“Warum ich kein Linker mehr bin” – Fragen an Manfred Kleine-Hartlage

Nach Friedrich Romig ist es nun Zeit, Manfred Kleine-Hartlage drei Fragen zu seinem neuen kaplaken Warum ich keiner Linker mehr bin zu stellen.

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

Klei­ne-Hart­la­ge beschreibt in dem Büch­lein sei­nen eige­nen Weg von links nach rechts und erklärt, wor­an die Lin­ke glaubt und war­um sie unbe­lehr­bar ist.

SEZESSION: Gleich am Anfang Ihres neu­en Buches War­um ich kein Lin­ker mehr bin schrei­ben Sie: „Wer nie links war, kann es nur als eine Art unheil­ba­rer Geis­tes­krank­heit betrach­ten. Nun, eine Geis­tes­krank­heit mag es sein; aber unheil­bar ist sie nicht.“ Es geht Ihnen mit die­ser Zuspit­zung dar­um, wie sich „Links­sein von innen“ anfühlt. Was wis­sen also nur Lin­ke über Lin­ke? Und was bleibt den ande­ren verborgen?

MANFRED KLEINE-HARTLAGE: Lin­ke wis­sen über sich selbst eigent­lich über­haupt nichts. Links­sein heißt, sich in einem geschlos­se­nen Gedan­ken­uni­ver­sum zu befin­den, das sich stets aus­weg­los in sich selbst zurück­krümmt. Im Zen­trum die­ses Uni­ver­sums steht die Uto­pie, deren Wahr­heit und abso­lu­te Gel­tung axio­ma­tisch ange­nom­men wird, und die damit das Äqui­va­lent einer Gott­heit ist. Dies gilt ent­ge­gen dem Anschein nicht nur für Extre­mis­ten, son­dern auch für soge­nann­te gemä­ßig­te Lin­ke, für die sogar noch mehr: Wäh­rend Extre­mis­ten von der kon­kre­ten Uto­pie aus­ge­hen, d.h. ihre Gott­heit in einem Bild – etwa dem Sozia­lis­mus – kon­kre­ti­sie­ren und die­ses anbe­ten, gilt für die soge­nann­ten Gemä­ßig­ten das Bil­der­ver­bot: Die Gott­heit wird tran­szen­dent und unsicht­bar (und damit, anders als eine Göt­zen­sta­tue, auch unzer­stör­bar), aber sie bleibt das Abso­lu­tum, auf das sich die gesam­te lin­ke Welt­auf­fas­sung aus­rich­tet, ein­schließ­lich ihres Poli­tik­ver­ständ­nis­ses, ihrer Moral, ihres Men­schen­bil­des, ihrer poli­ti­schen Pro­jek­te usw., die alle­samt dem Dienst an der Gott­heit ver­pflich­tet sind. Die gan­ze Wirk­lich­keit wird von der Uto­pie her und zum Zwe­cke ihrer Bestä­ti­gung interpretiert.

Es han­delt sich mit­hin um ein autis­ti­sches Wahn­sys­tem, und es liegt in der Natur der Sache, daß man die­ses autis­ti­sche Sys­tem als sol­ches nicht durch­schau­en kann, solan­ge man in ihm lebt (wes­we­gen ich gesagt habe, daß die Lin­ken über sich selbst nichts wis­sen); aber genau­so­we­nig, wenn man nie in ihm gelebt hat. Kon­ser­va­ti­ve nei­gen dazu, schon auf­grund ihres aus­ge­präg­ten Sinns für Rit­ter­lich­keit und Fair­neß, die mora­li­schen Moti­ve anzu­er­ken­nen, die die Lin­ke für sich in Anspruch nimmt, und ihr nur ein zu opti­mis­ti­sches Men­schen­bild zu beschei­ni­gen; sie ten­die­ren dazu, den instru­men­tel­len Cha­rak­ter die­ser Moral und die­ses Men­schen­bil­des zu ver­ken­nen. Sie sehen, daß die meis­ten Lin­ken per­sön­lich kei­nes­wegs bös­ar­tig sind und sind des­halb immer wie­der erschüt­tert über das Aus­maß an Skru­pel­lo­sig­keit und Bös­ar­tig­keit der Lin­ken als Bewe­gung. Sie wären weni­ger über­rascht, wenn sie sich klar­mach­ten, daß sie es mit gläu­bi­gen Anhän­gern einer theo­lo­gisch in sich geschlos­se­nen heid­ni­schen Reli­gi­on zu tun haben, einer Groß­sek­te von gehirn­ge­wa­sche­nen Jüngern.

