Typ. In ihrem Selbsterfahrungshorizont ist das Trommelschlagen nur eine Bewußtseinserweiterung unter vielen, rangierend zwischen Makramee – Jahrzehnte her – und Urschreitherapie, sie hat ihre FrauenKörperlichkeit vielleicht auch schon bauchtanzend erprobt. Wir lesen bei den Spezialistinnen auf frauen-kraft.at (warum auch immer mit einem stark anorektischen Frauenbild im Profil) die schlüssige Erklärung, warum das Getrommel nur der hörbar gemachte Pulsschlag urinnerster Fraulichkeit ist:
Durch ihre runde Form werden die Trommeln der Erde und damit dem Mutterschoß, dem Kreis der Jahreszeiten, der Mondin und dem weiblichen, gebärendem Prinzip zugeordnet.
Die Stimme der Trommel ist die Stimme des Irdischen, des Lebenspulses und die der verborgenen Kraft des Lebens in der manifestierten, grobstofflichen Welt. Der Trommelschlag des sich wiederholenden Rhythmus ist ein Ruf, den die Seele wahrnimmt und durch Bewegung und Tanz ihre inneren Welten nach außen bringen kann.
Die ältere Schautrommlerin trommelt drum gern auch mal friedlich. Natürlich nicht in spießigen Spielmannszügen, deren Volkstümlichkeit sie als „volkstümelnd“ empfindet, sondern in Frauengruppen, wo frau per Djembe oder Conga das globale Echo des weiblichen Leibes ertönen läßt. Oder, rein sportlich (dann ruhig auch in Formation) auf einem Frauensporttag. Fitball-Drums, wie auch sonst, heißt solche reizend anzuschauende Veranstaltung dann.
Solcherart eingeübt läßt sich der Schlegel dann auch politisch schwingen. So „nachdenklich“ wie „lautstark“ (ergo: mit Kerzen und Trommeln) unterstützte drum die Stralsunder Trommelschule die regionale Plakatkampagne „Hinter deutschen Wänden“, die gegen das Leid der in deutschen Wohnzimmern geschlagenen Frauen antrommeln will.
Ein anrührendes Beispiel, wie in einer gemischtgeschlechtlichen Älteren-Protest-Gruppe die Trommel respektive das Faß (ob das auch noch den Mutterschoß symbolisiert?) geschlagen wird, gibt diese Greenpeace-Kapelle (saucooler Dirigent!) ab und diese, die dazu noch einen frechen Fukushima-Rap auf den Lippen trägt.
Die ältere Trommlerin, als Phänotyp betrachtet, schaut trommelnd in die Menge, ihre Kleidung ist von glanzloser Zweckmäßigkeit, ihr Blick herausfordernd: man soll sie nehmen wie sie ist, sie jedenfalls läßt sich nichts mehr sagen und macht Radau, meist in größerer Runde wie hier bei den Buchholzer Bunt-Demokraten.
Von „Menschenwürde“ spricht diese Trommlerin gern; sich selbst hat sie dabei nicht im Blick.
Die Jungtrommlerin ist anderen Schlags, sie schmückt ihr Gesicht gern mit Ringen, trägt die Haare oft absichtsvoll verfilzt. Ihr Getrommel, gern in Kauerstellung ausgeführt, mag dem Ignoranten als apathische, cannabinoidgestützte Monotonhandlung erscheinen. In Wahrheit ist sie ganz eins mit ihrem Instrument, versunken in Klang, Hall, Rhythmus und hingegeben an die Sache und das ganze unfaßbare Leid, gegen das sie jeweils antrommelt. Nein, ihr Blick ist kein leeres Kifferstaunen, er umfaßt die ganze Bodenlosigkeit des Vorgangs, den sie zuckend zu verhindern sucht.
Vitaler geriert sie sich, wenn viele andere mittun, wenn Trillerpfeifen das Wummern stützen, brechen und vorantreiben, dann hält ein überschwänglicher Trotz Einzug in die Mimik der trommelnden jungen Frau. Das Wohlgefühl, Teil einer Widerstandsbewegung zu sein, verleiht ihren Händen Kraft, ihre Hüften, das Instrument daran festgebunden, wiegen in reizender Provokation.
Die Kombination Pfeifen/Trommeln ist dabei eine uralte – bedrückenderweise keine, die einem pazifistischen Geiste entspringt. Wir kennen diese anfeuernden Musikanten bereits aus mittelalterlichen Zeugnissen (und neuen Historienfilme), sie mobilisierten die kämpfende Truppe. Daß unsere Trommelweiber mobilisieren sollen, ist kein Geheimnis. Im Fußball sind es meist und lang schon die dicken Männer, die den Fangesängen den Takt vorgeben. Neu ist, das das „Laut sein“ und den Takt vorgeben zum feministisch ausgemalten Selbstkonzept geronnen ist, und daß Männer hemmungslos nach Pfeifen tanzen und zu Trommeln zucken.