Dies gilt zum Beispiel von der Theorie der Neuen Weltordnung, die unter anderem besagt, daß die Politik der wichtigsten westlichen Staaten, einschließlich der Besetzung ihrer politischen Spitzenämter, nicht von den offiziell dafür vorgesehenen Gremien bestimmt wird, etwa dem Deutschen Bundestag. Die wesentlichen Vorentscheidungen fallen auf einer ganz anderen Ebene, nämlich in den Netzwerken der internationalen Top-Eliten.
Wer die sogenannten Informationen deutscher Massenmedien und das Expertentum der dort viel zitierten “Parteienforscher” ernstnimmt, mußte bis Freitag mittag von der Existenz einer “K‑Frage” ausgehen, also eines relativ offenen Rennens zwischen Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier um die Kanzlerkandidatur der SPD. Wer stattdessen etwa die Korrektheiten las, wußte schon vor über einem Jahr, daß es diese K‑Frage nie gegeben hat und Steinbrück der nächste Kanzlerkandidat der SPD und der nächste Bundeskanzler sein würde. Ich sage das nicht aus Eitelkeit, sondern um zu illustrieren, wie weit der kommt, der sich an einer guten Theorie orientiert, und wie sehr man in die Irre geführt wird, wenn man auf die Medien und das dort vermittelte Weltbild vertraut.
Daß Peer Steinbrück der nächste Bundeskanzler sein würde, stand spätestens seit dem Treffen der Bilderberger-Gruppe 2011 fest, zu dem er als einziger Politiker aus Deutschland geladen war. Die Bilderberger sind diejenige Gruppe,
die frappierenderweise immer schon einige Zeit im Voraus weiß, wer der nächste deutsche Kanzler oder amerikanische Präsident sein wird; die also zum Beispiel 1991 erstmals Bill Clinton einlud, der 1992 Präsident wurde, im Juni 2008 Barack Obama (gewählt im November 2008), im Mai 2005 Angela Merkel, die im November Kanzlerin wurde, 1980 Helmut Kohl (Kanzler ab 1982), 1973 Helmut Schmidt (Kanzler ab 1974) usw.
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Wenn ein Politiker erst einmal die nötigen Umfragewerte hat, und die wird ihm eine freundliche Presse schon besorgen … , dann wird die Partei ganz von alleine befinden, an ihm führe kein Weg vorbei.
Genau so ist es gekommen. Helmut Schmidt, nach wie vor in den internationalen Eliten bestens vernetzt, hat es übernommen, über den Spiegel und über sein Hausblatt Die Zeit, dazu noch mit einem Buch, uns Steinbrück als den optimalen – Angela Merkel würde sagen: “alternativlosen” – Kanzler schmackhaft zu machen. Wir können davon ausgehen, daß die deutschen Medien, die Springerpresse inbegriffen, ihn in den nächsten zwölf Monaten zur Lichtgestalt und zum Supermann aufblasen werden, bis sogar Stammwähler der Union ins Grübeln kommen werden, ob sie sich nicht am Vaterland versündigen, wenn sie diesem Messias ihre Stimme verweigern.
Steinbrück unterscheidet sich in keiner wesentlichen Frage von Angela Merkel, aber er kann als Sozialdemokrat Dinge durchsetzen, zu denen Merkel zuletzt die Kraft fehlte, etwa die Beteiligung an westlichen Militäreinsätzen in der islamischen Welt. Daß man es für nötig hält, eine neue Regierung mit frischer Autorität zu installieren, die einer noch lange Zeit geschwächten Opposition gegenübersteht, ist ein schlechtes Zeichen, eines, das auf bevorstehende unpopuläre Entscheidungen hindeutet. Wir gehen interessanten Zeiten entgegen.
Ernstfall
Mir fällt kein Grund aus der Perspektive der erwähnten Kreise dafür ein, warum man Frau Merkel ersetzen müßte. Für einen Einsatz in Libyen hätte man die Bundeswehr doch gar nicht gebraucht, und ein Einsatz in Syrien scheint für die Amerikaner momentan nicht mehr aktuell zu sein. Selbst wenn er es würde, würde man die Bundeswehr wohl eher für die Stabilisierungsphase benötigen, und dafür gäbe es wohl ein VN-Mandat, mit dem man der deutschen Bevölkerung fast jeden Einsatz verkaufen kann. Und wäre so ein Einsatz überhaupt von höherer Bedeutung für internationale Kreise als das, was Merkel für sie bzw. bestimmte Großbanken in der Eurofrage geleistet hat? Was müsste ein Sozialdemokrat hier denn noch durchsetzen, was die CDU bzw. Frau Merkel nicht längst schon geleistet hat?
Ich kann mir ja vorstellen, daß man es nicht ganz dem Zufall überlassen will wer Bundeskanzler wird, aber daß Steinbrück vorab durch diese Kreise geprüft und durch deren Netzwerk in der SPD auf den Schild gehoben wurde, halte ich eher für eine vorbeugende Maßnahme denn für den Ausdruck eines konkreten Plans. Es könnte ja z.B. sein, daß Frau Merkels Umfragewerte in den kommenden Monaten im Zuge einer Verschärfung der Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich sinken werden und sich die Stimmung in der Bevölkerung v.a. gegenüber der Finanzwirtschaft weiter verschlechtert und man dann jemanden braucht, der in bestimmten Fragen für Kontinuität sorgt.