SEZESSION: War­um gelingt es der deut­schen Lin­ken, ihre kul­tu­rel­le Hege­mo­nie über Jahr­zehn­te hin­weg zu behaup­ten? Sie spre­chen in die­sem Zusam­men­hang von einer „Kor­rup­ti­on des Geistes“ …

MANFRED KLEINE-HARTLAGE: Die Lin­ken haben nach 1968 die Zen­tren der gesell­schaft­li­chen Ideo­lo­gie­pro­duk­ti­on besetzt (Schu­len, Uni­ver­si­tä­ten, Medi­en, Kir­chen, Par­tei­en), und dies nicht durch Leis­tung, son­dern durch Per­so­nal­po­li­tik, und defi­nie­ren von dort aus, wer Eli­te ist (natür­lich sie selbst) und wer Plebs (natür­lich wir), wel­che The­men und Per­spek­ti­ven „seri­ös“ sind und wel­che „Stamm­tisch“, wer zu Wort kom­men soll und wem man „kein Forum bie­ten darf“.

Und da der Mensch Kon­for­mist ist, will er – wenigs­tens durch ideo­lo­gi­sche Teil­ha­be – zu den seriö­sen Eli­ten gehö­ren und schal­tet zu die­sem Zweck auch ger­ne den gesun­den Men­schen­ver­stand ab. Die Ange­hö­ri­gen der mei­nungs­ma­chen­den Eli­ten selbst wie­der­um wis­sen, daß sie dies nur so lan­ge blei­ben, wie sie als zuver­läs­si­ge Ideo­lo­gie­pro­du­zen­ten agie­ren. Was dem geschieht, der sich die­ser Rol­le ver­wei­gert, hat zum Bei­spiel Eva Her­man erfah­ren müs­sen. Am Zuver­läs­sigs­ten ist der, der an das, was er ver­kün­den soll, auch sel­ber glaubt, also wird er sich das Zwei­feln ganz von allei­ne verbieten.

Hin­zu kommt die psy­cho­lo­gi­sche Bestechung durch das Gut­men­schen­tum, d.h. das befrie­di­gen­de Gefühl, bereits des­halb ein guter Mensch zu sein, weil man bestimm­te poli­ti­sche Ansich­ten hat. Das alles zusam­men ergibt das, was ich mit „geis­ti­ger Kor­rup­ti­on“ mei­ne. Sie steht am Ende einer Ket­te von wesent­lich hand­fes­te­ren For­men der Kor­rup­ti­on, die von der Spit­ze der Pyra­mi­de abwärts eine abneh­men­de Rol­le spielen.

SEZESSION: Wie könn­te die Rech­te der Lin­ken den Rang ablaufen?

MANFRED KLEINE-HARTLAGE: Die Lin­ken konn­ten die Ideo­lo­gie­fa­bri­ken nur des­halb beset­zen, weil ihre Agen­da der Zer­stö­rung der Bin­dun­gen, die die Gesell­schaft zusam­men­hal­ten, ide­al den Zie­len eines glo­ba­li­sier­ten Kapi­ta­lis­mus dient, der das ato­mi­sier­te Indi­vi­du­um, den gedan­ken- und geschichts­lo­sen Hedo­nis­ten benö­tigt. Die Glo­ba­li­sie­rung geschieht nicht von allein, sie geschieht, weil die Geld- und Macht­eli­ten aller west­li­chen Län­der – bestehend durch­aus nicht aus Lin­ken – ent­schlos­sen sind, sie vor­an­zu­trei­ben, und zwar gegen den Wil­len der Völ­ker, mit denen sie nicht mehr gemein­sam haben als den Paß.

