“Trotzdem Helden!” – Nobelpreis für Alle

Heute titelte die ZEIT leicht trotzig mit dem Konterfei Barack Obamas und der Überschrift „Trotz allem: Ein Held“ [sic!].

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Offen­bar fühlt sich die Redak­ti­on all­mäh­lich bemü­ßigt, ein paar Mark­stei­ne zu set­zen – zu groß scheint so lang­sam die Gefahr, daß die „Der Geld­beu­tel schlägt links“-Klientel in ein paar Wochen ent­setzt den Rot­wein auf’s Blatt spuckt, wenn sich her­aus­stellt, daß der jah­re­lang auf den Schild eines neu­en Hei­li­gen geho­be­ne US-Prä­si­dent auch nicht bes­ser regiert hat als sein gleich­sam dämo­ni­sier­ter Amts­vor­gän­ger Bush junior.

Bis­her kann Oba­ma vor allen Din­gen für sich ver­bu­chen, die mili­tä­ri­schen Mise­ren in Afgha­ni­stan und im Irak um kei­nen Deut ent­schärft, dafür aber immer­hin die ame­ri­ka­ni­sche Gesund­heits- und Sozi­al­po­li­tik end­gül­tig zer­rüt­tet zu haben. Für sich genom­men schon eine beträcht­li­che Bilanz, auch wenn even­tu­el­le Unter­su­chungs­aus­schüs­se des US-Kon­gres­ses nach einer nicht unwahr­schein­li­chen Abwahl des ehe­mals leuch­ten­den Hoff­nungs­schim­mers des Welt­li­be­ra­lis­mus gewiß noch ganz ande­re „Leis­tun­gen“ zuta­ge för­dern werden.

Aber was soll das alles schon? Das ist ohne­hin nur Rabu­lis­tik der klei­nen, lus­tig beschlaf­mütz­ten „Leu­te da drau­ßen“, die nach gän­gi­gem Polit­sprech ohne­hin gar nicht über die geis­ti­gen Kapa­zi­tä­ten ver­fü­gen, das „gro­ße Gan­ze“ ver­ste­hen zu kön­nen. So ist Oba­ma denn auch für die ZEIT „trotz allem: ein Held“, denn immer­hin hat er durch sein blo­ßes Dasein die Herr­schaft der WASPs [https://de.wikipedia.org/wiki/White_Anglo-Saxon_Protestant] durch­bro­chen und so für Gleich­be­rech­ti­gung und – halt, nein, das hat­te ja schon Ken­ne­dy (denn der war Katho­lik, aller­dings ein wei­ßer, was ihn offen­sicht­lich unter den Tisch fal­len läßt). Ver­dammt. Woher nun einen Anlaß neh­men, Barack nach wie vor auf den Thron zu heben? Sie­he da: Er hat ja mal 2009 den Frie­dens­no­bel­preis bekom­men! Über die dama­li­gen Begleit­um­stän­de lie­ße sich zwar treff­lich strei­ten, aber immer­hin, Nobel­preis bleibt Nobelpreis.

Bei­na­he schon Kar­ma, möch­te man mei­nen, daß aus­ge­rech­net an die­sem Tag doch allen Erns­tes die Euro­päi­sche Uni­on den 2012er Frie­dens­no­bel­preis erhal­ten hat. All das gan­ze abseh­ba­re Poli­ti­ker­ge­sei­er kann man sich spa­ren; auch die Begrün­dung des Ver­ga­be­kom­mi­tees ist allen­falls für ein tro­cke­nes Hus­ten gut. Inter­es­san­ter – wenn­gleich nicht über­ra­schend – sind dann doch die Medi­en­kom­men­ta­re zum freu­di­gen Ereig­nis: Heu­te mit­tag bei­spiels­wei­se, als die Ent­schei­dung gera­de eine Stun­de alt war, erscholl über Radio Ham­burg ein offen­bar vor­treff­lich abge­le­se­nes, in einem ähn­lich nach­drück­li­chen Duk­tus wie Uwe Bar­schels his­to­ri­sche „Ehrenwort“-Rede vor­ge­tra­ge­nes Man­tra über das End­ziel EU, qua­si einen Gar­ten Euro.

Mit dem Preis sei­en natür­lich alle 27 EU-Mit­glieds­staa­ten gemeint; so hät­ten qua­si auch „die Deut­schen“ einen Frie­dens­no­bel­preis erhal­ten. Schon toll, so eine EU! „… und in der Mit­te Deutsch­land, von wo einst der mör­de­ri­sche Welt­krieg los­brach“ – das kriegt nun einen Frie­dens­no­bel­preis, trotz Welt­brand­stif­tung durch einen Herrn H. aus B. am I., und selbst die Fran­zo­sen kön­nen uns wie­der lei­den. Sowas schafft nur die EU. Und sie bleibt so toll, denn „die­ser Preis setzt auch nach innen hin ein deut­li­ches Zei­chen, daß näm­lich kein Mit­glied aus die­ser frie­dens­si­chern­den Staa­ten­ge­mein­schaft wie­der hin­aus­ge­wor­fen wird – auch Grie­chen­land nicht“.

Sicher wird Radio Ham­burg, gemein­sam mit der ZEIT, der­einst auch ver­mel­den „Trotz allem: Hel­den“, wenn in Brüs­sel, vor der toben­den Meu­te gesi­chert von Son­der­ein­satz­kräf­ten, die Pri­vat­jets star­ten, um die gan­ze Misch­po­ke ins Exil zu brin­gen. Wo das dann sein wird, ist eine ande­re Fra­ge – die Anwe­sen in der Tos­ka­na dürf­ten dann schon in Flam­men stehen.
Ein Trost bleibt am heu­ti­gen Tag immer­hin: Laut Radio Ham­burg jubeln „die Deut­schen als Demo­kra­ten“ über „ihren“ Preis. Inner­lich jubeln darf wohl allein der, der sich nicht dazuzählt.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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