Offenbar fühlt sich die Redaktion allmählich bemüßigt, ein paar Marksteine zu setzen – zu groß scheint so langsam die Gefahr, daß die „Der Geldbeutel schlägt links“-Klientel in ein paar Wochen entsetzt den Rotwein auf’s Blatt spuckt, wenn sich herausstellt, daß der jahrelang auf den Schild eines neuen Heiligen gehobene US-Präsident auch nicht besser regiert hat als sein gleichsam dämonisierter Amtsvorgänger Bush junior.
Bisher kann Obama vor allen Dingen für sich verbuchen, die militärischen Miseren in Afghanistan und im Irak um keinen Deut entschärft, dafür aber immerhin die amerikanische Gesundheits- und Sozialpolitik endgültig zerrüttet zu haben. Für sich genommen schon eine beträchtliche Bilanz, auch wenn eventuelle Untersuchungsausschüsse des US-Kongresses nach einer nicht unwahrscheinlichen Abwahl des ehemals leuchtenden Hoffnungsschimmers des Weltliberalismus gewiß noch ganz andere „Leistungen“ zutage fördern werden.
Aber was soll das alles schon? Das ist ohnehin nur Rabulistik der kleinen, lustig beschlafmützten „Leute da draußen“, die nach gängigem Politsprech ohnehin gar nicht über die geistigen Kapazitäten verfügen, das „große Ganze“ verstehen zu können. So ist Obama denn auch für die ZEIT „trotz allem: ein Held“, denn immerhin hat er durch sein bloßes Dasein die Herrschaft der WASPs [https://de.wikipedia.org/wiki/White_Anglo-Saxon_Protestant] durchbrochen und so für Gleichberechtigung und – halt, nein, das hatte ja schon Kennedy (denn der war Katholik, allerdings ein weißer, was ihn offensichtlich unter den Tisch fallen läßt). Verdammt. Woher nun einen Anlaß nehmen, Barack nach wie vor auf den Thron zu heben? Siehe da: Er hat ja mal 2009 den Friedensnobelpreis bekommen! Über die damaligen Begleitumstände ließe sich zwar trefflich streiten, aber immerhin, Nobelpreis bleibt Nobelpreis.
Beinahe schon Karma, möchte man meinen, daß ausgerechnet an diesem Tag doch allen Ernstes die Europäische Union den 2012er Friedensnobelpreis erhalten hat. All das ganze absehbare Politikergeseier kann man sich sparen; auch die Begründung des Vergabekommitees ist allenfalls für ein trockenes Husten gut. Interessanter – wenngleich nicht überraschend – sind dann doch die Medienkommentare zum freudigen Ereignis: Heute mittag beispielsweise, als die Entscheidung gerade eine Stunde alt war, erscholl über Radio Hamburg ein offenbar vortrefflich abgelesenes, in einem ähnlich nachdrücklichen Duktus wie Uwe Barschels historische „Ehrenwort“-Rede vorgetragenes Mantra über das Endziel EU, quasi einen Garten Euro.
Mit dem Preis seien natürlich alle 27 EU-Mitgliedsstaaten gemeint; so hätten quasi auch „die Deutschen“ einen Friedensnobelpreis erhalten. Schon toll, so eine EU! „… und in der Mitte Deutschland, von wo einst der mörderische Weltkrieg losbrach“ – das kriegt nun einen Friedensnobelpreis, trotz Weltbrandstiftung durch einen Herrn H. aus B. am I., und selbst die Franzosen können uns wieder leiden. Sowas schafft nur die EU. Und sie bleibt so toll, denn „dieser Preis setzt auch nach innen hin ein deutliches Zeichen, daß nämlich kein Mitglied aus dieser friedenssichernden Staatengemeinschaft wieder hinausgeworfen wird – auch Griechenland nicht“.
Sicher wird Radio Hamburg, gemeinsam mit der ZEIT, dereinst auch vermelden „Trotz allem: Helden“, wenn in Brüssel, vor der tobenden Meute gesichert von Sondereinsatzkräften, die Privatjets starten, um die ganze Mischpoke ins Exil zu bringen. Wo das dann sein wird, ist eine andere Frage – die Anwesen in der Toskana dürften dann schon in Flammen stehen.
Ein Trost bleibt am heutigen Tag immerhin: Laut Radio Hamburg jubeln „die Deutschen als Demokraten“ über „ihren“ Preis. Innerlich jubeln darf wohl allein der, der sich nicht dazuzählt.