vielleicht Ernst Jüngers Gläserne Bienen, ganz sicher Das Heerlager der Heiligen von Jean Raspail (wenn er einer von uns ist!) und vor allem den Roman Fahrenheit 451 von Ray Bradbury. “451” ist eine meiner Lieblingschiffren, und die Hauptfigur aus Bradburys Roman – der Feuerwehrmann Montag – ist Angehöriger der Division Antaios.
Bradbury – geboren 1920 – ist am 5. Juni verstorben. Fahrenheit 451 ist sein bekanntester Roman. In ihm werden Bücher nicht mehr gelesen, sondern verbrannt, wenn der Staat sie findet: Ihre Lektüre mache unglücklich, lenke vom Hier und Heute ab, bringe die Menschen gegeneinander auf. Vor allem berge jedes Stück Literatur etwas Unberechenbares, Freigegebenes, etwas, das plötzlich und an ganz unerwarteter Stelle zu einer Fanfare werden könne. In den Worten Bradburys: “Ein Buch im Haus nebenan ist wie ein scharfgeladenes Gewehr.”
Montag indes greift heimlich nach dem, was ihm gefährlich werden könnte. Er rettet ein paar Dutzend Bücher vor den Flammen, versteckt sie in seinem Haus und vor seiner an Konsum und Seifenopern verlorengegangenen Frau. Heimlich liest er, zweifelt, befreit sich und wird denunziert (von seiner eigenen, an den Konsum und die Indoktrination verlorengegangenen Frau); er kann fliehen und stößt in einem Waldstück auf ein Refugium der Bildung, auf eine sanfte, innerliche Widerstandsinsel, eine Traditionskompanie, eine Hundertschaft von Waldgängern: Leser wandeln auf und ab und lernen ein Werk auswendig, das ihnen besonders am Herzen liegt, um es ein Leben lang zu bewahren, selbst dann noch, wenn das letzte Exemplar verbrannt wäre.
Ich korrespondiere derzeit mit einem bald Achtzigjährigen, der insgesamt sieben Jahre im Gefängnis verbrachte und in dieser Zeit nichts für seinen Geist vorfand als das, was er darin schon mit sich trug. In Dunkelhaft war er allein mit den memorierten Gedichten, Dramenstücken, Prosafetzen, und er war dankbar für jede Zeile, die er in sich fand. Er kannte Fahrenheit 451 noch nicht und las begierig wie ein Student (wie er mir schrieb). Und er schrieb, daß er in Montags Waldstück keinen Prosatext verkörpern würde, wenn er dort wäre, sondern fünfhundert Gedichte – den Ewige Brunnen sozusagen.
Und Sie?
Gottfried
Man gibt halt den netten Narren. Bücher müssen nicht verbrannt werden. Kommen Jetztsassen zu Besuch, dulden ("tolerare") sie die Bände von Jünger oder Eichendorff oder Botho Strauß im Regal genauso wie S/M und überhaupt alles. Die Verständigung ("Kommunikation") erfolgt über Zeichen, z.B. NIKE oder WELTOFFEN, Paßwörter wie BUNT, ADIDAS, VIELFALT oder NEW YORKER.
Die moderne Gesellschaft der Zeichenkundigen weiß einfach nicht darum, was ihr aus der randständigen Parallelgesellschaft der Lesenden drohen kann. Ein Zeichen wie WELTOFFEN nennt die vier Dimensionen des Raumes und der Zeit nicht. Die Frage nach der Tür, dem Schlüssel, den Wänden, den Zäunen und den Grenzen - falls der Lesende sie dem Ewigheutigen denn stellt - wird als Scherz aufgenommen.
Ist der Lesende ein Zyniker, kann er, wenn er denn mag, als Unterhalter bei den Ewigheutigen sogar viel Geld verdienen.
Das Nervensystem der Kinder der Ehefrau und Seifenoperfreundin des Feuerwehrmannes Montag ist in aller Regel spätestens mit fünf, sechs Jahren schon derartig anders organisiert, daß Bücher wie "Die Schildbürger" oder "Baron Münchhausen" oder die Grimmschen Märchen für den Nachwuchs keine Gefahr mehr darstellen können.
Der Müßiggang, die lange Weile, ist aller Laster, z.B. des Lesens von Büchern, Anfang. Ein an die Erfordernisse des Marktes angepaßtes Nervensystem mit einem zeitgemäßen Bedarf an Reizen und Belohnungen läßt diese lange Weile schlichtemang nicht zu, verunmöglicht diese.
Wozu denn noch Enthauptungen, wenn die grauen Zellen auch mit BERTELSMANN-Unterricht und BERTELSMANN-Spaß (Dschungellager) angereichert werden können?