warum es noch keinem/keiner gelungen ist, mir einen schlüssigen Grund für Frauenquoten zu nennen: Bin ich zu einfältig, es zu kapieren?
Haarscharf in der Mitte zwischen allerlei Frauengedenktagen gelegen (also exakt zwischen Muttertag, Equal-Pay-Day, Frauengebetstag, dem Internationalen Tag für Frauen in ländlichen Gebieten, dem Tag für die Beseitigung der Gewalt an Frauen, Girls´Day und Muttertag) plakatiert die schreibende Zunft nun die Aktion www.pro-quote.de. Die dort Unterzeichnenden fordern, daß binnen der nächsten fünf Jahre „mindestens 30 Prozent der Führungspositionen in den Redaktionen mit Frauen besetzt werden – und zwar auf allen Hierarchiestufen.“
Warum? Ich, als Teilzeit-Schreiberin und weisungsgebundene Redaktionsmitgliedin gewissermaßen direkt mitbetroffen, bin auf der Suche nach Gründen nicht wirklich fündig geworden. Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart hat forsch die Vorreiterrrolle (typisch Mann halt!) übernommen und eine Frauenquote für die Führungspositionen in seiner Redaktion angekündigt. Diese Maßnahme gebiete „nicht nur die Gerechtigkeit, sondern auch die ökonomische Vernunft“. Gerechtigkeit /Vernunft klingen gut, aber inwiefern würden diese Werte durch gerade eine Frauenquote eingelöst?
Nur zwei Prozent aller Chefredakteure der rund 360 deutschen Tages- und Wochenzeitungen sind Frauen, von den 12 Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind lediglich drei weiblich. Auch in den Redaktionen der Nachrichtenmagazine stehen fast ausschließlich Männer an der Spitze.
Soweit: verstanden. Meine zwei arg simplen Kernfragen lauten: Wer, welches Gesetz, welcher Usus, hindert Frauen qua Geschlecht, eben diese Spitzenpositionen zu bekleiden? Was genau – an der Berichterstattung und Kommentierung – wäre anders, wenn Frauen an den Hebeln säßen?
Zeit-Chef Giovanni di Lorenzo reiht sich ein in den großen Teil der rund 1400 pro-quote Unterzeichnenden, die bekennen, “eigentlich immer” QuotengegnerIn gewesen zu sein. Ein Pappkamerad als Argumentverstärker, der suggerieren soll, man/frau sei ja „eigentlich“ auf der Seite des gesunden Menschenverstands, der Beförderungen nach Leistung und nicht nach Geschlecht ausgesprochen sehen will. So groß wie leer das Aber: „Ohne Quote geht es leider nicht!“ Was denn genau, und inwiefern? Ich verstehe es nicht!
Di Lorenzo, „räumt ein“, die Quote sei „zwar kein Ziel an sich, aber ein Instrument, das Chefs und Frauen halb ermutigen, halb zwingen [!] soll, sich anzustrengen, über ihren Schatten zu springen. Was also, wenn guter Wille und gute Frauen allein keine guten Ergebnisse erzielen? Dann ist eben doch die Zeit für eine Quote gekommen.“
Ich verstehe: Bahnhof. Andere Mitpetenten helfen mir auch nicht weiter. Auf der Netzseite der Initiative dürfen Frauen (vom Vorwärts, gering vertreten, bis zur FAZ, reichlich vertreten) begründen, warum sie für eine Chefin-Quote in Redaktionen sind.
Wir lesen beispielsweise diese hier:
Ich habe lange gedacht, dass es ohne Quote geht – bis ich gemerkt habe, dass Männer nicht so denken.
Maria Gresz, Spiegel-TV, Moderatorin und Ressortleiterin. Oder, extrem zackig, diese:
Schaut her: Es geht.
Dagmar Engel, Chefredakteurin Deutsche Welle. Supercool, aber nicht quotenbedarferklärend auch diese:
Ich bin für diese Quote, weil mein Mann besser mit den Kindern und ich besser im Job klarkomme.
Annette Leiterer, Redakteurin, NDR, ZAPP. So bedeutungsschwer wie erklärungsarm die hier:
Ich glaube, ein Mann will von einer Frau das gleiche wie eine Frau von einem Mann: Respekt. (Clint Eastwood)
Esther Kogelboom, Der Tagesspiegel. Und hübsch martialisch die Frau Reski, Journalistin und Schriftstellerin:
Wer nicht hören will, muss fühlen. Deshalb die Quote.
