21.00 Uhr war das Maß voll: Was für ein eindimensionaler Scheißdreck, den sich laut Erhebung mindestens 4,4 Millionen Deutsche bis zum Boden des Tellers in den Hals schaufelten. In den Hauptrollen: eine tolle Jüdin, ein gutherziger Intersexueller und drei dutzend deutsche Arschlöcher.
Der Inhalt: Die Amerikaner drohen mit Boykott der Berliner Spiele von 1936, wenn die deutsche Olympiamannschaft nicht auch für Juden offen sein sollte. Die Hochspringerin Gretel Bergmann, mosaischen Glaubens, wird zum Politikum. Sie trainiert mit den anderen deutschen Athleten, springt den Wettkampf letztlich aber nicht mit. Den arischen Gegenpart spielte eine Mannfrau, im Film Marie Ketteler, in Wirklichkeit Dora Ratjen, die 2008 als Mann verstarb. Ein Täuschungsversuch lag damals, 1936, nicht vor: Dora war noch Dora. Im Film wird daraus der groß angelegte Versuch der Nazis, die Jüdin mit einem Halbmann aus dem Feld zu schlagen.
Im Spielfilm, der “auf einer wahren Geschichte beruht” zeigt
+ weltoffene, schicke, moderne, schlanke Engländer in Superstimmung an Pub-Abenden;
+ fette, deutsche Fressen, die vom Stammtisch direkt in Funktionärsposten gespült wurden;
+ die nette, gebildete, hübsche Jüdin, die allen mit Sporttips und Techniknachhilfe über die Latte helfen will, Tagebuch schreibt und feinere Seife benutzt als die
+ deutschen Ilse-Koch-Weiber, die hämisch, böse, hinterfotzig und mit Kernseife ausgerüstet KZ-Stimmung verbreiten.
+ Die Deutschen machen kadavergehorsam alles, was der Kasernenhofton-Trainer sagt;
+ Die Jüdin regt zum Nachdenken, Selbstdenken, Mitdenken, Weiterdenken, Vorahnen, Widerstehen an und verkörpert alles Gute, während
+ die Deutschen willige Vollstrecker sind – bis auf die kleine intersexuelle Randgruppe, die am Ende sozusagen Hand in Hand mit der großen jüdischen Randgruppe springen wird.
Man kann das nachlesen, aber Gegenbilder zur besten Sendezeit wirds nicht geben. Was sackt tiefer ein in die Seele unserer in ihrem Selbstwertgefühl schon mehr als unsicheren Landsleute – Argument oder Bild? Blöde Frage: Tritt mal mit einem Flugblatt gegen einen Film an, bau mal aus Papier eine Brücke über den Graben, der die dreißigjährigen Widerstandsgemüter von heute von den dreißigjährigen Alltagstätern von damals trennt. “Bild” titelt: “Zeitsprung in die Finsternis”.
Der deutsche Film nach 1945: besetztes Gelände.
Otto
Herr Kubitschek, Sie sind nicht allein in Ihrem Leiden. Ich fühle auch diese ohnmächtige Wut.
Ich danke Ihnen für Ihr Schreiben und Ihre sonstige Tätigkeit. Kampf gegen Windmühlen. Aber wer weiß, ob er nicht doch, hier und da, etwas bewirkt.