Die Lin­ken sind nur die poli­ti­sche, ideo­lo­gi­sche und oft genug auch ganz hand­greif­lich phy­si­sche Speer­spit­ze die­ser Eli­ten. Sie erfül­len damit eine unent­behr­li­che Funk­ti­on in ihrem Herr­schafts­sys­tem und müs­sen schon des­halb bekämpft wer­den. Es wäre aber eine Halb­heit, sie zu bekämp­fen, ohne die zu bekämp­fen, in deren Dienst sie ste­hen. Am Anfang jeder Poli­tik steht die illu­si­ons­lo­se Feind­be­stim­mung. Machen wir uns also nichts vor: Wir haben inner­halb des herr­schen­den Kar­tells kei­ne Ver­bün­de­ten, und wir müs­sen die­ses Kar­tell als Gan­zes bekämp­fen, nicht nur sei­ne lin­ke Frak­ti­on. „Bekämp­fen“ heißt, min­des­tens sei­nen Bewe­gungs­spiel­raum so emp­find­lich zu beschnei­den, daß es zu Zügen gezwun­gen ist, die es von sich aus nicht machen wür­de, zurück­wei­chen muß, wo es lie­ber vor­an­schrei­ten wür­de, Regeln ein­hal­ten muß, über die es sich lie­ber hin­weg­set­zen würde.

Unter­wan­de­rungs­stra­te­gien nach Art der Acht­und­sech­zi­ger sind auf­grund der völ­lig anders­ge­ar­te­ten Vor­aus­set­zun­gen zum Schei­tern ver­ur­teilt, und jeder Ver­such, etwa die Grü­nen mit­hil­fe der CDU zu bekämp­fen, gehen an dem Sach­ver­halt vor­bei, daß hier ein Spiel mit ver­teil­ten Rol­len gespielt wird. Letzt­lich treibt man nur den Teu­fel mit Beel­ze­bub aus.

Da wir die lin­ken Ideo­lo­gie­fa­bri­ken nicht lahm­le­gen kön­nen, müs­sen wir ihnen die Kun­den abspens­tig machen, das heißt das Ver­trau­en des Publi­kums erschüt­tern; sicht­bar machen, daß die­se Macht­zen­tren das Gegen­teil von dem tun, was sie zu tun vor­ge­ben. Daß also weder die Medi­en noch die Wis­sen­schaft dort, wo es poli­tisch rele­vant ist, irgend etwas mit Wahr­heit zu tun haben, und daß die eta­blier­te Poli­tik einer volks‑, staats- und ver­fas­sungs­feind­li­chen, ver­rä­te­ri­schen Agen­da folgt.

Wer immer sich über die Ela­bo­ra­te die­ser Macht­zen­tren äußert, muß zwei Bot­schaf­ten sen­den: Ers­tens: Sie sind der Feind. Zwei­tens: Glaubt ihnen nichts! Wir soll­ten uns zum Bei­spiel ange­wöh­nen, jeweils bis zum Beweis des Gegen­teils von fol­gen­den Ver­mu­tun­gen aus­zu­ge­hen: Wann immer unse­re Mei­nungs­gou­ver­nan­ten sich über eine Behaup­tung einig sind, ist die­se Behaup­tung gelo­gen. Und wo sie sich nicht einig sind, ist das The­ma, über daß sie sich strei­ten, ein unwich­ti­ges Thema.

Das Zwei­te, was man sicht­bar machen muß, ist, daß der Kon­sens, auf den sich die lin­ke Vor­herr­schaft stützt, ein Schein­kon­sens ist. Das kann jeder Ein­zel­ne tun, in der Öffent­lich­keit, im Netz, auf der All­tags­ebe­ne. Mit ruhi­ger Selbst­ver­ständ­lich­keit ein­fa­che Tat­sa­chen aus­spre­chen, von denen in Wirk­lich­keit jeder weiß, daß sie wahr sind, die aber öffent­lich tabui­siert wer­den, z.B. daß Viel­völ­ker­staa­ten Staa­ten im laten­ten Bür­ger­krieg sind und nicht funk­tio­nie­ren kön­nen, jeden­falls nicht als Demo­kra­tien. Jeder muß Gesicht zei­gen gegen links und ein Zei­chen set­zen für rechts. Wenn wir genug Men­schen zusam­men­brin­gen, die zu ihrer Auf­fas­sung ste­hen und sich von ihr auch bei Gegen­wind nicht mehr abbrin­gen las­sen, bricht der auf Kon­for­mis­mus basie­ren­de Schein­kon­sens in sich zusammen.