Immerhin einen Hinweis auf Gefühlslagen und Tonarten liefert das hier:
Wer behauptet, nur Frauen führten Zickenkriege, hat noch nie eine Redaktionskonferenz erlebt, in der ausschließlich Männer das Wort führen. In unserer Redaktion ist das Verhältnis Frauen/Männer mittlerweile ausgewogen, und das tut nicht nur dem Umgangston gut.
Johanna Romberg, Geo.
Im Deutschlandradio, leider nicht online hinterlegt, erklärte Moritz Müller-Wirh, der (leider allem Anschein auch männliche) Vizechef der Zeit, daß man sich hinter diesen „Fünfjahresplan“ (sic!) ordentlich klemmen werde. Sein Eintreten für die Quote formulierte Müller-Wirth vehement und hineinsteigerungsfreudig, daß es mich fast zu Tränen rührte.
Warum aber Frauen in Chefredaktionen so wichtig seien: keine genaue Angabe. Bedauernswert fand Müller-Würth es weiterhin, daß auch JournalistInnen mit Migrationshintergrund bei weitem nicht ausreichend vertreten seien. Ob die analog zu den geschlechtsbedingten Diskriminierungen tatsächlich qua Herkunftsethnie abgelehnt werden? Man weiß es nicht. Mir fehlt das Vorstellungsvermögen. Den Faden weiterspinnen darf man aber. Auch Menschen unter 25 finden sich selten auf redaktionellen Chefsesseln. Oder, nur beispielsweise, Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen. Hätten die etwa kein Anrecht auf Darstellung ihrer je spezifischen Sicht? Verdienen die nicht „Respekt“ und eine eigene Stimme?
Ausgerechnet auf der Netzseite der taz finden wir nur kritische Kommentare zu dem journalistischen Anliegen (das auch von einigen Männern, etwa Günter Jauch unterstützt wird). „Karsten“ etwa schreibt im taz-Kommentarbereich:
“Ganz ehrlich: Wenn es mehr Journalistinnen gibt, dann steigt garantiert der Medienanteil von Trivialthemen. Viele Frauen interessieren sich für Themen, die Mann nicht einmal peripher tangiert. Das hört sich hart an, nicht-vorhandenes politisches Interesse weiblicher Geschlechtsträgerinnen ist einfach Fakt.“
„SebastianBreuth“ zitiert und kritisiert Giovanni di Lorenzos „Argumentation“:
„Frauen sind nicht die besseren Journalisten, sie führen auch nicht besser. Nur eben anders, meistens uneitler als Männer“.
Also doch besser!? Schämen Sie sich für Ihre verschwurbelten und verdrucksten Sätze zu diesem Thema, Herr Lorenzo! In einer freien Demokratie gilt übrigens auch keine Ergebnisgleichheit, sondern Chancengleichheit! Und die haben Frauen wie Männer reichlich. Jeder ist seines Glückes Schmied. Quoten entspringen einer bevormundenden, freiheitsverachtenden Denkweise und sind deshalb meiner Meinung nach grundsätzlich abzulehnen. Wenn man sie dann noch garniert mit Vorurteilen über angebliche Charakterzüge, die ja biologisch bedingt sein müssen, wird es ziemlich dünnes Eis.
Es sei “merkwürdig, wie homogen und hermetisch Redaktionen oft noch sind, und das in einer Branche, die von der Neugier und der Verschiedenheit lebt”, beklagte di Lorenzo außerdem. Das wiederum scheint mir keine ganz falsche Einschätzung zu sein. Sollte mir hingegen bislang entgangen sein, daß es vor allem Frauen sind, die innerhalb der Redaktionen gegen den Hauptstrom anschreiben? Wo? Wer?
Wenn es eine Quotenjournalismus geben sollte, der sich nach quantitativer Repäsentanz in der Bevölkerung ausrichtete, dann dürften wir jetzt massig Leitartikel lesen, die sich dezidiert gegen Frauenquoten aussprächen. Ich habe in sämtlichen Großfeuilletons und Provinzblättern allenfalls moderat quotenkritische Stimmen gefunden, die sinngemäß sagten: Mehr Frauen in Chefredaktionsstuben und auf Intendantenplätzen- ja, bitte, ganz dringend!, aber lieber nicht per Quote. Ja, die Redaktionen schreiben hier durchaus „homogen und hermetisch“, ohne aber die Stimme ihrer Konsumenten widerzuspiegeln.
patzer
Nachdem ihre gesunden Instinkte die Frau davon abgehalten haben, sich dem männlichen Horntier gleich ins Joch zu begeben, will man sie nun per Quote dazu zwingen.
-Michael Klonovsky-