Das Inter­net schafft die Mög­lich­keit von Gegen­öf­fent­lich­keit, die immer noch viel zu wenig und vor allem falsch genutzt wird. Die meis­ten Leser rechts­al­ter­na­ti­ver Sei­ten haben offen­bar kei­ne Ahnung, daß sie mit ein paar Maus­klicks, einem „Gefällt mir“ bei Face­book, einem „Tweet“ bei Twit­ter, einem Lese­zei­chen bei einer Link­samm­lung zur Ver­brei­tung der Bot­schaf­ten die­ser Sei­ten bei­tra­gen und ihnen zu einem höhe­ren Rang bei den Such­ma­schi­nen ver­hel­fen kön­nen. Wenn ich sehe, daß unter man­chem PI-Arti­kel zwei­hun­dert Kom­men­ta­re ste­hen, aber kaum einer „Gefällt mir“ ange­klickt hat, dann sagt das alles über die Inter­net­kom­pe­tenz der islam­kri­ti­schen Sze­ne, und bei den Blogs der Neu­en Rech­ten sieht es eher noch düs­te­rer aus. Weni­ger reden, mehr machen, weni­ger kom­men­tie­ren, mehr verbreiten!

Daß jeder in sei­nem per­sön­li­chen Umfeld und im Netz das Sei­ne tut, die Bot­schaft zu ver­brei­ten, ist aber nur eine not­wen­di­ge, kei­ne hin­rei­chen­de Vor­aus­set­zung, das Ver­trau­en in das Kar­tell zu unter­gra­ben. Man muß Gegen­struk­tu­ren schaf­fen, die auf die Bekämp­fung des Geg­ners spe­zia­li­siert sind, und die Vor­stel­lung, dies kön­ne durch Gras­wur­zel­netz­wer­ke von Fei­er­abend­ak­ti­vis­ten gesche­hen, ist poli­ti­sche Sozialromantik!

War­um gibt es, um nur ein paar Bei­spie­le zu nen­nen, kei­ne Insti­tu­te, die pseu­do­wis­sen­schaft­li­che Pro­pa­gan­da­stu­di­en schnell genug zer­pflü­cken, um damit noch eine öffent­li­che Wir­kung zu erzie­len? Wo sind die Insti­tu­tio­nen einer Gegen­wis­sen­schaft, die mit über­zeu­gen­de­ren Deu­tun­gen der sozia­len Wirk­lich­keit auf­war­ten als die eta­blier­te Ideo­lo­gie­in­dus­trie? (Ja, es gibt sie, aber sie sind zu klein und zu weni­ge.) War­um gibt es kei­ne Rechts­hil­fe­or­ga­ni­sa­ti­on, die die recht­li­chen Mit­tel aus­schöpft, um gegen die unauf­hör­li­chen Rechts­brü­che vor­zu­ge­hen, die der Geg­ner schon gewohn­heits­mä­ßig gegen uns ein­setzt? War­um gibt es zwar (und immer­hin!) ein rech­tes Äqui­va­lent zur Zeit (näm­lich die Jun­ge Frei­heit), aber kei­nes zur taz? War­um sind wir nicht wenigs­tens im Netz eine Macht? War­um betreibt die Lin­ke sys­te­ma­ti­sche Feind­be­ob­ach­tung, nicht aber die Rechte?

Weil wir unpro­fes­sio­nell sind! Wer sol­che Pro­jek­te ver­wirk­li­chen will, braucht drei Din­ge: ers­tens Geld, zwei­tens Geld, drit­tens Geld! In kon­ser­va­ti­ven Krei­sen scheint aber die Auf­fas­sung vor­zu­herr­schen, daß man über Geld nicht spricht. Und daß man es, wenn man es hat, für alles ande­re lie­ber aus­gibt als dafür, rech­te Pro­jek­te zu för­dern. Die zahl­rei­chen, nicht sel­ten wohl­be­tuch­ten, Gesin­nungs­rech­ten, die sich meist aus beruf­li­chen Grün­den nicht aus dem Fens­ter leh­nen wol­len, kön­nen wenigs­tens finan­zi­ell ihren Bei­trag leis­ten. Gera­de weil wir zah­len­mä­ßig Weni­ge sind, kön­nen wir uns kei­ne Inef­fi­zi­enz leis­ten, und Pro­fes­sio­na­li­tät ist das A und O.

SEZESSION: Herr Klei­ne-Hart­la­ge, vie­len Dank für Ihre Ausführungen.

Man­fred Kleine-Hartlage
War­um ich kein Lin­ker mehr bin

Rei­he kapla­ken, Band 33
96 Sei­ten, gebun­den, 8,50 €
Schnell­ro­da 2012

 

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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